Neues Jahr, neue Ängste: Woher kommt die ganze Zukunftsangst?

In den Zwanzigern ist es ja gefühlt so: Das eine Drittel lässt sich total sorgenfrei am Bartresen zulaufen, ohne auch nur den Hauch eines Gedanken an morgen zu verschwenden, während die anderen zwei Drittel entweder akribisch, und kurz vor dem ersten Burn-Out, an der Karriere feilen oder sich Ringe an die Finger stecken und so ihre ewige Liebe besiegeln.

Man muss es keinem erklären: Die Zwanziger sind schlimmer als die Pubertät. Ich habe ständig das Gefühl jeder falsche Schritt in diesem Jahrzehnt kann einen ins Aus für die nächsten Jahre katapultieren. Man trifft lebenswichtige Entscheidungen und irgendwie legt man einen Grundstein: den Grundstein für die Zukunft. Und genau das macht mir eine Heidenangst.

Die Zwanziger: Alles kann, nichts muss

In den Zwanzigern ist einem nun wirklich so gar nichts sicher: die Liebe nicht, der Job irgendwie auch nicht und naja, ob das WG-Zimmer mit dem Loch im Boden und dem zugigen Fenster die Endhaltestation sein soll, lassen wir mal dahin gestellt. Man dümpelt so vor sich hin – eckt mal hier, mal da an, fällt auf die Nase und steht wieder auf. Rückblickend ist dieses Jahrzehnt bestimmt eines der spannendsten überhaupt (rückblickend ist eh immer alles total lustig und halb so wild), aber was ist, wenn einem die Zukunft eher Angst macht, als dass man sich von ihr treiben lassen möchte?

In meinem Umfeld leiden sie alle darunter, der*die eine mehr und der*die andere weniger: Zukunftsangst mit verschiedensten Gesichtern. Während meine eine Freundin sich fragt, ob ihr Freund aus Abiturzeiten noch immer der Richtige sei oder ob sie sich nicht nochmal ausprobieren möchte, sehnt sich meine andere Freundin nach Familie und Partnerschaft. Will man wirklich immer das, was man nicht haben kann?

Auch mit der Berufswahl ist und bleibt es spannend: Ich habe wirklich sehr viele Freunde, die einfach vor sich hin jobben und irgendwie über die Runden zu kommen. Zukunftsaussicht? Die nächste Party wird’s schon richten.

Was mich betrifft: Ich hatte Ende 2018 das erste Mal so richtig Panik vor dem, was kommen wird.

Erstens kommt es anders und zweitens als ihr denkt

Während mein Vater mir also am Telefon sagt „2019 wird ein spannendes Jahr für dich, Lena!“ möchte ich am liebsten rein brüllen „Um Gottes Willen, ich weiß!“ aber nicht vor Wut, eher aus Angst aber auch aus Vorfreude. Ich weiß ganz genau, wo ich nach diesem Jahr beruflich stehen möchte, aber wenn ich eins gelernt hab, dann dass das Leben nach seinen eigenen Regeln spielt und irgendwie alles gut wird, aber es so kommt, wie es kommen soll.

Ich wusste schon immer gern, wie Dinge sich entwickeln und nicht zu wissen, was dieses Jahr für mich bereit hält, macht mich schon etwas nervös. Beruhigend zu wissen, dass es vielen meiner Freunde aber genau so geht. Meine Freundin guckte mich letztens im Restaurant an und sagte einfach nur trocken „Ich bin so froh, wenn das alles vorbei ist und man irgendwie, irgendwann mal weiß woran man ist.“

Während man also beruflich schon gefühlt mit der ganzen Welt konkurriert und auf Social Media Wunderautorinnen, wie Ronja von Rönne zuguckt (man denke sonst auch gern nochmal an Soloalbum von Benjamin von Stuckrad Barre) und das Selbstbewusststein schrumpft, während der Druck stetig steigt, will es in der Liebe irgendwie auch alles nicht so richtig laufen.

Man hat sich gefühlt noch gestern von den ersten wilden Schulhof-Knutschereien erholt, da macht man direkt einen Köpper in das Haifisch-Dating-Becken namens Großstadt. Während man Single nach Single küsst, fragt man sich so langsam ob man den*die Richtige vielleicht einfach übersehen hat. War es vielleicht doch die Jugendliebe? Und man hat sie schamlos vergrault? Keine Panik: Wenn es die erste große Liebe war, renkt sich das wieder ein. Ansonsten muss man eben daten und knutschen was das Zeug hält – aber natürlich gibt’s auch hier den ein oder anderen Stolperstein.

Ich habe mich ganz lange gefragt, was diese Frauen richtig gemacht haben, die in einer der turbulentesten Phasen ihres Lebens total ausgeglichen wirken und lieber morgens mit ihrem Freund um die Alster joggen anstatt über der Kloschüssel zu hängen. Meine Vermutung: Sie haben sich mit dem zufrieden gegeben, was das Leben ihnen gegeben hat. Natürlich lässt sich das von zwei Seiten betrachten, alles hat sein Für und Wider. Doch vor allem meine Generation kann Partner per Fingerstrich wechseln, wie es ihr auch immer passt. Das bringt einem aber nicht den*die Mann*Frau für’s Leben.

Habt ihr also eine Blume gefunden, behaltet sie, gießt sie und sie wird blühen. Anstatt immer auf der Suche nach dem bereits perfekten zu sein.

Und ich will mich nicht bloß zufrieden geben, das hört sich außerdem sehr anmassend an. Aber trotzdem den Einen finden – will ja jede*r, irgendwie.

Das größte Problem für mich ist, dass ich Angst kriege durch eine rosarote Brille den Blick für meine beruflichen Ziele zu verlieren. Was aber auch nicht das wirklich wichtige im Leben ist, das worauf es am Ende ankommt. Und schon wieder: Willkommen in einer Gedankenspirale aus Selbstfindung.

Ich werde der Liebe in diesem Jahr eine neue Chance geben, scheint ja bei anderen auch super zu funktionieren, wenn man den Hochzeits-Instagram-Bildern glauben schenken darf und einen tollen Spagat aus Beruf und Beziehung schaffen. So zumindest in meiner Vorstellung.

Natürlich will ich die Zwanziger nicht nur schlecht schreiben, sie stecken voller lehrreicher Momente: zum Beispiel weißt du, dass die Leute mit denen du dich schonungslos am Bartresen volllaufen lässt, ohne auch nur den Hauch eines Gedankens an morgen zu verschwenden, im Idealfall noch die gleichen wie zu Schulzeiten sind und dann – herzlichen Glückwunsch – weißt du auch schonmal wer deine Freunde fürs Leben sind.

Man muss der Angst nur ins Gesicht gucken

Man muss die Zukunftsangst eigentlich nur demaskieren und sich darauf verlassen, dass alles gut wird. Oder wie meine Freundin immer zu sagen pflegt "go with the flow!" – vielleicht nicht ganz so krass, aber ein bisschen so. Ich werde mich in diesem Jahr wieder ausprobieren, neue Chancen geben, hart arbeiten und mein Kartendeck durchmischen. Weil 2019 ein spannendes Jahr für mich wird.

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