Warum ich jetzt schon keinen Bock mehr auf die WM habe

Das Billig-Shampoo deines Vertrauens ändert alle zwei Jahre für ein paar Wochen seine Aufmachung. Fedora-Hüte – das vielleicht größte modische Verbrechen der letzten hundert Jahre – wird schon am Boden liegend mit Füßen getreten, in dem man es noch in Schwarz, Rot und Gold anmalt. „Coole“ Artikel, die selbstverständlich handgemacht von minderjährigen Kindern jenseits der Bundesrepublik Deutschland gefertigt werden. Man könnte meinen, das Land verfällt einer ominösen Sekte– kein Geheimbund, die wären ja schwer zu erkennen. Unsere Protagonisten wollen aber erkannt werden und als das gesehen werden, was sie sind: Deutsche. Es ist wieder WM. Und Fußball ist die größte Nebensache der Weltmeisterschaft.

"Max Hummels"

Zusammen Fußballschauen, Bier trinken, Rumschreien und für ein paar Wochen Helden wie „Max Hummels“ und „der Typ, der mit der von Insta zusammen ist“ zu bejubeln. Herrlich. Menschen scheinen sich plötzlich für Fußball zu interessieren, obwohl sie das seit zwei Jahren nicht mehr getan haben. Seit der EM in Frankreich.

© Melina Hipler
Weil man dazugehören will und für kurze Zeit Teil einer riesigen Subkultur sein darf, ohne aufzufallen.

Sie tun es, weil man es so macht. Weil man zu drei gekauften Nivea-Dosen 'ne Deutschland-Fahne bekommt. Weil man dazugehören will und für kurze Zeit Teil einer riesigen Subkultur sein darf, ohne aufzufallen. Als würde man mit einem Motörhead-Shirt von H&M nach Wacken fahren und dadurch jetzt auch „einer dieser Rocker“ sein.

Fußball ohne Fußball

Doch sind sie vielleicht doch ein Geheimbund? Ist die Diskussion, ob das jetzt Abseits war oder nicht (die Abseitsregel wird dabei nicht verstanden) eigentlich nur ein geheimes Zeichen dafür, endlich mal wieder „die eigene Fahne“ schwenken zu dürfen? Ist es schlichtweg eine Form der Gruppendynamik, wodurch Leute sich selbst auf drei Farben reduzieren? Sozialwissenschaftlich lässt sich das bestimmt irgendwie erheben. Was hier jedoch nicht geschieht ist: Fußballkultur schaffen.

© Bertrand Gabioud via Unsplash

Fußballkultur wird Woche für Woche auf den Rängen der Stadien geschaffen, in denen Menschen sich die Seele aus dem Leib schreien, verstehen was Abseits bedeutet und wissen, wer Pierluigi Collina ist. Da wo einzelnen Spielern noch spontan eine humoristische Hymne gesungen wird, bei Spielen, auf die man sich schon seit mindestens sieben Tagen freut – egal ob vor der Haustür oder im 800 Kilometer weitem Gästeblock mit überteuertem Bier und unzumutbaren Toilettensituationen. Da wo es noch um was geht: Um Fußball. Hört sich eher nicht so romantisch an? Vielleicht sollte man sich einfach mal mehr mit Fußball beschäftigen und weniger mit Deutschland. Dann klappt das auch wieder mit der Glaubwürdigkeit.

Und so werde ich mir keinen Fedora-Hut kaufen, kein Fanfest besuchen, keine Deutschland-Wurst beim Metzger kaufen und auch nicht mit meiner Nivea-Fahne schwenken. Ich werde mich, wie viele andere auch, Zuhause oder in der Kneipe meines Vertrauens einigeln und mich mit der einen Sache beschäftigen, um die es eigentlich gehen sollte: Fußball. Und mit nichts anderem.

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