Frei von Sexismus: Die 29. Lesbisch Schwulen Filmtage Hamburg

© Salzgeber Filmverleih

Herausgeputzt und extravagant, hier und da vielleicht etwas zu viel Glitzer und einen Tick zu schrill. Ein solches Publikum, das zudem eine ausgeprägte Feierlaune mitbringt, ist auch auf Kampnagel nicht so häufig anzutreffen. Am Dienstagabend wurden hier mit 800 Zuschauer*innen und dem preisgekrönten kenianischen Lesbendrama „Rafiki“ die 29. Lesbisch Schwulen Filmtage Hamburg eröffnet. Ein Event, das im Terminkalender der queeren Community seit vielen Jahren dick angestrichen wird.

Etwa 15 000 Gäste besuchen das Festival jedes Jahr, das neben einem sehr großen Zuspruch von LGBTIQ-Personen inzwischen auch im gesellschaftlichen Leben unserer schönen Stadt etabliert ist. „Von Anfeindungen selbst habe ich bisher nichts gehört. In der Innenstadt mit den Festivalkinos bzw. auf der Schanze, wo sich unser Büro befindet, herrscht ein sehr tolerantes, uns zugeneigtes Klima, sodass wir von Widerständen bislang wenig erfahren haben. Natürlich gibt es auch negative anonyme Stimmen im Internet, aber die sind tatsächlich marginal“, fasst Aileen Pinkert ihre Eindrücke zusammen. Die 34-Jährige gehört seit drei Jahren zum vornehmlich ehrenamtlich arbeitenden Organisationsteam des Querbild e.V., das in diesem Jahr ein Programm mit je rund 60 Lang- und 60 Kurzfilmen an sechs Spieltagen auf die Beine gestellt hat. Finanziert wird das Festival neben den Ticketeinnahmen durch private Spender*innen des Push-up-Clubs sowie durch die Behörde für Kultur und Medien Hamburg. Inzwischen sind die Filmtage das größte und älteste queere Filmfestival Deutschlands – und eines der bedeutsamsten Europas.

© My Body is political, Alice Riff

Dabei spielen in Sektionen wie #mybodyispolitical und #wewontstop (um die Gleichbehandlung von LGBTQ-Personen) auch politische Ziele eine Rolle. „Der Kampf von Minderheiten ist nie zu Ende. Dieses Jahr haben wir mehrere Filme zu Trans-Identitäten aus Brasilien. Es ist das Land mit den meisten Ermordungen an Transgender-Personen und gerade im Zuge des aktuellen Wahlkampfes erreichen uns Hilferufe unserer Filmgäste, die nunmehr Angst um ihr Leben haben in dieser aufgeheizten Atmosphäre und sich kaum trauen, die Wohnung zu verlassen“, so Aileen. Im Programm findet sich dazu etwa der Dokumentarfilm „My Body Is Political“ von Alice Riff (Sonntag, 21. Oktober, 17.45 Uhr im Passage Kino). Und auch in Hamburg möchte das Festival für queere und Gender-Themen sensibilisieren: „Uns geht es um die Sichtbarkeit queerer Lebensformen und natürlich ist es unser Anspruch, politische Entwicklungen mitzugestalten. So haben wir die Initiative der Seebrücke für einen sicheren Hamburger Hafen für Geflüchtete unterstützt wie auch die ‚We’ll Come United‘-Demonstration gegen Rassismus“, so Aileen weiter. Das Festival will dabei auch Barrieren fernab der Sexualität abbauen. In diesem Jahr werden so viele Filme wie noch nie mit deutschen und englischen Untertiteln gezeigt, um möglichst allen ZuschauerInnen den Filmbesuch zu ermöglichen.

© Lutz Granert

Zwei Männer im Doppelbett?

Obwohl die internationalen, zuweilen auch in ungewöhnlichen Formaten erzählten Filme die Situation von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Transgender oder Intersexuellen über den ganzen Globus beleuchten, ist auch in Deutschland noch viel zu tun, findet Jan Künemund. Der 44-jährige Medienwissenschaftler und Journalist ist einer der drei Juroren dieses Jahr. „In Deutschland fühlt sich eine Gesellschaft tolerant, wenn sie den Eindruck hat, dass nun alle gleichgestellt und besondere Erfahrungen nicht mehr der Rede wert sind. Ich finde das einen falschen Weg. Hier fehlt ein kritisches Bewusstsein der eigenen Heteronormativität. Das beginnt schon damit, wenn ich beim gemeinsamen Einchecken mit meinem Freund im Hotel vom Rezeptionisten danach gefragt werde, ob wir wirklich in einem Doppelbett schlafen wollen. Er will nicht den Fehler begehen, zwei heterosexuelle Männer in ein Bett zu stecken, weil es in seiner Vorstellung das Peinlichste ist, was er sich gerade vorstellen kann.“

Jan Künemund, der gerade über Verbindungen von Queer- und Filmtheorie promoviert, lädt Interessierte zu einer kostenfreien Veranstaltung am Freitag ein. Um 15.30 Uhr beginnt im Metropolis Kino die Diskussion „Queer in Serie“ mit dem Thema, wie sich queere serielle Geschichten und Figuren im Laufe der Zeit verändert haben. Zumindest bei Netflix und Co. sind Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender entgegen der wahren Welt beinahe schon selbstverständlich im Mainstream angekommen.

29. Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg – Programm unter: www.lsf-hamburg.de

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