Singlelicious: Fühlen Männer sich eigentlich auch manchmal ausgenutzt?

© Franzi simon

Zu Schulzeiten dachte ich: Wenn du in deinen Zwanzigern steckst, dann bist du erwachsen. Eigene Wohnung, geregelter Alltag und ein Freund, als potenziellen Ehemann. Pustekuchen. Aber auch halb so wild. Lieber stolpere ich mit meiner Freundin in der rechten Hand und einem Glas Prosecco in der linken durchs Singledasein. Wer meine Wege kreuzt und welche Geschichten mein Leben schreibt erzähle ich euch in meiner Kolumne „Singlelicious“.

Folge 9: Vom Ausnutzen und Ausgenutzt werden

Lasst uns in dieser Folge mit den klassischen Prototypen brechen: Dem der Frau, die nach einem One Night Stand in ihr Kopfkissen weint, weil er sich nicht mehr meldet und dem des Mannes, der in seiner Jackeninnentasche ein kleines Büchlein voller Namen mit sich trägt und sich sein Ego durch so viele Frauen, wie nur möglich poliert. So ist es nämlich nicht. Zumindest nicht immer. Denn auch Frauen nutzen Männer aus und ja, sie objektifizieren sie auch.

"Ey der Typ im Fitnessstudio! Zu nice!" – "Ja? Mal ihn mir mit Worten!"

Ein Mädchen ist nicht gleich eine (ich gebrauche dieses Unwort unserer Gesellschaft jetzt einfach mal) "Schlampe", wenn sie sich nimmt, was sie will und Männer, ihr müsst jetzt ganz stark sein, denn auch wir Mädels beschränken euch oft genug auf eure äußeren Qualitäten. Ich bekomme täglich Nachrichten von Freundinnen, die mir von heißen Typen in der Bahn, im Fitnessstudio, in der Bar um die Ecke oder auf Instagram erzählen. Keine von ihnen tippt in einem solchen Zusammenhang Sätze wie: "Oh, ich würde so gern mal mit dem Kaffee trinken" oder "Ja, man ich bin verliebt!". Im Laufe der Freundinnenschaften hat sich schon eine Art Checkliste herauskristallisiert:

"Körpergröße?"

"Wangenknochen?"

"Tattoos?"

"Sneaker?"

Es soll in diesem Artikel jedoch keine Antwort auf die Frage gefunden werden, was oberflächlich ist und was nicht, auch nicht darauf, ab welchen Moment ein Mädchen eine so genannte "Schlampe" ist, sondern viel mehr darum, ob Frauen Männer ausnutzen und ob diese dies auch so empfinden.

Man lasse die Spiele beginnen

Wir schreiben eine der ersten lauwarmen Nächte eines Jahres. Eine von diesen Nächten, in denen man zwar noch leichte Jacke und Hoodie trägt, aber der Schal längst in der Versenkung verschwunden ist. Ich stehe mit meiner Freundin, einem Bier in der linken und einer Zigarette in der rechten Hand, vor einem Kiosk. Als meine Freundin rein geht, kommt einer der Jungs von der Gruppe neben uns zu mir rüber und stellt sich mir vor.

Ich finde genau das sind die kleinen Momente, die einem wieder Vertrauen in ein Leben abseits von Social Media geben – und irgendwie auch in die Liebe. Wer spricht heute noch jemanden einfach unverfroren auf der Straße an und stellt sich einfach vor? Das gibt es nur noch viel zu selten.

Wir kommen mit der Gruppe ins Gespräch. Nichts Wildes, keine dieser Begegnungen, die man sein Leben lang nicht vergisst. Irgendwann gehen meine Freundin und ich einfach, tauchen im Nachtleben unter. Der Junge mit dem perfekten Gesicht, der sich mir vorstellte, rennt mir noch ein paar Meter hinterher, hält mich fest und sagte "Seh ich dich wieder? Ich weiß nicht mal deinen Nachnamen!", ich entgegne "Such mich doch" und verschwinde.

In der Tat hatte ich wenige Stunden später eine Nachricht in meinem Facebook-Posteingang. Ich gebe zu: Ich war ein bisschen gerührt und auch irgendwie beeindruckt. Während jedes andere Mädchen in meinem Alter wahrscheinlich, in Anbetracht seines Lebenslaufes, Aussehen und Charakter, freudestrahlend einen Flic Flac durch ihr Zimmer veranstaltet hätte, war mir einfach nur langweilig. Ich wollte Ablenkung, mehr nicht.

