Clubs von gestern: Kleiner Donner (2013-2017)

© Kleiner Donner

Der Weg in den Untergrund unserer Städte, ihre Keller und Souterrains, gilt gern als sinnbildlicher Abstieg in die Düsternis der Nacht. Dorthin, wo es immer ein bisschen beklemmend ist und gruselig, wohin kein warmes Licht vordringt, weil die Mauern zu dick sind und die Sonne zu fern, wo kleine Kinder allenfalls an der Hand ihrer Eltern hingehen und bitte, bitte niemals nach Sonnenuntergang.

Selbst im popkulturellen Entertainment gelten Keller und Souterrains demnach bis heute als leicht verrucht, dreckig, ja ordinär. Kein Wunder, dass sogar der weltweit strahlende Mojo-Club notorisch als Höllenschlund bezeichnet wird, seit er unterm glitzernden Asphalt der Reeperbahn wiederöffnet wurde.

Herzkammer des Schulterblatts

Verglichen mit der heiligen Halle des eleganten Future-Jazz kam der Underground des Haus 73 im benachbarten Schanzenviertel da – trotz seines niedlichen Hörspielpferdenamens – erst recht diabolisch rüber. Er hieß Kleiner Donner und lag vier Jahre lang ein paar Meter unterm Schulterblatt, von außen betrachtet also schräg rechts der Roten Flora, quasi Herzkammer an Herzkammer mit der Halsschlagader des linksradikalen Hedonismus. Huiuiui. Bot dieser Laden etwa auch wieder bloß autonomes Krawallaroma für Szenevierteltouristen? War er wie so oft also nichts als marketingbewusster radical chic im vermeintlichen Feindesland des Kommerzes? Das war er. Und sein Gegenteil.

© Kleiner Donner

Als der zunehmend vielschichtige Veranstaltungskomplex 2006 relativ unvermittelt ins hochpolitisierte Quartier gepoltert war, hatten ihm die eventkritischen Hausbesetzer nebenan ja flugs den Krieg erklärt. Kommerz, Verflachung, Gentrifidingsbums, die üblichen Frontverläufe des örtlichen Kampfs um kulturelle Deutungshoheit halt. Sieben Jahre später aber sorgte der Kleine Donner hier spürbar für Befriedung. Der Darkroom vom Haus 73 nämlich bot nicht nur dem seinerzeit heimatlosen Molotow Asyl für ausgewählte Acts, sondern dem örtlichen Underground insgesamt. Vor allem einer Spielart, der es ausgerechnet in ihrer Hochburg Hamburg an einer ausdrucksstarken Location mangelte: HipHop.

Wie ein Bandenkrieg im Keller

Von Beginn an war er im Kleinen Donner von zentraler Bedeutung. Es gab auch saftigen Rock und reichlich Elektronisches. Aber erst der Sprechgesang machte den jungen Mikroclub rasch zur Institution. Und so füllte sein schlauchiger Bauch mit der winzigen, aber perfekt gelegenen Stirnseitenbühne jene Lücke, die auf den Ruinen legendärer Urahnen wie dem Powerhouse nie so richtig gefüllt wurden. Musikalisch ging es hier schließlich manchmal fast ebenso rau zu wie vor 30 Jahren, als sich St. Pauli zwischen Bandenkriegen und Markenbewusstsein kurz mal eigensinnig aufgebäumt hatte.

Kein Wunder, dass nicht nur die Anwohner zum Kleinen Donner kamen, sondern auch Touristen. Scharenweise sogar. Vom Gossen-Rap bis zum Massen-Trap wurde hier schließlich das ganze Spektrum des populismusanfälligen Genres vollzogen, und das von exzellenten, manchmal aber auch einfach nur unterhaltsamen DJs.

Doch die Auswärtsgäste zwängten sich letztlich gemeinsam mit ortsansässigen Besuchern durchs kleine Kabuff auf Straßenniveau ins Herz der Finsternis. Schulter an Schulter stauten sie sich an der ikonografischen Miniaturgarderobe und platzten von dort wie aus einer Presswurst in den holzgetäfelten Saal mit der viel zu niedrigen Decke und der viel zu vollen Bar. Im Atemluftmangel von allen für alle verschwamm jede Differenz. Und die Sache mit dem Kommerz? Dem Pop?

Tja…

HipHop ist und bleibt die profitabelste Musik unserer Zeit und auch dank ihrer Fähigkeit zur endlosen Stilverkettung eine der Quintessenzen des Pop. Natürlich wurde sie da auch im Kleinen Donner mit BlingBling und BangBang und einer Prise Straßenbandenbrutalismus für bis zu 200 Gäste verabreicht. Der räudigen Atmosphäre des Kellers konnte das indes selten etwas anhaben.

© Kleiner Donner

Schweißtreibender Bass mit Getränkekarte und Preisliste macht Menschen für ein paar Stunden manchmal gleicher als ein Punkgig mit Solibeitrag für Astra oder Mate. Auch deshalb hatte die Rote Flora mit dem Kleinen Donner stellvertretend fürs Haus 73 darüber eine Art Teilfrieden geschlossen. Seit es sich Ende vorigen Jahres plötzlich ausgedonnert hat, steht er allerdings wieder auf dem Prüfstand.

Schweißtreibender Bass mit Getränkekarte und Preisliste macht Menschen für ein paar Stunden manchmal gleicher als ein Punkgig mit Solibeitrag für Astra oder Mate.

Oberflächlich betrachtet kennzeichnet der Name des Nachfolgers zwar eine Art musikalischen Ausdruck. Wörtlich übersetzt heißt „Chambre Basse“ jedoch eher Untergeschoss als Kellerclub. Und serviert werden fancy Mixdrinks statt elaborierter HipHop. Das ist alles okay so weit; im Mojo gibt‘s gediegeneres Chichi, höhere Preise und mehr Touristen sowieso.

Aber Cocktailbar bleibt Cocktailbar, ein Kampfbegriff also, der auch in seiner robusteren Ausprägung vielem zuwiderläuft, was ein renitentes Viertel von sich und allen erwartet. Dass man ins Chambre Basse durch den Seiteneingang ins Höllenloch taucht, macht die oberflächliche Aufwertung des Angebots darin kaum besser. Dem Vernehmen nach läuft dazu jedenfalls kein Rap. Der ist also wieder mal auf der Suche. Leider wird der Platz über Tage zusehends eng.

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