Moin Carl – Warum braucht Hamburg eine liberale Politik?

© Talika Öztürk

Was macht Hamburg eigentlich so besonders? Natürlich die Menschen, die hier leben. Genau die will ich näher kennenlernen. Deshalb spreche ich in dieser Reihe mit unterschiedlichen Hamburgern und Hamburgerinnen über alles, was sie bewegt. Vor der Bürgerschaftswahl am 23. Februar 2020 habe ich mich mit jungen Politiker*innen getroffen und gefragt, warum und wie sie Politik für Hamburg machen.

Zwischenzeitlich schien die FDP auf Bundesebene ganz zu verschwinden, bei der Bundestagswahl 2017 gelang der Partei unter Christian Lindner allerdings ein Comeback. Wie sieht das in Hamburg aus? Bei der letzten Wahl 2015 erzielte die FDP 7,4 %. Auch damals war Carl Cevin-Key Coste schon mit dabei. Der 23-Jährige studiert an der Bucerius Law School Jura und engagiert sich seit sieben Jahren bei den jungen Liberalen (Julis). Für die kommende Hamburger Bürgerschaftswahl ist er der Spitzenkandidat der Julis. Warum Hamburg eine liberale Politik braucht und mit wem Carl sich eine Koalition wünschen würde, hat er uns im Gespräch erzählt.

Was ist für dich das Besondere an Hamburg?

Hamburg ist unglaublich lebenswert. Von allen Städten, in denen ich bisher war, gefällt mir Hamburg mit am besten. Ich freue mich auch immer wieder, wenn ich nach Hamburg komme, ich mag den Hafen auch sehr gern.

In welcher Ecke in Hamburg trifft man dich am häufigsten?

Zur Zeit wahrscheinlich zwischen der Uni und dem Rathaus. Das sind so die Stellen, wo ich den Großteil meiner Zeit verbringe. Gerade jetzt in der Examensvorbereitung und dadurch, dass ich nebenbei im Rathaus tätig bin.

Hast du einen Lieblingsort in Hamburg?

Auf der 62 durch den Hamburger Hafen zu fahren, finde ich immer sehr schön. Gerade abends, wenn der ganze Hafen im Lichterflimmern steht.

Wenn du eine Sache an Hamburg ändern könntest, welche wäre das?

Ich mag die nordisch, hanseatisch, distanzierte Art sehr gerne. Gerade so im Vergleich zu Süddeutschland: Wenn man sich dort in den Zug setzt, wird man von allen direkt angelabert. Das ist in Hamburg nicht der Fall. Ich glaube aber für Zugezogene ist es manchmal ein bisschen schwer, hier den Zugang zu finden. Da wird die nordisch, distanzierte Art doch als kalt empfunden.

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Seit wie vielen Jahren engagierst du dich in deiner Partei (FDP) und wie bist du zur Politik gekommen?

In der Partei engagiere ich mich seit 2013. Kurz vor der Bundestagswahl bin ich bei den jungen Liberalen eingetreten, die ja kein Bestandteil der FDP sind, sondern ein unabhängiger Verein. Grund dafür war, dass mir das Thema Bürgerrechte schon immer am Herzen lag. Die FDP war für mich immer die einzige Partei, die das konsequent vertreten hat. 2013 ist die FDP aus dem deutschen Bundestag geflogen, da habe ich gemerkt, dass mir diese Kraft dort fehlt und bin eingetreten.

Was ist deine Motivation Politik zu machen?

Wir haben den Luxus, dass wir in einer Demokratie leben. Hier ist relativ einfach, sich politisch zu engagieren. Gerade beim Thema Bürgerrechte sehe ich immer wieder, dass es dort auf gesetzgeberischer Ebene in eine Richtung geht, die mir nicht gefällt: Vorratsdatenspeicherung, Personalausweis- oder Datenbankgesetze und Online-Durchsuchungen, dort werden überall noch weiter Einschnitte in die Privatsphäre gemacht. Das sehe ich, insbesondere als Jurist. Gerade wenn man sagt, einem gefällt eine Entwicklung nicht, reicht es nicht einfach zu meckern und das auf Facebook zu posten, sondern da muss man sich engagieren. Der Ort um das zu tun, sind dann in dem Fall die Parlamente.

Welche Themen liegen dir besonders am Herzen?

