Club von gestern: Klubsen (2010-2017)

Der schrumpfende Lebensraum des Partytiers mit Anspruch ist bekanntlich nicht nur ständig von Eventisierung und Ödnis bedroht – seine Bewohner sind überwiegend auch noch so endemisch, dass sie ihr Revier oft nur im absoluten Ausnahmefall verlassen. Ich spreche da aus eigener aus Erfahrung. Seit bald 20 Jahren heißt mein Habitat nämlich St. Pauli. Und weil sich darin alles, wirklich alles befindet, was man wochen- wie feiertags so braucht, verlässt meinesgleichen das Viertel so selten wie möglich – besonders im Falle des Feierns. Selbst das nahegelegene, aber jenseits des Michels gelegene Westwerk erscheint mir ja manchmal als Reise ins benachbarte Bundesland.

Und dann erst der/die/das Klubsen.

Um ihn/sie/es zu erreichen, musste man die Asphalthölle der autogerechten Metropole schließlich eine Ewigkeit runter Richtung Hammerbrook, wo dieser Club bis zu seiner Schließung vor zwei Jahren ein Dasein im Schatten menschenleerer Industrieareale und zweihundertdreiundvierzigspuriger Durchgangsstraßen gefristet hat. Passenderweise am Wandalenweg gelegen, wo Hamburgs Stadtplaner nach dem Krieg gewütet hatten wie die Betonmischer im Bonsai-Garten, erinnerte er demnach schwer an eine besonders schmucklose Lagerhalle im metallverblendeten Gelbklinkerstil. Was allerdings schon deshalb jetzt nicht so überraschend ist, weil das Klubsen – daher der Name – im früheren Vorratsspeicher des Elektrogroßhandels Kluxen war.

Hinter den öden Gewerbegebietsmauern entfaltete sich allerdings ein Inneres, das mit der Umgebung noch weniger zu tun hatte als Hamburg mit der Weltstadt, die es andauernd zu sein prahlt.

Links von einer gepflasterten Schleuse nebst Rolltoren nämlich erinnerte das hardrockaffine Klubsen ein bisschen an einen Mojoclub für Metalheads: terrassenartige Plateaus, elegante Rundungen, viel Holz, wenig Kanten, ein zutiefst organisches Interieur umringt von betriebswirtschaftlicher Sachlichkeit. Und dann das Booking: Die meisten der sieben Jahre vor Ort gab es dort der Legende nach einen ausgesucht klugen Mix zwischen HipHop und Heavy Metal, DJ-Sets und Kleinfestivals, Ying und Yang mit Zackengitarre oder Scratching-Contests.

Weit weit weg von allem, außer dem guten Geschmack

Der Ruf des Klubsen war demnach trotz (und wegen) seiner Abgelegenheit gut bis exzellent. Es zählt daher zu den ganz großen, kaum je zu stopfenden Leerstellen meiner musikalischen Späterziehung, praktisch nie in dieser subkulturellen Oase gewesen zu sein. Zweimal, um genau zu sein. Zweimal war es mit wunderbar noch spröde umschrieben. Dummerweise lagen beide Ereignisse ganz am Anfang und kurz vorm Ende ihrer Existenz. Im Herbst 2010 etwa, es roch noch mehr nach Renovierung als Schnapslachen, da rappten dort die unfassbaren Ugly Ducklings aus Kalifornien mit einer Vorgruppe, deren Name mir partout nicht mehr einfällt, die es aber wirklich verdient hätte, sich daran zu erinnern, so wie sie den Laden vorgeheizt hatte.

Was darin sehen und gesehen werden wollte, feierte sich im rappelvollen Saal seinerzeit selbst

Das letzte Mal hingegen war kurz vorm Finale, als das Hamburger Clubkombinat dort vor ziemlich genau zwei Jahren zum siebten Mal die regionale Subkultur prämierte. Was darin sehen und gesehen werden wollte, feierte sich im rappelvollen Saal seinerzeit selbst. Und wen auch immer man unter den Älteren auch fragte: Die meisten meinten, zuvor noch nie dort gewesen zu sein und dies nun heftig zu bedauern. So perfekt war das Klubsen aufgeteilt, so angenehm konnte man auf drei Etagen abhängen und vor allem: so heftig abgehen.

Nur Wochen später war allerdings Schluss mit Klubsen – wenn auch endlich mal nicht durch die Dampfwalze der Gentrifizierung, sondern weil der Pachtvertrag einfach fristgerecht und planbar abgelaufen war. Selbst über die Schließung der Proberäume im Keller fielen die Klagen daher gedämpft aus. Was sich dort heute befindet, ob das frühere Lagerhaus der Firma Kluxen nun leersteht oder wie geplant abgerissen und überbaut wurde – keine Ahnung! Schon mit der zwischenzeitlichen Clubnutzung fuhren kiezansässige Phlegmatiker wie ich ja nur im absoluten Notfall so weit vor die Tore des Viertels. Und die Notwendigkeit dazu ist durchs Ende des Klubsen nicht grad gewachsen. Was für ein Jammer.

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