Gesichter der Stadt: 11 Murals in Hamburg

Kopf hoch, Ihr lieben Vergnügten! Ihr steht mit dem Rücken zur Wand? Dann dreht Euch um und schaut sie Euch mit uns an. Was wir da sehen? Dickschädel, die auf dem Putz der Hamburger Fassaden verweilen. Wir blicken auf 11 Wandgemälde, die ihren eigenen Kopf haben.

Diese Muraltour haben wir im Jahr 2019 gemacht, deswegen kann es gut sein, dass einige Motive nicht mehr aktuell sind. Kein Grund zur Sorge aber, denn wir können euch versichern, dass trotzdem an den gleichen Orten weitere beeindruckende Murals zu finden sind. 

© Alexandra Brucker

1
Kindskopf: das Mädchen mit dem Eukalyptuszweig in der Amalienstraße

Können Wände tanzen? In Harburg können sie‘s! Dort sollen bis Ende 2020 zehn Wandgemälde im Rahmen des Kunstprojektes „Walls Can Dance“ des gemeinnützigen Urban Art Institute entstehen. Im Juli hat das österreichisch-französische Künstlerpaar Jana & JS das dritte Mural der Reihe gemalt: Ein Mädchen in schwarz-weiß-gestreiftem Kleid, einen Eukalyptuszweig in der Hand, ziert fortan die Hausfassade der Amalienstraße 3. Die Vorlage für das Motiv lieferte eine Fotografie ihrer Nichte, erklärten die Künstler. 

Künstler/in: Jana Balluch, Jean-Sébastien Philippe (Jana & JS)

© Alexandra Brucker

2
Hals über Kopf: die Sumoringerinnen und Wasserhandballerinnen in der Lüneburger Straße

Nur wenige Meter vom überdimensionalen Mädchen mit dem Eukalyptuszweig entfernt, bannte der Künstler Guido Zimmermann diesen Sommer sein farbenfrohes Motiv mit dem Titel „Upside down“ an die Wand. An der Fassade der Lüneburger Straße 12 geht es seitdem tatsächlich drunter und drüber: Zwei Sumoringerinnen und neun Wasserballspielerinnen rangeln auf dem Putz um die Wette. Das bemalte Gebäude gehört der Mara und Holger Cassens Stiftung, die den Verein „Walls Can Dance“ seit seinen Anfängen unterstützt. 

Künstler: Guido Zimmermann

© Alexandra Brucker

3
Lady in Putz: Amanda in der Großen Bergstraße

Gestatten? Das ist Amanda. Amanda ist im Jahr 2014 in der Großen Bergstraße in Altona geboren. Ihr Erschaffer ist Ata Bozaci alias „Toast“, ein Gründer der Schweizer Graffiti-Szene. Bereits 1990 begann Bozaci mit der Verbindung von traditionellen und digitalen Medien. In der Reihe „15 seconds of fame“ zersetzte er die digitalen Portraits seiner Facebook-Freunde in Kreisformen und verwandelte sie dabei zu ikonenartigen Abbildern. So ging er auch mit dem Portrait von Amanda Beck vor, die er in „Amanda“ verwandelte. 

Künstler: Ata Bozaci (Toast)

© Alexandra Brucker

4
Blue (wo)man group: die Nachbarschaft in der Margaretenstraße

Schaut genau hin! Eng versammelt an einer Wand sind es die verschiedenen Schanzen-Generationen, die Euch hier entgegenblicken. „Die Nachbarn“ in der Margaretenstraße befinden sich an einem Neubau von 1997, der ein älteres Wandbild von 1979 verdeckt. Schon das Gemälde aus den 70ern stellte die Bewohner/innen des Schanzenviertels in den Mittelpunkt. „Der ganze Stadtteil war ehemals Spekulationsobjekt gewesen. Es herrschte eine starke Tendenz bei den alteingesessenen Bewohnern, fortzuziehen. Dieses Bild sollte zum Bleiben ermutigen“, erklärt Künstler Eckart Keller.

Künstler: Eckart Keller, Sönke Nissen-Knaack, Fritz Steingrobe u. a.

© Alexandra Brucker

5
Dickschädel: der Ureinwohner in der Rindermarkthalle

Allerlei Wandgestalten starren Euch an den Fassaden der Rindermarkthalle entgegen. Aber kennt Ihr bereits den Native American, der es sich an der Wand des Parkdecks bequem gemacht hat? Entsprungen ist er der Fantasie des kolumbianischen Künstlers Andres Camacho. Seit 2012 gibt Camacho in ganz Lateinamerika Kunst-Workshops an Schulen und in diversen Communities. Die Vermittlung und Bewahrung von Traditionen und Kultur(en) bilden das Herzstück seiner Kunst. Camachos Wunsch ist es, dabei ein Netzwerk zwischen den verschiedenen Regionen zu schaffen.

Künstler: Andres Camacho (a.camachoart)

© Alexandra Brucker

6
Kunst aus Kathmandu: die Handwerker/innen in der Bahrenfelder Straße

Nicht nur in, sondern auch an den Gebäuden des Handwerkerhofes Ottensen sind kreative Köpfe zugange. Die zwei nepalesischen Künstler Shraddha Shrestha und Aditya Aryal haben 2016 einen Haufen bunter Comic-Gesell/innen an die Fassade der Bahrenfelder Straße 321 gemalt. Shestha erklärt, dass sie sich bei der Schöpfung ihrer Figuren von den Instrumentenbauer/innen im Inneren des Gebäudes inspirieren ließ. Tatsächlich: Die emsigen Menschen auf der Wand spielen auf der Wand Gitarre und hantieren mit Hammer und Nägeln.

