11 Bauten in Hamburg, die vom Bauhaus inspiriert sind

Zahlreiche Gebäude kleideten sich im Hamburg der 20er Jahre mit Sprossenfenstern, Backstein, Keramik. Der Stempel des damaligen Oberbaudirektors Fritz Schuhmacher war und ist auch heutzutage noch allgegenwärtig in der Hansestadt. Doch manche Bauten wurden anders gestaltet: weiß geschlämmt, kubische Formen, gebogene Panoramascheiben, gerundete Terrassen. Das Bauhaus! Vor 100 Jahren wurde die berühmte Kunstschule ins Leben gerufen. Und mit ihr verstärkte sich die Frage: Wie wollen wir wohnen? Aber auch: Wie wollen wir zusammen leben? Wie wollen wir lernen und lehren? Finden wir im heutigen Hamburg noch Spuren des Bauhauses? Ja! Wir haben uns auf die Suche gemacht und servieren Euch: 11x Bauhaus, auf dem Präsentierteller. Guten Archite-petit! Kubisch, praktisch, gut?

Anmerkung, bevor’s losgeht: die Frauen am Bauhaus

Wer vom Bauhaus spricht, denkt in erster Linie an berühmte Männer wie Walter Gropius oder Paul Klee. Auch in dieser 11er Liste fallen ausschließlich männliche Namen. Das hat uns nachdenklich gemacht. Denn die Kunstschule wurde auch von vielen Frauen geprägt. Lange Zeit waren die meisten von ihnen allerdings vergessen. Erst langsam – zum 100-jährigen Jubiläum –  rücken sie ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Wie konnten die Frauen an dieser als so fortschrittlich geltenden Kunstschule dermaßen ins Abseits geraten? Zu diesem Thema legen wir Euch die frei verfügbare Dokumentation Bauhausfrauen ans Herz.

Villa Michaelsen
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Die Villa Michaelsen am Falkensteiner Ufer

Hoch über dem Falkensteiner Ufer schmiegt sich das Landhaus Michaelsen in die Landschaft. Die weiße Villa wurde 1923 von Architekt Karl Schneider für das Ehepaar Michaelsen gebaut. Das mehrteilige Ensemble mit den klaren Formen und dem großen gebogenen Fenster nimmt in vielfältiger Weise Bezug auf seine Umgebung. So bestimmt der Lauf des Stromes und die Bewegung der Uferhöhen die Ausrichtung und Gliederung des Landhauses. Selbst die geneigte Dachfläche fügt sich harmonisch in die Hügelkette des Hohen Elbufers. Nach dem Krieg kaufte Axel Springer das Landhaus, wollte es zunächst abreißen und ließ es schließlich verfallen. Auf Initiative der Galeristin Elke Dröscher, die es Mitte der 80er Jahre aufwendig renovierte, steht das Landhaus seit 1986 unter Denkmalschutz. Es beherbergt heute das Puppenmuseum Falkenstein.

Reemtsma Villa
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Die Reemtsma Villa in Othmarschen

Haus K. in O. Unter dieser Bezeichnung plante und realisierte Architekt Martin Elsaesser zwischen 1930 und 1932 auf dem Flurstück Kretkamp in Othmarschen (K. in O.) ein ultramodernes Privathaus für den Zigaretten-Fabrikanten Philipp Reemtsma. Das Projekt im Stil des Neuen Bauens kostete 4,2 Millionen Mark und war vermutlich das teuerste Privathaus, das während der Weimarer Republik in Deutschland gebaut wurde. Kein Wunder: Der Bauherr Philipp Reemtsma wollte seinen Zeitgenoss*innen durch den Einbau innovativer Techniken voraus sein. So konnten beispielsweise die Terrassenfenster der Gartenfront mithilfe von 66 Motoren in den Boden versenkt werden. In dem Gebäude mit den klaren Linien und den asymmetrischen Formen, mit der edlen und funktionalistischen Ausstattung, befanden sich neben den Privaträumen ein Gesellschaftsbereich, ein Kinder- und Dienstbotentrakt, ein Sport- und Fitnessbereich und ein Hallenschwimmbad. Neben dem Wohnhaus wurden ein Wirtschaftsgebäude mit Wohnungen für Angestellten, ein Pferdestall, Garagen mit einem Wasserturm und Stromgeneratoren und ein Pförtnerhaus errichtet. Die Gartenanlage wurde im Sinne der Lebensreformbewegung entworfen.

