Moin Christian – Wie hast du deine Heimat nach Hamburg gebracht?
Hamburg ist eine der schönsten Städte auf der Welt und hat einfach das gewisse Extra. Und nein, damit meine ich nicht nur den reichhaltigen Niederschlag. Aber was macht Hamburg eigentlich so besonders? Natürlich die Menschen, die hier leben. Genau die will ich näher kennenlernen. Deshalb treffe ich mich mit unterschiedlichen Hamburgern und Hamburgerinnen und spreche mit ihnen über unsere Hansestadt, ihren Alltag und ihre Wünsche und Ziele im Leben.
Christian kommt ursprünglich aus der Schweiz, lebt aber schon seit über 20 Jahren in Hamburg. Eine richtig enge Bindung hat er zu der Stadt aber erst, seitdem er sich vor Kurzem als Bäcker mit seinem eigenen Brot selbstständig gemacht hat. Denn jetzt steht er jeden Tag mit seinem Stand auf Märkten, nachmittags dann in seinem Laden bread hinterm Tresen und kommt dort mit den Hamburger*innen in Kontakt. Was ihm an der Stadt mittlerweile so gut gefällt und was das Besondere an seinem Brot ist, hat er uns im Gespräch verraten.
Moin Christian. Was ist für dich das Besondere an Hamburg?
Ich bin vor einigen Jahren aus beruflichen Gründen nach Hamburg gekommen – Hamburg war eine Medienstadt und ich in den Medien tätig. Das war keine emotionale Entscheidung, sondern eine rationale. Während ich meinem Beruf nachgegangen bin, habe ich immer sehr wenig von der Stadt mitbekommen, weil ich weltweit unterwegs war. Ich hatte kein besonderes Verhältnis zu Hamburg.
Das hat sich geändert, als ich mit meinem Bäckerprojekt angefangen habe. Seitdem ich mit meinem Markstand auf dem Markt bin, habe ich gelernt, wie offen Hamburger sind. Und wie freundlich, risikofreudig, hellhörig, sensibel, aufmerksam und kooperativ. Ich habe so viele Kolleg*innen kennengelernt, die ich sehr ins Herz geschlossen habe. Kollegialität hat hier einen hohen Stellenwert und das finde ich fantastisch. Erst dadurch, dass ich jetzt täglich im Herzen der Stadt arbeite, konnte ich eine richtige Beziehung zu Hamburg aufbauen.
In welcher Ecke in Hamburg trifft man dich am häufigsten?
Ich bin vor Kurzem an die Isestraße gezogen. Also verkaufe und wohne ich dort – und zwar im Hoheluft-Teil. Den finde ich übrigens super, weil er ein bisschen trashiger ist. Es ist dort einfach anders als am Eppendorfer Baum: Etwas weniger schick. Hier trifft man mich wahrscheinlich am meisten.
Was ist dein Lieblingsort in Hamburg?
Ich würde sogar sagen, das ist die Isestraße. Dann kann ich ja behaupten, ich wohne an meinem Lieblingsort!
Wenn du eine Sache an Hamburg ändern könntest, welche wäre das?
Eigentlich ist alles gut, so wie es ist. Aber spontan fallen mir die Fahrradwege in der Stadt ein. Ich würde mir bessere Fahrradwege und Konditionen für Fahrradfahrer wünschen.
Welchen Hamburger oder welche Hamburgerin bewunderst du?
Helmut Schmidt, ein großer Mann. Kar Lagerfeld finde ich auch beeindruckend. Den habe ich schonmal getroffen, für ein Projekt, zu dem es dann aber nicht gekommen ist. Aber er war sehr nett und hat viel getan für Hamburg. Johannes Brahms fällt mir auch noch ein und gehört auf jeden Fall zu meinen Lieblingskomponisten.
Meine Mutter hat mir immer Brot überall hingeschickt, ich habe es dann eingefroren und gehütet wie ein Heiligtum. Das gab es dann nur zu besonderen Anlässen!
Hattest du schon immer eine Liebe zum Brotbacken?
Immer! Meine Heimatstadt Basel ist bekannt für ein gutes Brot und zwar für ein dunkel gebackenes Brot. Das ist eine große Liebe für mich gewesen und ein großer Schmerz, als ich aus Basel weggezogen bin. Zuerst ging es für mich nach Zürich, dann nach Amerika und am Ende bin ich in Hamburg gelandet und habe dieses Brot überall vermisst. Meine Mutter hat mir immer Brot überall hingeschickt, ich habe es dann eingefroren und gehütet wie ein Heiligtum. Das gab es dann nur zu besonderen Anlässen!
Wie kam es dann dazu, dass du beschlossen hast einfach selbst dein Lieblingsbrot zu backen?
