Kleine, geile Firma: GoBanyo fährt mit Duschbus durch die Stadt

© Julia Schwendner

Waschen ist Würde, sagt Dominik. Doch er weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, als Obdachloser gute sanitäre Anlagen zu finden. Zusammen mit Chris und Gülay hat er seine Idee von einem mobilen Duschbus in die Tat umgesetzt. Seit Dezember fährt GoBanyo durch Hamburg und bietet Obdachlosen eine „warme Oase“. Wir haben die drei getroffen, um mit ihnen über etwas zu sprechen, das für die meisten von uns ganz selbstverständlich ist ­– eine warme und saubere Dusche.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, einen mobilen Duschbus zu bauen?

Dominik: Ich hatte die Idee vor ein paar Jahren, weil ich selbst über zehn Jahre auf der Straße war und da gemerkt habe, dass es ein großes Problem ist, sich waschen zu können. Und ich dachte mir, es wäre gut, wenn jeder von uns sanitäre Anlagen nutzen könnte.

Gülay: Ich kannte Dominik durch sein Buch „Unter Palmen aus Stahl“. Dominik hat mir viel von seinem Leben erzählt, und ich wurde auch durch ihn inspiriert, das Sonnenschein Café zu eröffnen, das sich bis heute an Obdachlose richtet. Er hat mir außerdem bewusst gemacht, dass viele der Cafébesucher erst mal nach hinten durchgehen, um sich frisch zu machen, bevor sie uns begrüßen. Ich war dann von seiner Idee direkt begeistert, wir haben aber schnell gemerkt, dass wir unbedingt noch mehr Unterstützung brauchen und deshalb Chris gefragt, ob er Bock hat, mitzumachen.

Chris: Als Gülay mir von Dominiks Idee erzählt hat, war das der erste reelle Kontakt mit dem Thema Obdachlosenhilfe für mich. Ich bin an dem Abend duschen gegangen, und das war echt ein entscheidender Moment: Krass wie selbstverständlich das ist! Es war Sommer, ich war fünf Stunden draußen, ich hatte geschwitzt und konnte jetzt einfach eine Tür öffnen und das Wasser laufen lassen – und am nächsten Morgen gleich wieder. Was für ein Luxus! 

Dominik: Wir haben dann GoBanyo im Dezember 2018 gegründet und eine große Crowdfunding-Aktion gestartet. Den Bus hatten wir von der Hamburger Hochbahn bekommen und mit dem Geld von der Crowdfunding-Aktion konnten wir mit dem Umbau starten.

Chris: Mit der Crowdfunding-Aktion haben wir 168.000 € gesammelt, das ist echt der Wahnsinn. Damit waren der Umbau und auch die ersten Monate des Betriebs gesichert. Wir haben ohnehin schönerweise viele private Unterstützer und Unterstützerinnen.

Dominik: ... ja, egal wo wir waren, sind die Menschen uns entgegengekommen und wollten uns unterstützen. Es sind also auch ganz viele verschiedene Partnerorganisationen und Freunde mit daran beteiligt, dass der Bus in der Stadt fahren kann. Seit Dezember sind wir jetzt auf der Straße und das läuft richtig gut!

Wann und wo hält euer Duschbus?

Chris: Momentan sind wir an vier Tagen die Woche unterwegs und dazu gehört auch ein Tag extra nur für obdachlose Frauen, die nochmal eine besondere Schutzbedürftigkeit haben. Aktuell sind wir montags am Fischmarkt, donnerstags beim Sankt Pauli-Stadion und samstags und sonntags vor dem Hauptbahnhof, wobei samstags dann der Tag für die Damen ist.

Und wie läuft das dort ab?

Chris: Wir haben ein Vorzelt am Bus, das uns vor allem jetzt noch vor Witterung schützt. Dort begrüßen wir die Gäste und es wird meist ein kurzer Schnack gehalten. Es gibt dann immer ein Handtuch, wir haben Klamotten an Bord und es gibt Pflegeprodukte – von Zahnbürsten bis Rasierer. Alles ist also da, um dann wirklich eine halbe Stunde Ruhe und Privatsphäre zu haben. Danach machen wir die Duschkabine immer für den nächsten Gast sauber. Und dann gibt es vor allen Dingen auch Zeit für Gespräche auf Augenhöhe – alles ohne Pflicht. Wir möchten nichts von den Gästen wissen, wenn sie nicht wollen. Sie können einfach kommen und sollen sich wohl führen. Ab und zu gibt es auch schon Zusatzangebote vor Ort – zum Beispiel eine Kleiderausgabe von Hanseatic Help, Friseure, das Arztmobil, soziale Beratungen vor Ort, letztens war die Tiertafel da...

© Julia Schwendner

Wie viele seid ihr schon bei GoBanyo?