Zum einen natürlich die Innen- und Justizpolitik. Allein schon durch mein Studium, bin ich dort sehr nah dran. Das war auch das Thema, was mich zur FDP gebracht hat. Auch in Hamburg ist das natürlich ein wichtiges Thema. Gerade, weil Polizei Ländersache ist. Aber es gibt darüberhinaus auch noch weitere Themen, die hier in der Stadt wichtig sind. Zum Beispiel die Verkehrspolitik. Ich komme aus Harburg und es ist nicht so einfach, junge Menschen dazu zu bewegen, dorthin zu ziehen. Leute, die dort großgeworden sind, wollen von da möglichst schnell weg, weil es immer Probleme gibt hin- und wieder wegzukommen. Alle die an einem Donnerstagabend feiern gehen auf dem Kiez haben dann ein Problem, denn nachts fahren die Bahnen noch nicht durch. Das ist schon ziemlich blöd. Davon sind ja nicht nur die Feierwilligen betroffen, die dann nachts 1,5 Stunden mit dem Nachtbus nach Bergedorf fahren müssen. Sondern auch Leute, die eine Ausbildung machen. Wer zum Beispiel Bäcker ist, der muss um vier Uhr bei der Arbeit sein und um 20 nach vier fährt erst die erste Bahn. So jemand überlegt sich dann viermal, ob er wirklich in Bergedorf oder Harburg wohnen bleibt. Deswegen kann man beim ÖPNV im Bereich Mobilität einiges machen. Das ist auch im Bereich Umwelt- und Klimaschutz besonders wichtig, dass wir den noch weiter ausbauen und vor allem deutlich attraktiver machen.

Das Thema Wohnen ist auch ein großes in Hamburg. Dass man bezahlbare Wohnungen findet. Wir finden die Mietpreisbremse und den Mietendeckel da nicht die richtige Lösung, weil sie nur diejenigen schützt, die schon eine Wohnung haben. Wir wollen auch, gerade für junge Leute, die Möglichkeit schaffen, eine günstige Wohnung zu finden. Deswegen ist die Ausweitung von Baugebieten in Hamburg ein wichtiges Thema.

Die Themen Bildung und Digitalisierung setzen für mich als jungen Menschen weitere Schwerpunkte. Da liegt Hamburg noch weit hinter seinen Chancen zurück. Die beiden Themen kann man auch sehr gut kombinieren und da glaube ich, dass die Lehrpläne noch erheblich angepasst werden müssen. Es reicht nicht aus, einfach Smartboards und Tablets in die Schulen zu stecken. Die Lehrer müssen entsprechend aus- und fortgebildet und die Lehrpläne auf digitale Lerninhalte umgemünzt werden.

Wer zum Beispiel Bäcker ist, der muss um vier Uhr bei der Arbeit sein und um 20 nach vier fährt erst die erste Bahn.

Du hast das Thema Umwelt und Klimaschutz angesprochen. Was tust du persönlich in deinem Alltag für den Klimaschutz? Ist das für dich ein großes Thema?

Das liberale Weltbild besagt, dass Freiheit und Verantwortung immer Hand in Hand gehen. Verantwortung einmal gegenüber einem selbst, gegenüber der Mitwelt, der Umwelt und der Nachwelt. Zu einer liberalen Gesellschaft gehört dazu, dass man seinen Kindern und Kindeskindern eine Welt hinterlässt, in der sie mindest die gleichen Chancen haben, wie in der, in der die jetzige Generation lebt. Deswegen ist Klima- und Umweltschutz schon auch mit aus dem liberalen Auftrag ableitbar. Das spiegelt sich natürlich in unserem Programm wieder. Zugegeben: in der FDP hat man es zeitweise vielleicht nicht so wahrgenommen, aber die Freiburger Freiheitsthesen sind in der FDP schon immer mit drin. Umweltschutz hat Vorrang vor privaten Interessen und Gewinnstreben. Die CO2 Steuer haben wir abgelehnt, weil wir sie nicht für die richtige Methode halten, sondern wollen eigentlich ein viel einschneidenderes Mittel, nämlich den Emissionszertifikatehandel. Das ist ein bisschen zu sperrig, deshalb nennen wir das CO2 Limit. Das heißt wir gehen lieber über eine Mengenregulierung, als über eine Preisregulierung. Wir glaube, dass das deutlich effektiver ist.

Im Privaten spielt das auch eine Rolle für mich: Ich habe kein Auto und auch keinen Führerschein. Das braucht man in Hamburg auch nicht unbedingt. In meinen Urlaub habe ich versucht mal nicht zu fliegen, sondern bin über Silvester mit dem Auto nach Sizilien gefahren, zurück ging es dann mit dem Zug. Die Rückfahrt hat drei Tage gedauert. Dafür habe ich mir die Zeit genommen. Aber das ist auch noch der Punkt, an dem ich sage, ich möchte das Fliegen nicht komplett verbieten. Die Reise nach Sizilien war ja noch innerhalb Europas, das geht ja noch, aber wenn dann auf andere Kontinente geht, wird es schwierig. Ich empfinde es als eine große Bereicherung, wenn junge Menschen weite Teile der Welt sehen können und in den interkulturellen Austausch gehen. Ich habe ein Auslandsjahr in den USA gemacht und fand das sehr schön. Da wäre ich auch nicht mit dem Boot hingefahren, sondern bin geflogen. Diese Chance möchte ich auch kommenden Generationen geben. Deswegen muss man immer gucken, wo ergibt es Sinn und wo nicht.

