Airbnböse – Ein Unternehmen gegen den Wohnraumschutz in Hamburg

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Das Sommermärchen, Ältere erinnern sich, hat vieles verändert. Weil sie sich bei der Fußball-WM im eigenen Land plötzlich seltsam offen, heiter, polyglott gezeigt haben, sah die Welt in den Deutschen bald keine griesgrämigen Blockwarte mit Gartenzwerg-Armee mehr, sondern irgendwie, nun ja, echte Menschen mit echten Gefühlen und echten Wohnungen. Die nämlich wurden 2006 erstmals flächendeckend für Auswärtige geöffnet – also nicht bloß im Rahmen der kreuzbraven Mitwohnzentrale für Facharbeiter auf Montage. Sondern auf Internetplattformen wie dem St. Pauli Tourist Office.

Im Lebensraum mit Amüsierzone

Dort hat auch meine WG im Lebensraum mit Amüsierzone damals Zimmer an Fußballfans aus aller Welt vermietet. Vier Wochen lang Nebenerwerbshoteliers, vier Wochen lang Fremdsprachen am Frühstückstisch, vier Wochen lang skurrile Typen im Bad wie jene vier Engländer, die ohne Ticket zum Spiel ihres Teams in ein Land kamen, mit dem sie sich gedanklich noch immer auf Kriegsfuß befanden – und auf einmal stellen ihnen da drei Eingeborene ohne Stahlhelm vier Begrüßungs-Astras vor den laufenden Fernseher und bitten zum gemeinsamen Private-Viewing bei steigendem Promillespiegel.

Seither hat zumindest dieses Herrenquartett mit Deutschland Frieden geschlossen. Und das Reiseziel Hamburg eine Art Unterkunft mehr, die Besucher herzlich willkommen heißt. Früher sagte man dazu Bed & Breakfast, heute eher Airbnb.

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Und damit wären wir beim Problem. Denn was zur seinerzeit noch ziemlich analogen Weltmeisterschaft ein Modell unmittelbarer Koexistenz war, bei dem Gäste und Gastgeber auf Zeit miteinander genächtigt, gegessen, gefeiert, gelebt haben, verunstaltet die kalifornische Zimmerbörse zügig zum individuellen Bereicherungsmodell auf Kosten der Allgemeinheit.

Mindestens 75.000 Angebote listet Airbnb allein zwischen Alster und Elbe auf. Wie viele es bei den anderen Anbietern von wimdu bis 9flats sind, kann man bislang nur mutmaßen. Nach Autos, Heimwerkerbedarf und Kräutergärten frisst sich die Sharing Economy also zusehends ins Allerheiligste unserer Existenz: die Privatsphäre.

Die Kluft zwischen Gesuch und Besitz

Doch was einst eine prima Idee war, um Leuten mit wenig Geld, aber großem Entdeckungsdrang den Aufenthalt in der Ferne so kostengünstig wie authentisch zu ermöglichen, ist längst zum neoliberalen Gentrifizierungsbeschleuniger mutiert. Die Vermieter auf Zeit zahlen nämlich nicht nur selten bis nie Steuern; besonders in den angesagten zwei Heiligenvierteln oder Altbauquartieren wie Ottensen und Eppendorf vernichten sie zudem dringend nötigen Wohnraum und vertiefen so die Spaltung zwischen Immobilienbesitzenden und -suchenden.

Volkswirtschaftlich betrachtet ist das angesichts von derzeit 14 Millionen Übernachtungen pro Jahr, die bis 2025 sogar noch um weitere 40 Prozent zulegen sollen, wohl zu verkraften. Soziokulturell hingegen sorgt die Verwandlung von Schlaf- in Gästezimmer auf einem zusehends hart umkämpften Mietmarkt für schwer angesengten Sprengstoff. Die Forderung des Hotel- und Gaststättenverbands gemeinsam mit der fremdenverkehrsfreundlichen Stadtentwicklungsbehörde nach einer Registrierung sämtlicher Airbnb-Vermieter bleibt da bislang noch symbolischer Natur.

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Radikaler gehen schließlich mittlerweile die heillos überlaufenen Hotspots in Spanien vor. Barcelona zum Beispiel plant, die Privatvermietung besonders belasteter Viertel künftig zu begrenzen, während sie Palma de Mallorca ab 1. Juli gleich ganz verbietet. Aber wären derlei Verbote für die tagestouristisch geprägte Destination Hamburg wirklich sinnvoll?

Spätestens wenn das Reeperbahn-Festival beginnt, suchen Independent-Fans hier wieder massenhaft Zimmer, die zu derlei Stoßzeiten selbst in billigen Budget-Hotels selten unter 100 Euro die Nacht kosten. Und auch sonst ist Hamburg bei allem Reichtum vornehmlich das Ziel junger Gäste mit schmalem Budget und Partybedarf.

Die Lösung am Tresen

Die Lösung kann also zunächst nur sein, das örtliche Wohnraumschutzgesetz zu ändern. Bislang erlaubt es die touristische Nutzung von Privaträumen bis zu einem Jahr, sofern maximal die Hälfte der Fläche vermietet wird. Bei 100 Prozent sinkt die Dauer zwar auf sechs Monate. Mangels Kontrollwillen lässt das allerdings enorm viel Spielraum für heimliche Verlängerungen.

Abgesehen von konsequenter Besteuerung, deren Papierkram bereits viele abschrecken dürfte, hilft also nur sozialer Druck. Kaum jemand hat ja was dagegen, wenn man sich mit gelegentlicher Untervermietung ein paar Euro dazu verdient und Menschen die Möglichkeit gibt, eine Stadt wirklich hautnah zu erleben. Wer Zimmer, Wohnungen, ganze Häuser allerdings dauerhaft untervermietet, vertieft den Graben, der sich längst durch die Innenstädte zieht. Und das muss man Airbnb-Anbietern auch unmissverständlich klar machen. Nicht per Denunziation. Lieber beim Astra. Und falls nebenbei Fußball läuft – umso besser. Der verbindet.

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