Kim Frank im Interview – über seinen ersten Film, Hamburg und das Erreichen von Träumen

© Franzi Simon

Aus dem Milchschäumer pfeift heiße Luft. Jeder Tisch in dem kleinen Café ist besetzt. In der Bellealliancestraße in Hamburg-Eimsbüttel wechseln die Blätter bereits ihre Farbe. Trotzdem: die Sonne scheint. Einer der ersten Spätsommertage.

Hier treffen wir Kim Frank. Bis 2002 war er Frontsänger und Teenieschwarm der Band "ECHT". Heute, 16 Jahre und etliche Musikvideos später, hat er seinen ersten Film im Kasten – "WACH". Gedreht wurde er in Hamburg. Die Handlung, kurz und knapp: Zwei Freundinnen, Nike und C. entfliehen dem tristen Alltag der Plattenbausiedlung, indem sie versuchen so lange wach zu bleiben, wie sie können. Ohne Drogen.

Mit Kim sprechen wir über den Weg zum ersten Film, das Rauskommen aus dem Sozialbauviertel und wie lange er schon mal am Stück wach war.

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Sieben Jahre lang hast du versucht deinen ersten Film finanziert zu bekommen. Jetzt hat es geklappt – wie erklärst du dir, dass es ausgerechnet mit "WACH" funktioniert hat?

Mit WACH ging es wirklich auf einmal sehr schnell. Ich habe vor gerade mal zwei Jahren das Drehbuch geschrieben. Dann hat es ein bisschen gedauert, bis die entsprechenden Leute es gelesen hatten. Aber erst vor einem Jahr hatten wir unser erstes Meeting mit "FUNK" und dem "kleinen Fernsehspiel" und dann ging es auch schon los. Ich meine: zwischen dem ersten Meeting und der Veröffentlichung liegt jetzt genau ein Jahr. Ich habe keine Ahnung, warum es plötzlich geklappt hat. Das Drehbuch ist einfach in die richtigen Hände geraten. Und vielleicht auch wegen meiner Idee den Film auf YouTube zu veröffentlichen. Was für FUNK aber auch ein Experiment ist, die ja eigentlich auf Kurzformate spezialisiert sind. Wir werden sehen, ob ein längerer Film auch auf YouTube funktionieren kann.

Zu Erfolg gehört Glück, Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen. Ich meine, was hat man zu verlieren? Du kannst nichts verlieren. Das Schlimmste, was passieren kann, ist dass jemand von dir genervt ist. Und wenn er eh nicht mit Dir arbeiten will, ist das auch egal.
Kim Frank

Was war deine Motivation in den sieben Jahren nicht aufzugeben?

Ich hatte einfach ein klares Ziel: Filmregisseur werden. Durch die Produktion der Musikvideos habe ich viel lernen dürfen, aber mein Traum war es immer Filme zu machen. Was mir aber zu denken gegeben hat, war die Angst, dass sich Frust einstellen könnte. Ich kenne genug Leute, bei denen nach wiederholtem Scheitern der Frust eingesetzt hat. Das kriegt man dann nicht mehr raus, das überträgt sich auf die Arbeit. Doch ich war zum Glück noch nicht so weit. Auch letztes Jahr, bevor der erlösende Anruf vom ZDF und FUNK kam, war ich bereit, wieder etwas Neues zu schreiben.

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Die beiden Protagonistinnen des Films, C. und Nike sind zwei starke junge Frauen – wie hast du die beiden Schauspielerinnen gefunden?

Alli Neumann, die Nike spielt ist eigentlich Musikerin. Ich kenne sie, seit sie 16 ist, weil sie mit unserem ehemaligen Produzenten zusammenarbeitet hat und so haben wir uns immer mal wieder getroffen. Als ich vor einem Jahr im Studio war, um neue Songs von ihr zu hören, dachte ich: Sie muss Nike spielen. Aber Alli hatte gar keine Schauspielerfahrung. Wir haben uns über Wochen getroffen, viel geredet und geübt. Ihre Entwicklung war krass. Alli ist einfach ein Star

Die ideale Besetzung für C. zu finden war sehr schwer. Ich brauchte jemanden, der mit Allis Energie mithalten kann. Ich habe über 800 Showreels von Schauspieler*innen geguckt und entdeckte Jana McKinnon in dem Material von jemand anderem. Ich war sofort überzeugt von ihr und fing an sie überall zu suchen. Das Problem war: sie hatte weder Instagram noch eine Agentur. Sie war praktisch unauffindbar und das obwohl sie schon in mehrere Kinofilmen mitgespielt hatte. Eine Produktionsfirma hat dann den Kontakt hergestellt und das Casting mit Jana und Alli war magisch.