Zu einer liberalen Gesellschaft gehört dazu, dass man seinen Kindern und Kindeskindern eine Welt hinterlässt, in der sie mindest die gleichen Chancen haben, wie in der, in der die jetzige Generation lebt

Hast du in der Politik oder in deiner Partei manchmal mit Vorurteilen zu kämpfen, weil du noch „so jung“ bist?

Bei bestimmten Dingen hört man schon, dass man sie nur fordert, weil man jung ist. Nachtbetrieb bei U- und S-Bahn war zum Beispiel so ein Thema, wo in der FDP die Älteren meinten, dass wir das nur wollen, weil wir nachts feiern gehen wollen. Aber beharrlich bleiben lohnt sich. Das ist auch die Herausforderung für junge Menschen in der Partei: kontinuierlich dabei zu bleiben. Dann schafft man es auch, dass man mit den Themen ernstgenommen wird. Irgendwann wird man nicht mehr belächelt, sondern am Ende zählt nur die Frage: Wer hat mehr Stimmen auf dem Parteitag?

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Wie schätzt du die politische Landschaft in Hamburg ein?

Wir haben einen deutlichen Zuwachs bei den Grünen. Aber wenn wir uns die Umfragewerte der SPD und der Grünen ansehen, haben wir da Schwankungen von sechs bis sieben Prozent. Da fragt man sich ein bisschen, ob sich die Leute noch nicht ganz klar sind, was sie wollen. So starke Schwankungen innerhalb von so kurzer Zeit sind bei Umfragen eher untypisch. Was in Hamburg auch noch erwähnenswert ist, ist, dass im Vergleich zu den Wahlen im letzten Jahr in Brandenburg, Thüringen und Sachsen, die AfD keine Rolle spielt. Wir haben hier also nicht die Diskussion, ob die AfD stärkste Kraft wird. Darüber bin ich auch ganz froh, weil die AfD für mich eine Partei ist, bei der ich keinen gemeinsamen Konsens für ein Zusammenarbeit mit der FDP sehe. Jetzt stellt sich die Frage, welche Konstellationen nach der Wahl möglich sind. Rechnerisch ist Rot-Grün natürlich drin. Aber man merkt, gerade in den letzten Tagen, dass der Ton zwischen den Koalitionspartnern sehr hart wird.  Als FDP haben wir gesagt, dass wir auch gern für einen Regierungswechsel zur Verfügung stehen. Inhaltlich sehen wir da die größere Schnittmenge mit der SPD. Das geht natürlich immer nur mit der CDU im Anhang. Jamaica wäre rechnerisch auch möglich. Das haben wir auch nicht ausgeschlossen. Das finde ich auch sehr gut, dass nichts ausgeschlossen ist bei dieser Wahl. Bis auf zwei Ausnahmen: Die Linke und die AfD. Mit der Linken sehen wir inhaltlich keinen gemeinsamen Boden. Mit der AfD ist das einfach schwierig zusammenzuarbeiten, weil wir nicht mal über die gleiche Realität sprechen. Sonst stehen wir für jedes demokratische Bündnis zur Verfügung. Ich persönlich würde auch nur eine sozial-demokratische Koalition nehmen, aber da müssten beide wohl noch deutlich zulegen.

Warum ist es wichtig, dass junge Menschen wie du, am 23.02.2019 in die Hamburger Bürgerschaft gewählt werden?

Weil man auf viele Themen einen anderen Blickwinkel hat, als Personen, die 20 oder 30 Jahre älter sind. Ich habe das Thema U- und S-Bahn ja eben schon angeschnitten. Ein anderes Beispiel wäre vielleicht noch die Gemeinnützigkeit von E-Sports. Da hat man gemerkt, dass die um die 50- oder 60-Jährigen schon ein komplett anderes Bild davon haben als wir. Für die ist der Computer direkt böse und man wird sofort in die Killerspiel-Diskussion gezogen. Es ging aber ja in dem Fall um Spiele wie Fifa und das Thema, ob sich dazu auch Vereine bilden können. Die Gründung ist für einen ehrenamtlichen Verein sehr viel leichter als für einen wirtschaftlichen. Eine Vereinsstruktur ist oftmals besser geeignet, auch Leute aufzufangen, die spielsüchtig werden, das ist besser als wenn man alleine vor dem Rechner hängt. Diese Debatte wurde von der Generation über 50 nicht so rational geführt. Gewisse Diskussionen laufen da also nicht unbedingt an Parteigrenzen ab, sondern an Altersgrenzen.

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