Heimaturlaub: Ein Wochenende in der Bretterbude, Heiligenhafen
Ostsee oder Nordsee? Das scheint für viele ja ebenso ein Politikum zu sein wie die Frage nach St. Pauli oder dem HSV, dem einen ist die roughe Nordsee mit Ebbe und Flut lieber und den ganzen Inseln, der andere steht auf die ursprünglichere Natur mit Steilküsten im Osten. Ich sag mal so: Ich kann da links wie rechts, Hauptsache Wellen!
Diesmal soll es die Ostsee sein, es geht in die Bretterbude nach Heiligenhafen, noch recht neu (seit 2016 steht es am Rand vom Strand direkt an der Seebrücke), ist das Hotel für „Halunken“ und „Deerns“, wie man hier gern auf Hinweisschildern angesprochen wird, Kult. Es kommen aber nicht nur jüngere Semester, die hier kiten oder surfen wollen: „Die Bretterbude ist für alle da!“, sagt Katrin, die supernette Vize-Direktorin, zu Begrüßung. Tatsächlich sieht man entspannte junge Familien, ältere Paare und Studenten, die auf der Halfpipe im Foyer zeigen, was sie drauf haben. Man schnallt sofort: Wer auf Skaten, Surfen etc steht, ist hier genau richtig. Wer nicht, hat aber auch genug Raum oder Möglichkeiten, seine Zeit anders zu verbringen.
Von Hamburg fährt man die knapp 130 Kilometer nach Heiligenhafen am bequemsten, klar, mit dem Wagen (1,5 Stunden) oder auch direkt dem Flixbus (2 Stunden); mit dem Zug ist es auf die Spitze der kleinen Halbinsel Wagrien an der Ostsee in Schleswig Holstein etwas umständlicher: Über Lübeck steigt man in Oldenburg in Holstein oder in Großenbrode in den Bus – und braucht all in all mindestens gute drei Stunden, je nach Verbindung.
Tag 1 – Ankommen, Flanieren und ne Runde skaten
„Das Tolle an Heiligenhafen? Da gibt es nix!“ Okay, die Empfehlung eines Freundes klingt jetzt nicht gerade charmant, ist aber tatsächlich als Kompliment gemeint: Hier gibt es nicht viel, das einen am Runterkommen hindert, Heiligenhafen selbst ist ein unauffälliger Ort mit 9000 Einwohnern, den man in einer halben Stunde durchlaufen hat, es gibt kein Sylt-Protz, kein Gosch (okay: noch nicht, ist aber in Planung), in der off season sind sehr wenig Menschen hier, perfekt wenn man den Hamburger Alltag wirklich für ein Wochenende hinter sich lassen will. Touristisches Epizentrum sind tatsächlich die Bretterbude und das Beach Motel, ihre große, mondänere Schwester. Der Style der Bretterbude ist ungefähr so wie man sich einen Klischee-Surfer vorstellt: Chichi-frei, eher derbe stylisch, unangestrengt und alle Mitarbeiter flöten einem ihr herzliches „Moin“ nur so entgegen.
Die Wintersonne knallt, also erstmal Gepäck abladen und auf die Seebrücke latschen, ein 435 Meter langer Laufsteg mit Sonnenliegen und Kinderspielplatz, perfekt zum Flanieren und Abhängen, zumal man ihn am Freitag Mittag noch mit niemandem teilen muss. Das Wasser ist kalt und klar, von hier oben kann man Fische sehen, das Gekreische der Möwen ist dazu der passende Klangteppich.
Mal kurz ne Runde lässig sein
Nach dem Einchecken die Überraschung: Wie bitte, das Zimmer hat auch 'ne Halfpipe? In zwei Handgriffen lässt sich die Treppe zum Schlafbereich auf der oberen Etage abdecken und mit dem geliehenen Board gibt’s ein paar seeehr verhaltene Skate-Versuche – man will das WE ja nicht gleich mit Oberschenkelhalsbruch, grünblauem Steißbein oder so starten …
Es gibt neben normalen Zimmern (los geht's bei 39 Euro pro Nacht), größere Butzen mit einer Etage für den Schlafbereich wie dieser und Spezialbutzen, eingerichtet von Kooperationspartnern wie Viva con Agua: Die Butze repräsentiert die Auseinandersetzung von Künstlern aus der Hamburger Millerntor Gallery mit einem Wasserprojekt in Uganda (20 % des Zimmerpreises werden automatisch gespendet). Die Skate-Butze von skate aid ist eine kleine Wunderkammer – mit den Umbauelementen hat sie was Jugendliches, Dynamisches, gleichzeitig ist sie eine super Chill-out-Area (hell und mit Meerblick). Und auch hier spendet man: skate aid ist ein gemeinnütziger Verein aus Münster, der Jugendprojekte weltweit fördert, die Kids werden aufs Brett gebracht und in ihrer Identitätsbildung und Gleichberechtigung gefördert – auf spaßige Weise.