Du hast dich dazu entschieden den Film in Hamburg zu drehen und nicht beispielsweise in Berlin – Warum?

Es wird ja nicht gesagt, dass es in Hamburg spielt. Klar, wer sich in der Stadt auskennt, wird einige Orte wiedererkennen. Aber mir ging es vor allem darum zu zeigen, dass es Plattenbauten überall gibt. Egal wo – ob Großstadt oder Kleinstadt. Außerdem drehe ich sehr gern in Hamburg: die Stadt ist vielfältig, die Wege zwischen einzelnen Drehorten sind kurz und Hamburg ist ein freundliches Pflaster im Vergleich zu Berlin. Die Hanseaten sind noch nicht so abgefuckt von Dreharbeiten. Außerdem wollte ich einfach nicht den Berlin-Look haben. Egal, wie sehr du versuchst Berlin nicht nach Berlin aussehen zu lassen, der Vibe der Stadt überträgt sich. Hamburg ist da vielfältiger, du merkst nicht sofort, dass es Hamburg ist.

Die einzelnen Stadtviertel und Drehorte – wie hast du dich für sie entschieden?

Eigentlich wollte ich ein Viertel nehmen, was so aussieht wie die Sozialbausiedlung in der ich in Flensburg aufgewachsen bin. Das habe ich auch gefunden, nur leider hat sich das auf der Kamera nicht transportiert – es sah irgendwie zu normal aus. Der Pariser-Ghetto-Charme war mir aber auch zu viel Klischee. Den hätte ich beispielsweise gut am Osdorfer Born kreieren können. Ich habe mich stattdessen für die Siedlung in Kirchdorf Süd entschieden, die kannte ich außerdem von früher. Dort hat mal ein guter Freund von mir gewohnt – damals war das noch richtig gefährlich da. Jetzt ist es sehr friedlich.

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Nike und C. feiern gemeinsam eine wilde Nacht im Baalsaal. Wie bist du auf den Club gekommen?

Ich habe den Club ganz normal gescoutet. Gemeinsam mit Alli bin ich eine Nacht durch mindestens 15 Läden gezogen, um zu spüren, was für ein Feeling sie haben, wenn sie voll sind. Was für mich schon vor der Clubnacht klar war: ich wollte einen Kellerclub, der nicht zu groß ist und in dem bereits ein passendes Setting vorhanden ist. Beim Baalsaal hat einfach alles gepasst: Die Stimmung war genau die, die ich für den Film brauchte, die Location war vom Look ideal und ich muss sagen: das Team vom Baalsaal war einfach unfassbar nett und supportive.

Also gehst du selbst gern ab und an in Baalsaal?

Ich gehe eigentlich gar nicht mehr feiern, bleibe lieber zuhause, koche mit Freunden und trinke Wein. Meine letzte Lieblingsbar war das "GOLEM", aber das hat ja jetzt zu. In meiner Jugend bin ich gern in die "China Lounge" gegangen. Als sie noch neu war, war der Laden echt super: harte Tür und wilde Partys. Für Afterhours bin ich dann gern in "die Location" gegangen. Da hat der Schweiß von der Decke getropft und die gesamte Kiez-Szene war da und hat zusammen gefeiert.

Meine Clubphase war kurz und heftig
Kim Frank

Im Film heißt es, dass Likes zwar eine Sucht seien, aber immer noch besser seien, als sich kaputt zu saufen. Du hast deinen Film für YouTube gedreht – wie stehst du zu sozialen Netzwerken, fühlst du dich sicher in ihnen?

Ich fühle mich nicht sicher in ihnen, aber was ist schon sicher? Ich habe aber keine Angst vor Sozialen Netzwerken und bin auch kein Gegner. Lieber süchtig nach Likes, als sich kaputt zu saufen, ist tatsächlich meine Meinung. Trotzdem: das Thema ist so komplex, man kann das nicht so einfach herunterbrechen. Natürlich ist in der Vergangenheit nicht alles glatt gelaufen in den Sozialen Netzwerken, grad mit Hinblick auf Facebook, die es jetzt aber glaube ich nach z.B. Trump und Brexit auch verstanden haben, dass sie ihrer Verantwortung nachkommen müssen.