Sophieneck
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Das Sophieneck in Harvestehude

Weiß verputzte Fassade, gerundete Erker, Dachterrassen. Deutlich als Bauhaus-Architektur erkennbar ist die Reihenhauszeile in der Sophienterrasse – auch wenn heutzutage wohl so manch ein*e Passant*in an ihr vorbeischlendert, ohne sie genauer ins Auge zu fassen. Grund für das in Vergessenheit geratene Bauhaus-Werk mag die Herkunft der Architekten sein, die das Gebäude 1928 entwarfen: Semmy Engel und sein Sohn Bernd Engel waren Juden. Sie erhielten 1936 ein Berufsverbot und emigrierten daraufhin ins Exil nach London. Die Hauszeile in der Sophienterrasse bezeichneten die zwei Architekten als „Sophieneck“. Semmy Engel hat auch die später zerstörte Hamburger Hauptsynagoge am Bornplatz errichtet.

U-Bahnstation Kellinghusenstraße
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Die U-Bahn-Brücke am Kellinghusenbahnhof

Was wäre, wenn Du jeden Tag verschlafen durch ein Bauhaus-Gebäude huschst, ohne es zu merken? Das kann gut sein, wenn Du regelmäßig an der U-Bahn-Station „Kellinghusenstraße“ umsteigst. Die 1929 von Architekt Walther Puritz errichtete Brücke am Kellinghusenbahnhof steht für die neue Sachlichkeit. Das Bauwerk greift die Architektur des Gropius-Baus in Dessau auf: Eine Glasfassade gibt den Blick auf das Innenleben frei – das tragende Skelett. Das Besondere an der Brücke sind die Holzsprossen in einem warmen Indisch-Rot. Denn Holz ist eigentlich kein Material der Sachlichkeit. Die Verglasung und das Fehlen einer schrägen Dachkonstruktion sind wiederum typisch Bauhaus. Transparenz war schließlich ein wichtiger, funktionaler Aspekt der Moderne. So hast Du beim Begehen der Brücke auch heute noch immer den vollen Durchblick, wo Du gerade bist und hingehst.

  • U-Bahnstation Kellinghusenstraße , 53° 35′ 19″ N, 9° 59′ 28″
Rolf-Liebermann-Studio
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Das Rolf-Liebermann-Studio in Rothenbaum

Die ehemalige Synagoge an der Oberstraße 116-120 gilt als wichtiger Sakralbau der Weimarer Republik. Heute befindet sich darin das Rolf-Liebermann-Studio des NDR. Der Entwurf des Tempels, den die Architekten Felix Ascher und Robert Friedman 1931 vorschlugen, war damals äußerst gewagt. Bis dahin waren fast alle Neubauten jüdischer Gotteshäuser von nicht-jüdischen Architekten entworfen worden und damit – Ascher zufolge – an christliche Gotteshäuser angelehnt. Daher legten Ascher und Friedmann bei ihrem Entwurf Wert darauf, „jede dem Judentum fremde, mystische Wirkung zu vermeiden“. Die Fassade des Gebäudes ist aus Muschelkalk. Am Haupteingang befindet sich ein großes Fenster in Form eines stilisierten siebenarmigen Leuchters. Die Reformsynagoge wurde 1938 in der Pogromnacht verwüstet, geschändet, geschlossen und musste zwangsverkauft werden. Das Gebäude überstand den Krieg äußerlich heil. 1953 kaufte der NDR (damals NWDR) das Gebäude und richtete darin das heutige Rolf-Liebermann-Studio ein.

Künstlerhaus Sootbörn
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Das Künstlerhaus Sootbörn in Niendorf

Das ehemals dreistöckige Schulgebäude wurde zwischen 1927 und 1929 von den Bauhaus-Architekten Ernst und Wilhelm Langloh errichtet. Auf damals preußischem Gebiet entstand ein an Le Corbusier angelehntes, außergewöhnlich ambitioniertes Schulgebäude mit kubistischen Formen und wechselseitiger, räumlicher Durchdringung. Es stand damit in Konkurrenz zum nahegelegenen Hamburg und der Schulbaupolitik von Fritz Schuhmacher und Gustav Oelsner. Nach einer Flughafenerweiterung Ende der Fünfziger Jahre wurden zwei Stockwerke abgetragen. In den „Resten“ befindet sich heute das Künstlerhaus Sootbörn.

