Moin Christian – Ist die Arbeit von Heilpraktikern Hokuspokus?
Hamburg ist eine der schönsten Städte auf der Welt und hat einfach das gewisse Extra. Und nein, damit meine ich nicht nur den reichhaltigen Niederschlag. Aber was macht Hamburg eigentlich so besonders? Natürlich die Menschen, die hier leben. Genau die will ich näher kennenlernen. Deshalb treffe ich mich mit unterschiedlichen Hamburgern und Hamburgerinnen und spreche mit ihnen über unsere Hansestadt, ihren Alltag und ihre Wünsche und Ziele im Leben.
Christian Bauer ist Heilpraktiker. Vor kurzem hat er sich selbstständig gemacht und arbeitet jetzt in einer Gemeinschaftspraxis in Eilbek. Warum er sich für die Arbeit als Heilpraktiker entschieden hat, was er Menschen entgegnet, die seinen Job als Hokuspokus bezeichnen und was er an der Hansestadt liebt, hat er mir im Gespräch verraten.
Moin Christian. Was ist für dich das Besondere an Hamburg?
Ich mag den riesigen Wasseranteil an der Stadt sehr gern. Ich glaube, er hat einen großen Einfluss auf die Mentalität der Menschen hier, weil sie schon immer mit anderen Menschen und Kulturen in Verbindung gekommen sind. Als ich noch als Tourist nach Hamburg gekommen bin, fand ich auch die Alsterfleete besonders schön. Die sind sowohl romantisch als auch dekorativ.
Außerdem habe ich das Gefühl, egal wie lange man in Hamburg lebt, gehen die Möglichkeiten, die man in der Freizeit hat, nie zu Ende. Ich würde sagen: Wenn du in Hamburg lebst, ist die Stadt dein bester Freund. Du hast immer „jemanden“ der sich um dich kümmert, weil es immer Aktivitäten gibt, die du machen kannst. Die Stadt lässt dich nie alleine.
Wenn du in Hamburg lebst, ist die Stadt dein bester Freund.
In welcher Ecke in Hamburg trifft man dich am häufigsten?
Dadurch, dass meine Praxis in Eilbek ist und ich in Hoheluft wohne, trifft man mich wahrscheinlich sehr oft in der Buslinie 5 bis Stephansplatz und dann in der U1 in Wartenau. Aber insgesamt bin ich schon jemand der sehr auf seinen Kiez steht. Ich bin super gern im Eppendorfer Weg unterwegs oder der Osterstraße – diese ganze Ecke ist so lebenswert.
Was ist dein Lieblingsort in Hamburg?
Auf jeden Fall der Isemarkt. Der verbindet für mich Marktatmosphäre mit Kindheitserinnerungen. Ich habe dort nicht das Gefühl, in einer Großstadt zu sein. Ich komme ja ursprünglich vom Dorf und je länger ich in einer Großstadt lebe, desto mehr sehne ich mich nach diesen Momenten, die das Dorfgefühl in mir wecken. Da werde ich dann schon immer etwas sentimental.
Wenn du eine Sache an Hamburg ändern könntest, welche wäre das?
„Wenn du einen Hamburger einmal geknackt hast, dann sind das Freunde fürs Leben.“ Ich habe diesen Satz in Bezug auf Freundschaften im Norden schon sehr oft gehört und finde ihn furchtbar. Ich komme aus Hessen und habe dann in Frankfurt studiert. Diese Jahre waren von einer großen Offenheit allem und jedem Gegenüber geprägt. Zusammen sind wir zu einem Mosaik geworden. Ich bin immer offen, was neue Freundschaften angeht und mag es nicht, wenn man schon im Vorhinein mit der Einstellung rangeht: „Der muss sich erst mal beweisen.“ Das ist doch kein Fundament für eine Freundschaft. Dieses Zugeknöpfte würde ich gerne etwas auflockern.
Welchen Hamburger oder welche Hamburgerin bewunderst du?
Meine Mutter hat immer gesagt, dass ihr Lieblingsbundeskanzler Helmut Schmidt gewesen sei. Deshalb war er mir seit meiner Kindheit ein Begriff. Und tatsächlich hat es mir seine Frau Loki Schmidt angetan, weil sie sich mit Heilkunde, Heilpflanzen und Botanik im Allgemeinen beschäftigt hat. Ich liebe diese Ausstellung im Botanischen Garten in Klein Flottbek über sie.
Du hast dich vor kurzer Zeit in einer gemeinschaftlichen Praxis selbstständig gemacht als Heilpraktiker. Ist dir dieser Schritt in die Selbstständigkeit schwer gefallen?
Ich hatte das eigentlich für einen späteren Zeitpunkt in meinem Leben geplant, weil ich mich zu jung dafür gefühlt habe. Ich dachte, ich kann das gar nicht wuppen. Doch dann ergab sich die Gelegenheit und ich habe sie einfach ergriffen. Insofern war das nicht lange geplant, sondern relativ spontan und ich habe es bis jetzt nicht bereut.
Was zeichnet deine Arbeit als Heilpraktikers aus?