Ich hatte Inspiration durch meinen Bruder, weil er angefangen hat, sein eigenes Brot zu backen. Er hat mir dann seinen Sauerteig geschickt und erzählt, wie er das so macht. Damit hat er mich dann total angefixt und ich habe angefangen meinen eigenen Teig herzustellen. Schritt für Schritt wurden dann meine Ansprüche höher. Über tausend Umwege habe ich dazu gelernt: Habe zum Beispiel andere Leute beim Backen beobachtet und mir die richtigen Materialien zugelegt. Ich habe weite Wege zurückgelegt, um am Ende wirklich zufrieden mit meinem Brot zu sein.
Was ist das besondere an deinem Brot?
Mein Brot ist extrem aromatisch, durch das lange Reifen des Sauerteigs. Außerdem ist es naturbelassen: Keine Chemie, keine Zusätze! Jede Zutat, die ich verwende ist bio-zertifiziert. Dadurch, dass es dann scharf gebacken wird, hat es ganz viele Röstaromen, die es auch sehr besonders machen. Ein weiteres Hauptmerkmal ist auch, dass es innen weich, feucht und großporig ist. Es ist also kein Brot zum Bestreichen, sondern man reißt es eigentlich eher in Stücke.
Und wie kommt das bei den Leuten an? Verstehen sie die Besonderheit?
Auf dem Markt biete ich den Leuten Häppchen mit bretonischer, salziger Butter zum Probieren an. Das nehmen viele an, sagen „vielen Dank“ und drehen sich weg. Nach drei Metern kommen alle dann wieder zurück und fragen „Wow, was ist das?“. Viele nehmen dann ein Brot mit, sind angefixt und kommen wieder. Danach kommt ihnen jedes andere, ähnliche Brot langweilig vor.
Habt ihr also viele Stammkunden?
Total! Das Schöne ist, dass die Öffentlichkeit, die wir bisher so hatten, uns unsere Nachbarn hier aus dem Quartier in den Laden gebracht. Die haben meinen kleinen Laden vorher nicht gesehen und haben es dann irgendwo gelesen und kommen jetzt vorbei. Auch auf dem Markt gibt es sehr viele Stammkunden, die ich beim Namen kenne. Bei einigen Kund*innen weiß ich sogar, wo sie wohnen. Da hab ich dann auch schonmal Brot Zuhause vorbeigebracht!
Das Einzige, was man sehen muss, ist das Brot. Nur das Brot. Denn nur darum geht es. Alles andere ist nicht wichtig.
Was steckt hinter dem dunkeln Design deines Ladens? Hier ist ja alles pechschwarz!
Das war eine Inspiration. Ich war vor ein paar Jahren in Wien in der Altstadt unterwegs und guckte plötzlich in ein pechschwarzes Schaufenster, es sah aus als hätte es da gebrannt. In der Mitte war ein schwarzer Sockel und darauf stand ein edler Reitstiefel in einem Spotlight. Ich war wie elektrisiert von diesem Anblick! Es handelte sich dabei um das Schaufenster des berühmtesten Schusters von Wien, Markus Scheer. Das ist mir nie mehr aus dem Kopf gegangen. Als ich dann anfing, mir Gedanken über einen Laden zu machen, war mir klar: Der muss auch pechschwarz sein! Das Einzige, was man dann beleuchtet in einem guten Licht sehen muss, ist das Brot. Nur das Brot. Denn nur darum geht es. Alles andere ist nicht wichtig.
Wie hast du dich für das pinke Papier entschieden, in das die Brote eingewickelt werden?
Ich wollte unbedingt eine Brotseite haben, in die das Brot eingepackt wird. So war das auch in meiner Kindheit: Da bin ich als kleiner Junge in meinem Heimatdorf Brot kaufen gegangen und das Brot war so eingepackt, in einer Brotseite. Ich wusste, das will ich auch so machen! So Höhlenbewohner-mäßig, wie das Brot aussieht, so brauchte es ein Gegengewicht in die heutige Zeit. Ich wusste, dass es eine Farbe sein muss, die es in eine modische Ecke schiebt. So ein bisschen Lagerfeld. Nachts kam mir die Idee: Kardinalpink ist irgendwie eine geile Farbe und edel zugleich. Für die Suche nach dem Papier habe ich dann alle Hebel in Bewegung gesetzt und wurde letzten Endes in Südfrankreich fündig. Dort bestelle ich bis heute mein Papier.
Wie soll es mit deinem Laden und deinem Brot weitergehen?
Wenn ich für Hamburg spreche, muss ich sagen: Es wird genauso bleiben, wie es ist. Es gibt einen Stand auf dem Markt, einen Laden und ein Brot.
Es könnte aber sein, dass ein Verwandter von mir aus Berlin sagt, dass er mein Konzept unbedingt in Berlin umsetzten will. Unter der Voraussetzung, dass er vor Ort eine Backstube betreibt, die es genauso macht, wie ich: Mit Herzblut und einem Besitzer, der selbst im Laden steht und dafür lebt. Dann könnte es sein, dass Berlin noch dazu kommt. Aber dann wird es so bleiben.