Künstler/in: Aditya  Aryal (sadhu-X), Shraddha Shrestha (deadline bzw. macha_73)

© Alexandra Brucker

7
São Paulo trifft auf Sankt Pauli: die Blaumänner in der Marktstraße

Blauhäutige Männchen sind sein Markenzeichen. 2016 war der brasilianische Künstler Fabio de Oliveira Parnaiba, besser bekannt als „cranio“, zu Gast in Hamburg. Im Rahmen der Millerntor Gallery und auf Einladung der Viva con Agua-Initiative hat er seine unverkennbaren „blue men“ inklusive Smartphone an die Fassade der Marktstraße 127 gebannt. „Meine Figuren stellen Menschen mit blauer Hautfarbe dar“, erklärt Cranio. „Blau wie der Himmel. Sie repräsentieren den Menschen aus der Großstadt, genau wie den aus dem Dschungel. Es sind Indios, die sich immer in Situationen des Protestes oder in komischen und witzigen Situationen befinden.“ Wie das ganze Mural entstanden ist, könnt Ihr euch in diesem Clip anschauen.

Künstler: Fabio de Oliveira Parnaiba (Cranio Artes)

© Alexandra Brucker

8
Frauenbilder: die drei Grazien in der Bartelsstraße

Seid Ihr im Schanzenviertel bereits drei Damen aus der Renaissance begegnet? Unwahrscheinlich. Oder doch nicht? Seit 2001 strecken die drei Grazien aus Botticellis „Primavera“-Gemälde ihre Arme über die Fassade der Bartelsstraße 3. Die Frauenpower-Wand geht auf eine Initiative der Hausbesitzerin zurück, die den Altbau komplett renovieren, ihm eine persönliche Ausstrahlung verleihen wollte und kurzerhand Eckart Keller (den Schöpfer der „blauen Portraits“ aus der Margaretenstraße) beauftragte, am Gebäude die Puppen – pardon –  die Grazien tanzen zu lassen.

Künstler: Eckart Keller

© Alexandra Brucker

9
Vom Tode gezeichnet: die Frau am Brunnenhof

Der Tod ist eine Frau und diese Frau wohnt auf Sankt Pauli. Sie ist 2015 den Sprühdosen von Anna Eisenhauer aka Anna T-Iron entkommen, hat sich an der Ecke Paul-Roosen-Straße / Am Brunnenhof niedergelassen und rührt sich nicht mehr vom Fleck. Die Künstlerin und Illustratorin hat die Sensenfrau „Santa Muerte“ im Auftrag der Marke „Sierra Tequila“ zum mexikanischen Totenfest erschaffen. Der Schutzpatronin des Todes huldigen in Mexiko vor allem Angehörige krimineller Kreise. Wie das Gemälde entstanden ist, könnt Ihr in diesem Clip sehen.

Künstlerin: Anna Eisenhauer (Anna T-Iron)

© Alexandra Brucker

10
Hausherrin: die grüne Lady in der Paul-Roosen-Straße

Starrt „Santa Muerte“ vielleicht überhaupt nicht auf uns, sondern auf die andere Fassaden-Frau, die sich ihr gegenüber breitgemacht hat? Den Blick abgewendet, lässt auch diese Dame uns nicht hinter die Fassade blicken. Ihr Erschaffer, der Künstler Andreas Preis, hat sie im Auftrag der Getränkemarke „Abstract Flavour“ ins (Stadt-)Leben gerufen. Preis, der freiberuflich schon für Marken wie Adidas, Adobe oder Google gearbeitet hat, ist bekannt für seinen detaillierten Zeichenstil. So fallen auch bei der Lady in der Paul-Roosen-Straße die vielen Schraffuren und die feinen, dynamischen Linien auf.

Künstler: Andreas Preis

© Alexandra Brucker

11
Hartgesotten: die Kaffeeverleserin in der Großen Elbstraße

Hafenarbeit ist Männersache. Das Klischee ist alt und falsch. Frauen im Hafen – Binnenschifferinnen, Seemannsbetreuerinnen, Schlepperkapitäninnen, Seilerinnen oder Segelmacherinnen – stehen seit 1994 im Fokus der FrauenFreiluftGalerie. Das Kunstprojekt, das sich von der Großen Elbstraße bis nach Neumühlen zieht, zeigt jährlich in neuen Wandbildern die vielen Tätigkeiten, die Frauen im Hamburger Hafen erledig(t)en. Das Gemälde an der Treppe neben der Großen Elbstraße 164 thematisiert zum Beispiel die Rolle der Kaffeeverleserinnen während des großen Hafenarbeiterstreiks im Jahr 1869. Ein halbes Jahr vor dem Streik „protestierten sie zu hunderten gegen Hungerlöhne und Arbeitshetze auf den Kaffeeböden; in manchen Firmen bis zu sechs Wochen.“ Das Kunstwerk von Hildegund Schuster zeigt eine Sortiererin am „Rüttelband“ aus den 50er Jahren und eine Szene aus den Streiktagen von 1896.

Künstlerin: Hildegund Schuster

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