Chris: Gerade sind wir fünf festangestellte Personen, die Teil- oder Vollzeit arbeiten und können schon auf einen Pool von 130 Freiwilligen zurückgreifen, die sich für den Duschbus engagieren. Wir haben auch schon den ersten obdachlosen Menschen, der uns regelmäßig hilft und seinen Buddys freudig davon erzählt. Das wiederum freut uns natürlich und ist sehr motivierend.

Dominik, wie ist es, auf der Straße zu leben und keine Dusche im Nebenzimmer zu haben?

Dominik: Auf der Straße zu leben bedeutet, zu überleben. Man muss ja klarkommen mit Kälte, Hunger und Geldsorgen. Wenn es dann um das äußere Erscheinungsbild geht, wirkt sich das Problem auch auf die Umwelt aus. Und da merkt man schnell, dass man verachtende Blicke bekommt. Das macht einem natürlich kein gutes Gefühl, man isoliert sich und es geht auch auf den Kopf. Dein äußeres Erscheinungsbild schlägt sich auf dein inneres Befinden nieder und du verlierst einfach dein Selbstwertgefühl, weil du dich dreckig fühlst. In Hamburg schätzt man 22 Duschplätze auf etwa 2000 Obdachlose*, was zum Teil sehr hochschwellige Angebote sind. Privatsphäre, Ruhe und Sauberkeit, sowas findet man auf der Straße eigentlich nicht. Und andere Alternativen sind Orte, die man nicht mit Hygiene verbinden kann – wie Katzenwäsche auf der Toilette von Fast-Food-Restaurants oder Bahnhofsklos.

Wie kam es, dass du auf der Straße gelebt hast?

Dominik: Ich bin mit 16 von zu Hause rausgeflogen, meine Mutter war krank und hat am Ende entschlossen, ihre Vormundschaft abzulegen. Und weil es sonst für mich keine Familie gab, war erstmal niemand mehr da. Theoretisch müsste dann von staatlicher Seite aus Hilfe kommen aber das ist leider nichts geworden und ich wurde damals einfach so weitergeschoben. So ist dann sehr viel Zeit vergangen, die ich erst einmal auf der Straße verbracht habe.

Was für Feedback bekommt ihr zu eurem Duschbus?

 Chris: Ein Gast hat letztens zu uns gesagt, wir wären eine warme Oase in der Stadt, und ich glaube, das trifft es ganz gut. Das sind wir nicht nur, weil wir eine Heizung haben, sondern auch, weil wir offene Menschen am Bus stehen haben.

Gab es auch auch schonmal schwierige Situationen?

Gülay: Wenn andere Gäste beleidigt werden oder sich unwohl fühlen, dann muss man natürlich eingreifen, genauso wenn am Frauentag plötzlich Männer vor der Tür stehen. Wir sagen dann ganz klar: Du, komm gerne morgen wieder aber heute ist es nur für Frauen. Wirklich schwierige Situationen sind aber bislang die Ausnahme.

Wie geht es weiter?

Gülay: Viele wissen noch nicht, dass das Angebot kostenlos ist und ob sie den Duschbus nutzen dürfen, auch wenn sie nicht deutsche Staatsbürger sind. Hier müssen wir noch viel Aufklärungsarbeit leisten.

Chris: Es gibt richtig viele Ideen und die Ausweitung des Angebots ist auf jeden Fall gesetzt. Jetzt gucken wir aber erstmal, wie funktionieren die Standorte, wo ist sonst noch Bedarf, was haben wir aus den ersten Wochen gelernt...

Wie kann man euch unterstützen?

Chris: Das Coole ist, es gibt so viele Möglichkeiten, sich zu engagieren. Also wenn jemand Lust hat, den Duschbus zu fahren, ist das möglich. Wenn jemand Steuerfachangestellter oder Steuerfachangestellte ist und Bock hat, uns mit diesem Wissen zu unterstützen, ist das auch möglich!

Gülay: Wir suchen gerade besonders nach Support für Social Media, Leute vor Ort für den Bus und auch Fahrer oder Fahrerinnen mit dem großen LKW-Führerschein. Wenn man sich engagieren will, ist es auch schon eine Unterstützung, auf privaten Accounts im Netz Dinge zu teilen und selbst, wenn man nur eine Person erreicht, die denkt: Ach krass, hätte ich nie gedacht, dass Obdachlose so ein Problem hier in Deutschland haben, eine Dusche zu finden. Das hilft am Ende des Tages, damit wir ein generelles Verständnis für die Thematik schaffen.

Chris: Ganz klar, für uns ist die Sensibilisierung und Aufmerksamkeit für das Thema unser großes Anliegen.

* Hinz & Kunzt berichtet von mindestens 1910 Obdachlosen in Hamburg, Stand: Januar 2019

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