Schule Denksteinweg
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Die Schule Denksteinweg (heute Max-Schmeling-Stadtteilschule) in Jenfeld

Jenfeld gehörte bis 1937 ebenfalls nicht zu Hamburg. Es unterstand dem Stadtbauamt Wandsbek – und befand sich somit nicht im Einflussbereich vom Hamburger Oberbaudirektor Fritz Schumacher. So konnte die Schule Denksteinweg in den Jahren 1929 und 1930 ganz im Stil des Neuen Bauens erbaut und 1957 bis 1963 ergänzt werden. Es ist die erste Flachbauschule in Norddeutschland.  Eine Gedenktafel beschreibt das Gebäude folgendermaßen: „Der Altbau kombiniert zwei in rechtem Winkel zueinander angeordnete, einen Hof einschließende Trakte, eine zweigeschossige Turnhalle und den eingeschossigen Klassentrakt. Beide sind verputzt und werden durch einen gedrungenen verklinkerten Turm verbunden. Die Klassenräume haben entsprechend den schulreformerischen Ideen der Zeit direkten Zugang zu den Grünflächen.“

Julius-Vosseler-Straße
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Die „Pappsiedlung“ an der Julius-Vosseler-Straße in Lokstedt

Die Wohnsiedlung an der Julius-Vosseler-Straße / Vizelinstraße / Beethovenallee / Repgowstieg wurde 1931 im damals noch preußischen Lokstedt errichtet. Der Entwurf dazu stammt von den jüdischen Architekten Semmy und Bernd Engel (die auch das „Sophieneck“ konzipierten) und Hermann Rickert. Die Siedlung umfasst 133 zweigeschossige Einzel-, Doppel-, Dreier- und Reihenhäuser in kubischen Formen mit Flachdächern und hellen Putzfassaden. Vorbild war die Siedlung Dessau-Törten von Walter Gropius. „Pappsiedlung“, „Klein-Kamerun“ oder „Schachtelsiedlung“ wurde die Anlage aufgrund ihrer für die Zeit ungewöhnlichen Bauformen genannt. Vor 100 Jahren skandalös – heutzutage fast vergessen und schlichtweg übersehen. Die Siedlung steht nicht unter Denkmalschutz, so dass fast alle Häuser stark verändert wurden und den ursprünglichen Zustand nur noch erahnen lassen.

Haus der Jugend Altona
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Das Haus der Jugend in Altona

Das Haus der Jugend ist nicht nur ein Zeugnis des Neuen Bauens, sondern auch ein Symbol für die gesellschaftlichen Umwälzungen der Weimarer Republik. Es entstand zwischen 1928 und 1930 im Zuge verschiedener Bildungsreformen. Gustav Oelsner, Architekt, Stadtplaner und bis zu seiner Vertreibung durch die Nationalsozialisten Bausenator der damals noch eigenständigen Stadt Altona, schuf mit dem Haus der Jugend ein Berufsschulzentrum für Jugendliche und Arbeitslose. Dabei berief er sich konsequent auf die Grundsätze des Neuen Bauens: Luft, Licht, Hygiene. Innen sorgten helle, hohe Räume, weitläufige Treppenhäuser und breite Flure für ein angenehmes Lernklima. Mit der Beruflichen Schule Energietechnik Altona wird das Gebäude auch heute noch als Bildungsstätte genutzt.

Großwohnhaus Burmeister
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Das Großwohnhaus Burmeister an der Maria-Louisen-Straße

An der Ecke Maria-Louisen-Straße / Dorotheenstraße steht das Haus mit der „runden Ecke”, von Karl Schneider konzipiert und zwischen 1927 und 1928 erbaut. Um diese Ecke fuhren früher die Straßenbahnen herum. Die Aufhängeösen der Fahrleitung sind noch am Gebäude vorhanden. Auf der Westseite der Straßenkreuzung gelegen, erhebt sich das Großwohnhaus Burmeister auf einer Plattform, die fünf Stufen höher als das Gehwegniveau ist. Die Fassade zeigt ein durch Treppenhauseinschnitte nur maßvoll unterbrochenes Relief, mit einer Ladenzone, 4 Wohngeschossen und einem Attikageschoss. Das mag für uns unspektakulär erscheinen. In den 20er Jahren allerdings wurde hier das bürgerliche Wohnen modern und neu interpretiert.

© Chilehaus

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Das Chilehaus im Kontorhausviertel

In den 20er-Jahren entwickelte Hamburg mit dem Backsteinexpressionismus eine eigenständige Spielart der Moderne. Eine Ikone dieses Baustils ist das 1924 von Fritz Höger errichtete Chilehaus. Majestätisch ragt die Spitze des zehnstöckigen Kontorhauses wie ein Schiffsbug in den Himmel – und erinnert ein bisschen an das Flat Iron in New York City. Seine Fassade besteht aus fast fünf Millionen Klinker- und Backsteinen, die zum Teil Ornamente und Muster ergeben. Im Rachen des Riesengebäudes winden sich Treppenhäuser und prächtige Mahagonitüren machen den Weg in die Innenräume frei. Damit ist das Chilehaus ein wichtiges Zeugnis der ersten Bauhaus-Phase in Weimar.

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