Zwischen Push-Mitteilungen, Prosecco und Nostalgie: Was ich gelernt habe, als mein Handy ins Klo fiel
Vor knapp drei Wochen fiel mir, am Ende meiner Barschicht, mein Handy in die Toilette. Der ein oder andere wird jetzt lachen, aus zwei Gründen: A. "Man ist die blöd. Das ist doch ein klassischer Anfängerfehler", B."Hihihihihi, die war auf Klo." (Ja, auch Mädchen müssen).
Erstaunlicherweise blieb ich seelenruhig. Alle anderen lachten. Na gut, war es jetzt eben kaputt – passiert. Immer das Positive sehen: kein Stress mehr bei WhatsApp, Tschüss Instagram und Telefon. Hallo Realität, hallöchen gute Gespräche und volle Aufmerksamkeit im Straßenverkehr.
Ich hatte mir wirklich, wirklich, wirklich fest vorgenommen endlich in den Genuss des so laut bejubelten Social-Media Detox zu kommen und das war die perfekte Gelegenheit.
Woche 1: Tag 1
Ich hatte mir eine Nummer auf einen Zettel geschrieben: die von meiner engen Freundin und Nachbarin Eylin – was sollte ich auch schon mehr brauchen? Während meiner Mittagspause saßen wir dann im Handy-Reparaturladen in der Schanze. Noch grinste ich, dann sagte der junge Typ hinter'm Tresen mir "für die Diagnose lassen wir uns gern 14 Tage Zeit". Vielleicht hatte ich mich doch überschätzt. Vierzehn ganze Tage – Halt, Stopp. Nicht an Tag eins schon schlapp machen. Ich gab mein Handy mit SIM-Karte ab und fühlte mich merkwürdig befreit.
Schon wenige Stunden und Prosecco-Gläser später sollte ich merken, wie gut es ist kein Handy zu haben: keine peinlichen Instagram-Storys und angesäuselte Nachrichten, für die man sich am nächsten Tag in Grund und Boden schämt. Na, läuft doch.
Woche 1: Tag 4
Das größte Problem, das ich eigentlich hatte, war es keinen Wecker mehr zu haben. Naja, was soll's? Ich werd schon wach – klappte spitze in der ganzen Zeit (bis auf einen kleinen Wochenendzwischenfall, wo ich um 18:30 meine Augen öffnete). Rückblickend war das vielleicht ein wenig verantwortungslos. Was mir wirklich schmerzlich fehlte: meine Musik unterwegs, Fotos verschicken und spontan meine Freund*innen schreiben zu können. Vorteil: ich sah sie sehr viel öfter in real, Verabredungen wurden weitaus unkomplizierter.
Außerdem erwischte ich mich dabei, wie ich am Laptop wieder Sätze wie: "bin dann mal off, muss los" gebrauchte und fühlte mich in ICQ-Zeiten zurück versetzt. Romantisch.
Donnerstag, Tag 4 war also fast geschafft. Aber es war Vizefreitag und das heißt für gewöhnlich Chaos und zwei, drei Drinks zu viel. Oh, oh.
Der Anfang vom Ende: Ein Prosecco zu viel und Eylins Handycode
Es ist ja nicht so, als hätte meine Freundin Eylin und ich auch nur ein einziges Geheimnis voreinander, aber dieser Abend sollte unsere Freundschaft zu einer ehegleichen Beziehung machen.
Denn nach gefühlt 456239 Gläsern Prosecco, warf ich meine edlen Vorsätze über Bord – und loggte mich über Eylins Handy sowohl in meinen Instagram und Facebook Account ein, speicherte meine Passwörter und lies Eylin in Zukunft mit Push-Benachrichtigungen bombardieren. And that boys and girls is real friendship.
Als ich am nächsten Tag aufwachte, versprach ich mir: "Das war ein einmaliger Ausrutscher! Es ist nur noch eine Woche und ein paar kleine Tage bis du dein Handy wieder hast (Ich Holzkopf dachte echt, ich kriege das Handy noch heile zurück) – das packst du." Schade nur, dass ich Samstag auf einem Festival mit Kollegin Anna einen Dreh hatte. Sie war mein nächstes Handy-Opfer. Zu jeder Sekunde schnappte ich mir ihr iPhone, um meine Social Media Accounts zu checken. Sie war genervt und ich enttäuscht von mir selbst.
Woche 2: Zwischen Enttäuschung, Dreistigkeit und Desinteresse
Mir war klar: Ich war offiziell ein Loser, der den Mund ein bisschen sehr voll genommen hatte. Mittlerweile nahm ich mir Eylins und Annas Handy mit einer Selbstverständlichkeit, als wären es meine Geräte. Eylin störte das glücklicherweise so gar nicht. Ich fühlte mich zunehmend ziemlich dreist. Ich hangelte mich von Tag zu Tag zu Tag und kam mir affig vor, wenn ich mal wieder nach einem der beiden iPhones griff. Warum denn auch? Na gut, mal schnell 'ne Story und ein, zwei Bilder posten, eventuell mal telefonieren.
Trotzdem: Ich war nicht genervt ohne mein eigenes Handy – eher entspannter.
Weil: Selbst wenn ich die zwei Wochen ohne Handy nicht durchgehalten habe, hing ich ausschließlich einen Bruchteil meiner "normalen" Handy-Zeit vor dem Bildschirm. Dadurch ist mir vor allem eins klar geworden, auch wenn's abgedroschen klingt: Einfach mal das olle Ding wegpacken, euch angucken und zu schätzen wissen und nicht ständig im Virtuellen leben. Das Leben spielt sich nämlich offline ab.
Hab ich es wirklich versaut und mal so überhaupt gar nichts aus der Zeit gelernt?
Klar, ich hab's nicht durchgezogen mit dem Detoxen, aber hab mein Bestes gegeben und trotzdem was gelernt. Ihr wollt wissen, was? Bitteschön:
- Dein Handy reißt dich komplett aus dem Hier und Jetzt, indem du ständig allen Menschen virtuell mitteilst was du tust, bist du nie im Moment.
- Dein Handy frisst deine Zeit durch das Abchecken anderer Profile, Storys gucken und, und, und.
- Du brauchst kein Handy – deine Freunde triffst du auch so. Versprochen.
- Du hast sehr viel weniger Stress und kannst dich mehr auf dich konzentrieren. Wenn nichts ständig neben dir bimmelt und du auf alle Probleme eingehen musst, rate mal was dann passiert: du bist sehr viel entspannter und hast mehr Kraft für deine eigenen Problem. Geil, oder?
- Dein Handy nimmt dir den Zauber des Moments. Ich habe selten so viele Leute spontan irgendwo, zufällig getroffen und bin mit ihnen ganz spontan mitgegangen auf 1-2 Drinks, wie in der Zeit ohne Handy. Stalken was jemand tut und wo er es tut, geht nämlich nicht ohne Handy. Da rollt das Leben einfach auf dich zu.
- Es kommt nur auf die Menge an. Ich hab mich auch nicht lumpen lassen, fremde Handys für meine Zwecke zu missbrauchen, aber und jetzt Lauscher auf: Die Zeit an diesen Handys war so kurz, dass ich dem gewohnten Social Media-, WhatsApp-Stress gar nicht mehr verfallen konnte und das Beste daran: Ich hab ihn auch nicht mehr. Ich ziehe mir nicht mehr ständig Insta-Storys rein bis mir die Augen endlich zufallen oder beantworte alle WhatsApp Nachrichten asap – sehr befreiend, wenn das Mitteilungsbedürfnis geschrumpft ist.
- Das Leben ohne Musik ist zum Kotzen.