Heimaturlaub: Ein Wochenende im Hotel Bokel-Mühle

© Torben Brandt

Morgens, halb acht in Norddeutschland. Am Ufer vom Bokeler See ist die Welt noch so richtig in Ordnung. Man ist nach elf Stunden Tiefschlaf (ein Wunder, dass man überhaupt je wieder wach wurde) im Hotel-Restaurant Bokel-Mühle kurz vorm Sonnenaufgang aufgewacht. Und weil Morgenspaziergänge im Urlaub das Beste überhaupt sind: Los geht’s!

© Torben Brandt

Über dem Wasser hat sich dichter Nebel festgesetzt wie ein älterer Herr in seinem Fernsehsessel. Der Sommer hat doch noch aufgegeben und man sieht nicht nur den Atem aus dichten Schwaden in die Luft steigen, sondern wünscht sich jetzt sofort, Mitte Oktober, Handschuhe herbei. Die richtig dicken, die Fäustlinge mit Lammfell, die einem Playmobilmännchen-Hände machen.

Karpfen schnappen an der Oberfläche. Sie ahnen noch nichts von ihrem Schicksal: Am letzten Oktoberwochenende wird das Wasser des Sees abgelassen, ein Teil der Tiere wird für die Karpfenzucht in einem Becken gefangen, ein anderer verkauft. Es ist ein Riesenspektakel, „Wir hatten schon mal 20.000 Gäste hier!“, sagt  Rainer Ehrich, der das Familienhotel in fünfter Generation leitet, stolz.

© Torben Brandt
© Torben Brandt

Spektakelig ist hier grad mal gar nichts. Und das ist auch gut so. Enten schnattern und flattern hoch, als wir uns nähern. Weiter hinten schwebt ein Reiher durch den Nebel und landet irgendwo auf dem Feld. Der Festpavillon liegt stoisch am Ufer Die Sonne geht auf, erst ein paar leichtgelbe Farbfelder auf der Nebel-Leinwand, dann Goldsprenkel auf dem See, der Nebel verzieht sich und dann explodieren die Farben. Stellt Euch „Morgenstimmung“ von Peer Gynt vor oder googelt es, dann wisst Ihr, wie sich dieser Moment anfühlt.

Man drückt kurz den inneren Stop-Knopf und fragt sich, wann man sich zuletzt in der Stadt so gefühlt hat. Zutiefst entspannt und mit völlig freiem Kopf. Aber gut, nichts wie rein – man will ja das Hotel testen, nicht den See (für den Sommer oder Eisbader gibt es einen kleinen Strand, aufs Rudern wird ehrlich gesagt aus Faulheit verzichtet). Sofort das Kaminzimmer mit dem Frühstücksbuffet plündern? Man ist ja schließlich zwei Kilometer gewandert … Nee, weil sich auf dem Zimmer eine freistehende Badewanne befindet, aus der man direkt auf den See gucken kann, entert man erst mal die. Und fühlt sich dann wie Ernest Hemingway minus Whiskey und Zigarre.

© Torben Brandt

Auf dem riesigen Zimmer knarren die alten Holzdielen, ein altes Opernglas liegt auf dem Schreibtisch, überall hängen alte Familien- und Gruppenfotos aus vergangenen Zeiten, die Kissen auf dem Sofa sind aus alten Mehlsäcken genäht – und auch wenn sie ziemlich großzügig mit „Bokelmühle“-Logo bestempelt wurden, fühlt man sich, als wäre man aus der Zeit gefallen. Ansonsten spielt Zeit hier eher eine untergeordnete Rolle, aber das Frühstück will man natürlich auch nicht verpassen.

Alle Menschen, die hier arbeiten, sind höflich und haben den Gast im Blick, ohne aufdringlich zu sein. Ob man noch mal wie gestern hinten am Fenster sitzen und den frisch aufgebrühten Kaffee von gestern haben möchte? Und schwupps, schon wieder zwei Stunden rum, in denen man einfach nur im Zeitlupentempo gegessen und im Karpfenbuch über die Geschichte des Hotels geschmökert hat. Wie Neel Greve, Urgroßvater von Rainer Ehrich, 1880 den Zuschlag für die Korn-Wassermühle bekam und 1914 der Seepavillon zum Ausflugsziel für Sommergäste wurde. Eine Zeitmaschine, das wär's jetzt!

© Torben Brandt

„Nehmt doch noch zwei Äpfel als Wegzehrung? Ich suche euch mal unsere alte Landkarte raus“, sagt Hotelmanagerin Caroline Fuhrmann vor der Radour mit Leihrädern. „So richtig viel gibt es hier aber nicht zu sehen“, gibt sie zu. In der näheren Umgebung ist außer ein paar hübschen Reetdachhäusern, Pferdekoppeln und Feldern wirklich nichts Außergewöhnliches, aber auch das macht den Reiz für Stadtmenschen aus: Man hat nicht das Gefühl, etwas zu verpassen.

Am Abend dann Dinner im Kaminzimmer. Auch wenn man nicht hier übernachtet, ist die Bokel-Mühle einen Besuch wert, allein wegen der Karpfen-Küche. Es landet aber zum Glück kein ganzer Fisch (Karpfen Blau) auf dem Teller, sondern erstmal das „Bokeler Wasser“, Fischsuppe mit gebratenem Karpfen, einem Klößchen, einer Karpfen-Ravioli und einer Art Wan Tan, auch mit Karpfen drin. Als Hauptgericht gibt es natürlich Fisch, kross gebratenen Zander mit Rote-Bete-Risotto und Spinat.

© Torben Brandt

Nach fast zwei Tagen, fällt der Abschied schwer und man hat null Bock auf die City-Hektik, die einen gleich wieder erwartet. Das Hotel Bokel-Mühle im Kreis Pinneberg ist ein kleines Retro-Paradies – vor allem, wenn man Ruhe sucht und sich wirklich von nichts ablenken lassen will (ok, es hätte die Möglichkeit einer „Mallorca meets Oktoberfest“-Party im Nachbarort gegeben…). Und: Für das, was man bekommt, ist es ziemlich preiswert (in einem Flyer liest man von 10,00 Euro für Grünkohlessen…). Ein dringender Tipp: Vorher checken, ob nicht gerade mal wieder eine Hochzeit oder Familienfeier stattfindet, davon lebt das Hotel – und dann wäre ist mit der Ruhe natürlich vorbei…

Für diesen Heimaturlaub wurde wir freundlichst eingeladen.

Ringhotel Bokel-Mühle am See, Neel-Greve-Straße 2, 25364 Bokel | mehr Info

Zurück zur Startseite