Moin Carina – Wie schaust du mit einer unheilbaren Krankheit motiviert in die Zukunft?

© Talika Öztürk

Hamburg ist eine der schönsten Städte auf der Welt und hat einfach das gewisse Extra. Und nein, damit meine ich nicht nur den reichhaltigen Niederschlag. Aber was macht Hamburg eigentlich so besonders? Natürlich die Menschen, die hier leben. Genau die will ich näher kennenlernen. Deshalb treffe ich mich mit unterschiedlichen Hamburgern und Hamburgerinnen und spreche mit ihnen über unsere Hansestadt, ihren Alltag und ihre Wünsche und Ziele im Leben.

Carina (27) berichtet auf ihrem Blog und bei Instagram über ihr Leben, ihre Gedanken, Gefühle und ihren Alltag mit der chronischen Krankheit Mukoviszidose. Die Hamburgerin studiert im Master Psychologie an der Uni Hamburg und lebt mit ihrem Freund in Barmbek-Süd. Warum sie ihren Blog gestartet hat und wie sich Carina täglich motiviert, hat sie uns im Gespräch erzählt.

Was ist für dich das Besondere an Hamburg?

An Hamburg finde ich so schön, dass die Stadt so vielfältig ist. Hamburg ist in ganz vielen Bereichen so eine kleine Welt für sich. Jedes Viertel ist irgendwie anders und besonders. Tatsächlich finde ich, dass auch die Hamburger*innen sehr vielfältig und besonders sind. Das finde ich schön!

In welcher Ecke in Hamburg trifft man dich am häufigsten?

Ich wohne in Barmbek Süd und würde sagen, man trifft mich tatsächlich viel hier in der Gegend: Im Stadtpark oder auch in Winterhude zum Beispiel. Aber natürlich bin ich auch viel in der Uni unterwegs.

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Hast du einen Lieblingsort in Hamburg?

Ganz viele Orte in Hamburg haben einen Zauber für sich, deshalb habe ich nicht unbedingt einen Lieblingsort. Das hängt oft eher von meiner Stimmung oder meinem Gesundheitszustand ab. Und natürlich von den Leuten. Wenn man mit den richtigen Menschen irgendwo ist, kann auch die Unimensa oder irgendeine WG-Küche ein Lieblingsort sein.

Wenn du eine Sache an Hamburg ändern könntest, welche wäre das?

In vielen Teilen von Hamburg könnte man ein bisschen umsichtiger miteinander umgehen. Es wird oft ein sehr hoher Anspruch zelebriert: Es geht um Erfolg, Karriere, Aussehen und wer man sein sollte. Nicht jeder kann das und auch nicht jeder möchte das so. Ich find mit denen, die das nicht wollen oder nicht können,  könnte man ein bisschen liebevoller und umsichtiger umgehen.

Wenn man mit den richtigen Menschen irgendwo ist, kann auch die Unimensa oder irgendeine WG-Küche ein Lieblingsort sein.

Gibt es einen Hamburger oder eine Hamburgerin, den oder die du bewunderst?

Bewundern ist ein großes Wort, finde ich. Ich finde viele Menschen bewundernswert: Viele Hamburger*innen gehen ihren ganz eigenen Weg, häufig trotz einer schwierigen Vergangenheit oder anderer Widrigkeiten. Auch wenn das nicht der Weg ist, den alle gehen. Das ist auch das, was ich mit meinem Blog zeigen möchte: Dass es wichtig ist, seinen eigenen Weg zu gehen und mutig genug zu sein, das zu machen, was man will.

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Auf deinem Blog damnbrave berichtest du über deinen Alltag, deine chronische Krankheit Mukoviszidose und deine tägliche Motivation. Wie bist du auf die Idee gekommen, einen Blog zu starten?

In meiner Jugend hätte ich mir so etwas gewünscht, worin ich lesen kann. Es gab viele Blogs, aber da wurde sehr viel über die Krankheitsgeschichte geschrieben und ich habe mir eher gewünscht, dass mal jemand sagt „Das Leben ist schön! Klar, es ist nicht immer einfach, aber es ist schön. Motivier dich, geh deinen Weg und mach dein Ding“. Das gab es irgendwie nicht. Die meisten in meinem Umfeld waren gesund und das war dann schwierig für mich, irgendwas zu finden, woran ich mich orientieren kann.

Vor fast zwei Jahren ist mein bester Freund gestorben, der auch CF (Mukoviszidose) hatte. Wir hatten ein sehr enges Verhältnis. Auf seiner Beerdigung wurden viele Sachen gesagt, die ich gar nicht wusste. Da dachte ich mir: „Krass, wenn wir darüber nicht mal gesprochen haben, wer weiß das dann?“ Über das Leben von chronisch kranken Menschen wissen so Wenige Bescheid: Es ist manchmal furchtbar und sehr schwer, aber trotzdem lebenswert und wunderschön. Da muss Vieles mal ausgesprochen und erzählt werden. Wie soll sonst ein normales Verhältnis zu solchen Tabuthemen entstehen?

Motivation ist ein großes Thema bei dir. Wie motivierst du dich? Woher nimmst du deine Energie und Kraft für den Alltag?