Urlaub, Liebesbriefe und ganz schön viel Langeweile

Wir trafen uns wieder und wieder und wieder und wieder. Während er immer mehr Herz in die ganze Sache zwischen uns steckte, war mir immer noch einfach nur langweilig. Ich wusste von Anfang an, dass ich nicht wollte, dass er mein Freund wird. Ich hielt ihn mir also weit genug auf Abstand, aber ließ ihn nah genug an mich, um ihn gerade noch bei Laune zu halten.

Richtig, genauso wie es alle Typen mit verzweifelten Mädchen machen, die sich immer wieder einreden "Klar, das wird noch was!" – Oh Girl, wird es nicht.

Als er sich eines Tages dermaßen in die Situation zwischen uns verrannt hatte, dass er mich in einen Urlaub einlud, musste ich fix die Notbremse ziehen. Es ist wichtig an dieser Stelle zu sagen, dass ich nie jemanden angelogen habe oder jemanden etwas vorgemacht habe. Ich habe mir bloß das Beste für mich genommen. Natürlich ist das nicht besonders vorbildlich. Ich sagte ihm also, dass ich das mit dem Urlaub für keine gute Idee hielt, begann den Kontakt einzuschränken und wollte das Ganze einfach nur still auslaufen lassen.

Als er sich eines Abends mit mir treffen wollte (er schien zu wissen, dass das Ende nahte und versuchte noch zu retten, was in seinen Augen zu retten war) und ich sagte, dass ich lieber alleine zuhause blieb, klingelte es an meiner Tür. Ich lag im Pyjama im Bett, aß Chips, lackierte mir die Nägel und guckte mir irgendeine Doku an. Ich fühlte mich nicht mal danach dem Postboten die Tür aufzumachen. Meine Mitbewohnerin öffnete und ich hörte sie meinen Namen sagen, wie sie ihn noch nie zuvor gesagt hatte, mit einer solchen Ernsthaftigkeit in der Stimme "Lena, kommst du bitte mal!".

Scheiße, dachte ich, jetzt steht der da und du kannst dich schon mal auf die Diskussion des Jahrtausends vorbereiten. Meine andere Mitbewohnerin kam auch aus ihrem Zimmer, beide starrten mich mit großen Augen an. Nach endloser Diskussion fasste ich mir ein Herz und kam an die Tür. Dort stand ein Strauß meiner Lieblingsblumen, eine Packung Kinder Bueno (wer mich kennt, weiß ich sterbe für die Teile), mein liebstes Eis und ein Liebesbrief.

Ach herrje, dachte ich. Toll. Genau das wollte ich vermeiden. Mir wurde das Ausmaß meines Handelns bewusst und es tat mir schrecklich leid. Ich hatte ihn zu meinem Vorteil ausgenutzt, während er sich ernsthaft verliebt hatte. Ich beendete unsere Verbindung noch am gleichen Abend, diesmal mit klaren Worten.

Wie du mir, so ich dir

Kommen wir also zu der Moral von der Geschicht': Nicht nur Männer nehmen sich, was sie wollen – Frauen tun das genauso, nur eben ein bisschen anders. Es ist egal, ob es dabei um meine Freundinnen geht, die stets die Augen nach neuen, potenziellen Bekanntschaften offen halten und prüfen, ob diese ihre "Checklisten" bestehen, um sich dann zu überlegen, was sie mit ihnen anstellen oder ob es um das Mädchen geht, die einfach nur in der Disko auf der Suche nach einem One Night Stand ist.

Ich hatte nach meiner Geschichte den ein oder anderen Gewissensbiss und mein Karmakonto ist bestimmt auf seinen Tiefstwert gesunken. Aber – Achtung, Lauscher auf –: Wer Spielchen mit euch spielt, oder euch auf Abstand hält, meint es nie ernst mit euch. Ihr spürt wenn es richtig ist und wenn es sich von Beginn an nicht richtig anfühlt, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht richtig sein. Ihr erkennt, wenn jemand euch ausnutzt – egal ob Junge oder Mädchen. Ob ihr mit euch spielen lasst oder euch ausnutzen lasst, liegt in eurer Macht. Denkt aber auch immer daran: Ausgenutzt zu werden, ist genauso uncool wie auszunutzen.

Was wäre die Liebe ohne ihre Lieder?

Als würde ich euch nicht schon genug mein Herz in dieser Kolumne ausschütten, bekommt ihr ab dieser Folge noch Musik von mir oben drauf. Pro Folge gibt es ab jetzt ein Lied von mir, was persönliche Bedeutung für mich hat und eine Rolle in der jeweiligen Geschichte spielt.

Empfohlener redaktioneller inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, mit dem wir den Artikel bereichern.
Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden.
Beim Laden des Inhalts akzeptierst du die Datenschutzerklärung.

Zurück zur Startseite