Amsterdamer Bier-Kultur an 15 Zapfhähnen in der Bar Oorlam
London hat sein Chinatown, New York hat sein Little Italy. Hat Hamburg sein Klein Amsterdam? Zumindest eine neue Bar in der Neustadt könnt als kleine niederländische Enklave mitten in der Hansestadt dienen. Warum 15 Zapfhähne eigentlich zu wenig sind für eine gute Bar und weshalb das Herrengedeck mehr sein kann, als nur Knolle und Korn, erfahren wir in der Bar Oorlam.
Durch die saloonartige grüne Tür betreten wir den Laden, der schon nach meinem Blick durch die Fensterscheibe mit keiner anderen Hamburger Bar vergleichbar ist: minimalistisches Design, in dem es trotzdem etwas zu entdecken gibt. Liebevoll platzierte frische Schnittblumen auf den Tischen, eine beeindruckende Anzahl an Zapfhähnen, bei denen mir nach Betreten des Ladens schlichtweg die Zeit fehlt, um sie auf die Schnelle zu zählen.
Was es zu einer guten Bar braucht
In der gegenüberliegenden Ecke der Bar springen uns formschöne Flaschen mit bunter Verzierung ins Auge. Ein kleines, verstecktes Separée mit Sesseln und Sofas bieten Platz für eine Handvoll Leute. Alles in allem erinnert die Bar Oorlam irgendwie an ein altes Milchgeschäft, was wahrscheinlich an den mit Bier-Variationen beschrifteten Kacheln an der Wand liegt. Dazu eine Bodenständigkeit, die zwar als krasser Gegensatz zum minimalistischen Interior erscheint, sich damit aber keinesfalls beißt und das Bild nur noch runder macht. Wir fühlen uns wohl. Doch wer hat dafür gesorgt?
An der Bar empfängt uns Nienke. Die gebürtige Niederländerin lebt erst seit etwa zwei Jahren in Hamburg und ist der Liebe wegen an die Elbe gezogen. Die Amsterdamer Bars Tap Zuid und Arendsnest hatte sie bereits gemanagt – das alles neben ihrem Studium der Philosophie. Und was stellt man mit einem abgeschlossenem Philosophie-Studium an? Als würde es auf der Hand liegen: eine eigene Destillerie gründen. Ihr Schnaps Filosoof Jenever war geboren. Schöne Geschichte.
Hamburgs längster Zapfhahn?
Nienke erzählt, dass 15 Zapfhähne in Amsterdam keine Besonderheit sind. Wenn man bedenkt, dass in Hamburg meistens zwei bis drei Faßbier-Sorten pro Bar angeboten werden und es auch nur fünf bis sechs verschiedene Sorten gibt, ergibt das völlig Sinn. Ob sie den längsten Zapfhahn der Stadt haben? Das mag sein. Zumindest haben sie den schönsten.
Für das Bier sorgt Nienkes Freund, der sich vor Jahren mit seiner Buddelship-Craft-Beer-Brauerei in Stellingen niedergelassen hat. Mehr als vierzig (!) Sorten braut der gute Mann namens Simon und schert sich nicht um altbackene Herangehensweisen wie das Brauen nach Reinheitsgebot. Lieber greift er uralte Bier-Ideen auf, die es noch vor dem deutschen Reinheitsgebot gab – wie beispielsweise das Gose. Ein guter Einstieg, um dann auch mal das ein oder andere Bierchen zu trinken, wie wir finden.
Bier trinken ist nicht gleich Bier trinken
Mit einem Alkoholgehalt von 4,5% probieren wir als erstes eine Aufklärung – ein Bier der Sorte Gose, welches bereits im Mittelalter in Goslar im Harz gebraut wurde. Beim ersten Schluck fällt auf, dass es hier keinesfalls um Biertrinken geht, sondern um Biergenießen. Mit einem Ale-ähnlichen Nachgeschmack auf der Zunge ist es dennoch nicht direkt mit einer uns bekannten Biersorte vergleichbar. Ein Bier, wovon man gerne noch ein zweites nimmt. Freunde von Pils und Hellem könnten unserer Meinung nach hier ihr neues Lieblingsbier gefunden haben.
Baltic Porter straight outta Stellingen
Wer es dann doch gerne etwas dunkler mag und Guinness auf Dauer dann doch zu langweilig ist, sollte ein Gotland 1394 probieren. Optisch ähnlich einem Guinness, geschmacklich bietet es jedoch viel mehr: mit einem Alkoholgehalt von stolzen 6,5% ist das Baltic Porter auch eines der geschmacksintensivsten Biere, die ich bisher trinken durfte. Irgendwie nussig und unglaublich kräftig. Großartiges Bier. Good job, Simon.
Die Spirituosen auf der rechten Seite des Tresens sind von Nienke höchstpersönlich gebrannt. Exotischste Zutaten wie japanische Früchte oder Kräuter, von denen man noch nie gehört hat: Nienke verwendet für ihren Schnaps nur die hochwertigsten Zutaten. Kein Brennen im Mund und keinen Kater am nächsten Tag. Für einen Schnaps ist das geschmacklich allererste Sahne. Dass sie für den passenden Schnaps auch das passende Bier hat und umgekehrt, versteht sich von selbst. Herrengedeck 2.0. Good job, Nienke.
Neue Horizonte
Die Bar Oorlam ist weitab von dem, was man sich unter einer Hamburger Bar vorstellt und gerade deshalb so wichtig für die Barlandschaft unserer Stadt. Ein Abend hier zeigt, wie wichtig eine florierende Craft-Beer-Szene für eine Stadt wie Hamburg, und wie festgefahren doch das Verständnis von deutscher Trinkkultur ist. Ein Besuch der Bar Oorlam ist für jeden erholsam, der sich traut seine Gin-Tonic-Astra-Komfortzone zu verlassen.
Unbedingt probieren: Wir haben uns in das Gotland 1394 verliebt. Sagt einfach Nienke oder Simon was ihr sonst so mögt und sie zapfen euch schon das passende Bier!
Mit wem gehst du hin?: Nach Feierabend mit deinen Kollegen – dein Date kannst du hier aber auch mit hinnehmen.
Beste Zeit: Kommt früh, denn viel Platz bietet der Laden nicht unbedingt. Donnerstag bis Freitag hat die Bar ab 16:00 Uhr geöffnet, am Wochenende bereits ab 12:00 Uhr.
Besonderheit des Ladens: Ganz klar: die Bierauswahl und das Wissen um die Getränke der Menschen hinter der Bar.
Lärmfaktor: Gemütliche Atmosphäre durch entspannte Musik. Allzu laut sollte es also nicht werden.
Preise: Die 0,4l-Liter Biere pendeln zwischen 4€ und 5€. Das sind sie es aber auch wert!
Rauchen: Rauchen ist in der Bar Oorlam nicht gestattet.
Stammkneipen-Potenzial: Craft-Beer Enthusiasten und Amsterdam-Liebhaber werden hier bestimmt mehr als nur einmal auftauchen.
Bar Oorlam | Kohlhöfen 29 | Donnerstag-Freitag: 16.00 - 22:00 Uhr, Samstag-Sonntag: 12:00-22:00 Uhr | mehr Info
Für diesen Artikel wurden wir freundlichst von der Bar Oorlam eingeladen. Dies hat unsere Meinung nicht beeinflusst.