Zu leben. Das ist meine Motivation. Mir Ziele zu setzen, die ich umsetzen kann. Und Spaß und Freunde zu haben. Das Gesamtpaket Leben ist meine Motivation, die mich immer aufstehen lässt. So schaffe ich auch mir zu sagen: „Doch, du studierst jetzt weiter, auch wenn es super anstrengend ist." Ich bin ein echter Bauch- und Herzmensch, gehe immer nach dem Gefühl, ob ich etwas als richtig oder falsch empfinde. Wenn ich das Gefühl habe, dass etwas richtig ist, habe ich auch die Motivation es zu tun. Ich bin auch von Haus aus sehr diszipliniert, weil ich es schon immer sein musste. Und weil ich schon immer wusste, wenn ich es nicht bin, kommt auch nichts dabei raus. Sowohl bei meinem Abitur, wie bei meinem Bachelor als auch bei meinem Master jetzt: Ich musste immer 150% geben, sonst wäre das gar nicht gegangen.

Meine Motivation im Alltag sind auch die Leute um mich herum. Ich habe ein tolles Umfeld: Eine ganz tolle Familie, ganz viele wunderbare Freunde, die für mich da sind. 

Zu leben. Das ist meine Motivation.

Wie sieht denn ein normaler, alltäglicher Tag bei dir aus?

Ich stehe super früh auf, weil ich morgens und abends meine Atemtherapie mache. Damit fange ich morgens um sechs Uhr an, mache meine Therapie und inhaliere. Danach frühstücke ich mit meinem Freund, dafür nehmen wir uns viel Zeit. Mir ist das sehr wichtig, weil Essen ein besonderes Thema für mich ist: Wenn ich zu wenig esse, nehme ich sehr schnell ab. Deshalb muss ich immer ordentlich essen. Dann fahre ich in die Uni, habe Seminare oder Vorlesungen. Im Anschluss habe ich oft Arzttermine oder Physiotherapie. Wenn es mir gut geht, gehe ich gern zum Sport. Nebenher kommt der Alltag: Einkaufen, Kochen, Haushalt. Und dann geht die Therapie wieder von vorne los. Meistens habe ich sehr viele Termine, die auch sehr eng getaktet sind. Ich muss sehr viel herumfahren, weil der eine Arzt da ist und der nächste dort und das jeden Tag. Mein Kalender ist oft wie ein Tetris, was ich so zusammen bastle.

© Talika Öztürk

Was möchtest du anderen mit deinem Blog zeigen? Was ist dir wichtig?

Ich möchte zu einem Erfahrungsaustausch anregen und ein „ins Gespräch kommen“ fördern. Da geht es nicht immer darum, dass ich anderen zeige, was ich für Strategien habe, sondern viel mehr darum einfach auszusprechen, wie ich mich gerade fühle. Weil ich weiß, das kennen Viele, aber fast niemand traut sich es zu sagen. 

"Wir" CF-Patient*innen lernen meist zwei Gesichter zu haben: In der Öffentlichkeit ist man, egal, wie schlecht es einem geht, fröhlich und es sieht alles gut aus. Aber eigentlich saß der- oder diejenige morgens anderthalb Stunden auf der Toilette und hatte total Bauchschmerzen und Durchfall. Oder hat sehr schlecht Luft bekommen und musste ganz viel inhalieren und hat anstrengende Wochen hinter sich auch psychisch. Das zeigt man aber nicht. Das war meine wichtigste Intention bei meinem Blog. Es ist wichtig, so etwas auszusprechen, denn es ist die Realität. Gerade auch auf Instagram werden so schöne Sachen gezeigt. Klar, auch das ist eine Realität aber das was wir leben, ist das wahre Leben. Das ist schwer und psychisch eine Herausforderung, aber trotzdem schön und lebenswert. Das möchte ich rüberbringen! 

Sind dir, seitdem du so lebst und Dinge offener ansprichst, Menschen anders begegnet?

Ich habe früher auch zu denen gehört, die eine sehr gute Fassade aufgebaut haben. Ich habe immer so getan als wäre alles super. Das mache ich vielleicht manchmal noch immer. Aber seit ich gerade auch auf Instagram einiges ausspreche und schreibe, kommen viele Leute zu mir, die gar nicht wussten, was ich so in meinem Alltag mache oder meistere. Die engsten Menschen an mir dran, wussten das natürlich. Aber die allermeisten Leute eher nicht. Ich hatte seitdem ganz viele schöne, positive Begegnungen. Viele sind total dankbar dafür, mal zu wissen, wie das Leben als chronisch Kranker so ist. Im Umkehrschluss können auch sie ganz anderes auf mich reagieren.

"Wir" CF-Patient*innen lernen meist zwei Gesichter zu haben: In der Öffentlichkeit ist man, egal, wie schlecht es einem geht, fröhlich und es sieht alles gut aus.

Hast du etwas, was du den Menschen mitgeben möchtest?

Es ist super wichtig, auf seine innere Stimme zu hören und seinen eigenen Weg zu gehen. Man muss sich immer selbst fragen, was man wirklich will. Das habe ich auch über die letzten Jahre für mich herausgefunden: Unsere Zeit und unser Körper sind die kostbarsten Dinge, die wir haben. Alles andere ist in dem Moment nicht wichtig. Wenn man krank ist oder man weiß, ich habe nur noch ein halbes Jahr zu leben, dann bringt einem ein tolles Auto oder ein großes Haus nichts mehr.

Dass Freunde und Beziehungen mehr geben als Geld und Karriere, merken viele Menschen glaube ich zu spät. Das Bewusstsein zu haben, dass man darauf wirklich aufpassen muss und, dass das ein echter Schatz ist. Genau aus diesem Grund, muss man das in seinem Leben machen, was einen antreibt und glücklich macht. Auch wenn das mal nicht der normale Weg ist, kann man ihn trotzdem gehen. Weil er glücklich macht. Mit dem, was ich tue, würde ich Menschen gern darin ermutigen, das noch mehr zu machen.

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