Für mich ganz persönlich ist das der weite, offene Blick für den Menschen, der vor mit sitzt. Das heißt, ich beschränke mich nicht darauf, Nachfragen bezüglich der Symptomatik zu stellen, sondern begebe mich auf Spurensuche. Es geht für mich um den Nährboden, auf dem die Symptome wachsen. Man muss sich ein Bild von einem Acker vorstellen auf dem ein Unkraut wächst, das man nicht haben möchte. Es bringt dann nichts, das Unkraut immer wieder abzuschneiden, denn der Nährboden wird es aufgrund seiner Zusammensetzung immer wieder hervorbringen
Wie arbeitest du als Heilpraktiker? Was gibt es für Methoden?
Als Heilpraktiker habe ich einen großen Koffer voller toller Möglichkeiten der Diagnostik, Untersuchung und Behandlung. Da gibt es zum Beispiel manuelle Therapien wie Akupunktur und Massage oder Ordnungstherapie und Ernährungstherapie, mit denen der Nährboden nachhaltig verändert werden kann. Mir ist es sehr wichtig dabei die Seele im Blick zu behalten, denn ich behandle keine Krankheiten sondern Menschen. Daher lasse ich zum Beispiel die Kindheit eines Patienten nie außer Acht. Häufig frage ich als erstes nach dem Verlauf der Schwangerschaft der eigenen Mutter. Es beginnt also schon von der Stunde Null an. Diese Arbeitsweise kenne ich so nur von Heilpraktikern, weil sie sich die Zeit nehmen können – im Gegensatz zu Schulmedizinern.
Was entgegnest du Menschen, die die Arbeit von Heilpraktikern für Hokuspokus halten?
Ich weiß, dass viele Heilpraktiker bei diesem Thema sofort in eine Abwehrhaltung gehen oder sich dieser Diskussion entziehen. Bei mir ist das ein bisschen anders, ich begegne dem Ganzen immer mit Verständnis und frage denjenigen dann, was er denn denkt, was ich mache. Ganz oft wissen die Menschen gar nicht genau, was Heilpraktiker eigentlich tun. Da kommt dann oft sowas wie „Der macht Homöopathie, liest die Aura von jemandem und legt Karten“. So ist es aber nicht. Ich gehe da sehr gern ins Gespräch, mache Missionararbeit und sage wie die Realität aussieht.
Man darf auch nicht alle Heilpraktiker über einen Kamm scheren. Es gibt definitiv solche, die seltsame Sachen machen, die auch ich als Hokuspokus bezeichnen würde. Und es gibt Heilpraktiker, die sich selbst nicht als etwas Besseres oder Höheres als Schulmediziner sehen und das ist mir sehr wichtig. Ich verstehe die Naturheilkunde als guten Freund, der eine Art Wegbegleiter sein kann. Es gibt auch klare Gesetze, die Heilpraktiker einschränken. Es ist also nicht so, dass man sich hinstellen kann und sagt: „Ich behandle alles.“
Es gibt definitiv auch Heilpraktiker die seltsame Sachen machen, die auch ich als Hokuspokus bezeichnen würde. Und es gibt Heilpraktiker, die sich selbst nicht als etwas besseres oder höheres als die Schulmedizin sehen und das finde ich sehr wichtig.
Ich wettere auch nicht gegen die Schulmedizin, denn wir brauchen sie. Ich kann keinen Tumor operieren oder einer Person mit Parkinson sagen, dass sie auf alle ihre Medikamente verzichten soll. Diese Verantwortung an mich zu reißen und dem Schulmediziner zu entreißen, das möchte ich auf keinen Fall. Ich bin auch kein großer Fan davon zu sagen, dass ich alternative Medizin anbiete. Für mich ist das, was ich mache, eine ergänzende Medizin, um den Menschen in seiner Gesundung zu unterstützen.
Es gibt also auch Momente, wo du deinen Patienten sagst, dass sie lieber zum Arzt gehen sollten?
Ja, absolut! Das kommt auch gar nicht mal so selten vor. Wenn zum Beispiel MRT, Röntgenuntersuchungen und Genanalysen notwendig sind, dann schicke ich den Patienten zum Schulmediziner. Natürlich lasse ich den betroffenen Patienten dann nicht alleine, auch wenn er in Zukunft vielleicht „nur“ noch für ein Gespräch zu mir kommt. Das ist aber auch alles sehr stark geregelt. Es gibt bei bestimmten Krankheiten ein Behandlungsverbot für Heilpraktiker. Daher ist es umso wichtiger zu wissen, wo die eigenen Kompetenzen liegen.
Wann kommen Menschen zu dir und warum?
Zu mir kommen gesunde und kranke Menschen. Viele fühlen sich einfach nicht wohl in ihrem Körper oder mit ihrem Gesundheitszustand. Verdauung ist zum Beispiel ein sehr großes Thema. Oder sie fühlen sich dauerhaft müde und schlapp und wissen nicht woran das liegt. Es ist also ein Mix an Menschen, die zum einen schulmedizinisch betrachtet krank sind und zum anderen sich einfach nicht gut fühlen, und zu mir in die Praxis kommen.
Danke Christian für dieses schöne Gespräch!