Was mich aber wirklich ankotzt, ist dass Erwachsene immer meinen auf unsere Jugend herabschauen zu müssen und ihre Probleme zu kennen: Instagram, Facebook und Pornhub. Ich glaube aber, das Problem liegt viel eher darin, dass wir den Jugendlichen nicht zuhören. Und vor allem, dass es doch wir sind, die ihnen den Planeten ruinieren. Erwachsene haben glaube ich oft Angst vor Sozialen Netzwerken, weil sie eben keine Digital Natives sind, selbst davon überfordert sind und meinen, das auch auf die Jugend projizieren zu können. Das ist jedenfalls in meiner Wahrnehmung falsch.

Wir sollten lieber schauen, was wir der Jugend hinterlassen und mit auf den Weg geben und nicht mit erhobenem Finger auf die Jugend zeigen. Wir ziehen die nächste Generation heran, nicht Instagram. 
Kim Frank

Du hast gesagt, du hättest das Drehbuch in fünf schlaflosen Tagen und Nächten geschrieben. War das, die längste Zeit, die du je wach warst?

Auch da habe ich aber zwischendurch geschlafen. Ich liebe schlafen. Auch im Club war ich eher der Typ, der hinten auf dem Sofa kurz eingepennt ist. Mehr als 32 Stunden am Stück war ich glaube ich nie wach.

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Man bekommt den Eindruck, dass dein Debütfilm fast sowas wie ein One-Man-Projekt ist – wie hast du dir dein Können angeeignet?

Ich hab bei WACH zwar viel selber gemacht: den Schnitt, das Casting, Locationscouting, die Farbabstimmung, Tonmischung, Regie, Produktion und das Drehbuch – das wäre aber nie ohne mein Team möglich gewesen. Das meiste habe ich mir eigentlich über Projekte, zum Beispiel meine Musikvideos beigebracht. Neben den Projekten habe ich mich viele Jahre bestimmt acht Stunden am Tag ausschließlich mit dem Thema "Film" beschäftigt. Da ich an der Filmhochschule abgelehnt wurde, war das sozusagen meine Form von Studium.

Das Internet ist übrigens ein klasse Ort, um zu lernen. Es gibt verschiedene Foren, in denen man z.B. Hollywood-Kameramännern seine Fragen stellen kann und die antworten dann persönlich. Aber Projekte und praktisches Arbeiten sind für mich das Wertvollste. Was bringt dir dein ganzes Wissen, wenn du es nicht anwenden kannst?

Auch du bist mit deiner Mutter und deinem Bruder in einer Sozialbausiedlung aufgewachsen. Genau wie Nike und C. wolltest du raus – wo genau wolltest du raus?

Eine Sozialbausiedlung ist eine sehr abgeschottete Welt. Alles wurde auf einen Schlag so pragmatisch wie möglich hingestellt und es lebt ein ganz bestimmtes Klientel von Mensch dort. Ich wollte einfach mehr, als mir suggeriert wurde, dass ich schaffen könnte. Ich wollte zwar nicht berühmt werden, aber einfach etwas anderes als das, was ich in der Siedlung hatte.

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Würdest du sagen, dass du es rausgeschafft hast?

Ja, das würde ich schon behaupten. Man darf das aber bitte nicht falsch verstehen: ich will niemanden abwerten. Ich finde es gefährlich, dass wir unserer Jugend beibringen, dass Mittelmaß – also das, was wir für Mittelmaß halten – nicht mehr reicht. Das stimmt aber nicht. Nicht jeder kann Chef werden und das ist gut so. Jeder ist genau so richtig wie er*sie ist. Ich glaube auch nicht, dass jeder die gleichen Chancen hat im Leben. Ich hatte damals Unterstützung, als ich aus der Siedlung raus bin – wer weiß, ob ich es ohne geschafft hätte. Es ist nur wichtig, dass wir uns alle immer wieder daran erinnern: Niemand ist falsch. Jeder ist gut so wie er ist.

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AB DEM 17. SEPTEMBER 2018 KÖNNT IHR WACH IM TV UND AUF YOUTUBE GUCKEN.

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