Heute im Programm: 50 Shades of Blue
Bereit für die nächste Runde: Noch ein kurzer Gang am Hafen vorbei nach Heiligenhafen City. Leider ist das hübsche Heimatmuseum in der Nebensaison geschlossen, man hätte gern mehr über Theodor Storms Aufenthalt hier gewusst – und einen ominösen Grabstein, den man vorhin am Meer gesehen hat, der aber nur Vornamen und Zahlendurcheinander zwischen 22 und 97 ausweist. Im Kino kommt auch nur „50 Shades of Grey 3 – Befreite Lust“, da zieht man sich lieber das befreiende Naturkino am Himmel rein – und dreht noch mal eine Runde am Meer, das einen echt anzieht wie ein Magnet. Nach meditativem auf-die-Wellen-schauen und ausgiebigem Nachmittagsschläfchen geht’s auf einen Fischburger mit Pommes in den Strandschuppen und ein paar Drinks in die Spelunke, die Bretterbudenbar. Seeluft macht nicht nur hungrig, sondern auch verdammt müde – also wieder ab in die Koje, GUTE NACHT!
Tag 2 – Wintermeer und Breakfast with a view
Wer um 22 Uhr platt in die Kiste fällt, ist zum Sonnenaufgang fit wie ein Turnschuh! Also wieder Meer, hatte ich schon erwähnt, dass die Nähe zum Wasser das eigentlich Spektakuläre ist? Der Strand ist was für Faule: Er ist ziemlich schmal und so ist man ruckzuck an den Wellen. Und dieses Licht erst! Nachts hat es geschneit und es hat doch immer wieder eine ganz eigene Magie, Schnee am Meer zu sehen, wenn der Strand eine Puderzuckerdecke vom Winter übergezogen bekommt. Bevor das Gesicht abfällt, die Ohren abbrechen oder man festfriert: Frühstück! Man lässt sich Zeit, der Meerblick ist einfach auch ziemlich lecker...
Wir haben uns das kälteste Wochenende diesen Winter ausgesucht, alle Wassersportarten fallen, höhö, ins Wasser – leider! Sonst könnten wir uns hier direkt Bretter und alles an Ausrüstung borgen. „Also Ihr könnt schon SUP oder Kiten, wir haben Neoprenanzüge“, sagt Katrin, „aber bei dem Wellengang ist es natürlich nicht unwahrscheinlich, reinzufallen, es sei denn man ist Profi.“ Kopf unter Wasser bei -3 Grad Außentemperatur? Nee, Danke!
Auf Roller oder Rad verzichten wir auch, es schneit grad wieder – und die Brise da draußen als steif zu bezeichnen, wäre die Untertreibung des Winters. Kleine Entschädigung, bei der einem auch schnell warm wird: Ein paar weitere Skate-Versuche auf der zimmereigenen Anlage und eine Runde Kicker unten in der Lobby. Später geht es Richtung Graswarder, das Naturschutzgebiet auf der Halbinsel, ein langgezogener Streifen, den man zumindest teilweise bewandern darf, vorbei an herrschaftlichen, reetgedeckten Ferienhäusern, in die man sich eins nach dem anderen verknallt! Hier im Sommer mit einem Sundowner und dem Lieblingsbuch zu sitzen – und einfach nur aufs Meer zu schauen und zufrieden zu sein, wie ein Kegelrobbe, die sich auf einem Felsen aalt.
Tag 3 – Tschüss, Auszeit!
Noch mal früh raus, noch mal Sonnenaufgang, wieso macht man das eigentlich zuhause in HH nicht öfter…? Das ist jetzt grad einfach die schönste Stimmung des Tages, alles wirkt noch so neu und unberührt. Anschließend ist man genau richtig durchgefröstelt für einen Gang in die Sauna und dann ein fettes Frühstück. Um 11 Uhr wird ausgecheckt, es empfiehlt sich noch mal eine stramme Wanderung zur Steilküste im Westen. Das sind zwar nur 2,5 Kilometer, fühlen sich aber bei eiskaltem Gegenwind, der einem gefühlt Dartpfeile ins Gesicht wirft, an wie fünf!
Der Leuchtturm ist zugegeben ein bisschen mickrig, dafür ist die Aussicht vom Ufer super. Jetzt schon zurück nach Hamburg? Nee, man hat doch gerade erst Blut geleckt und ist noch ganz high von der Luft hier. Also noch ein kurzer Abstecher nach Fehmarn, die Insel ist knapp 20 Kilometer weit entfernt und natürlich so groß, dass sie eine eigene Heimaturlaub-Episode verdient. Aber jetzt ist sie genau richtig für einen letzten Schneestrand-Spaziergang am Südufer – und eine Portion Pannfisch mit Bratkartoffeln im Landhaus Kröger (Breite Straße 10, Burg/Fehmarn).
Für diesen Heimaturlaub wurde wir freundlichst eingeladen von:
Bretterbude / Hotel Heiligenhafen / Seebrückenpromenade 4 / 23774 Heiligenhafen.