Hamburger Originale: Yobbo – die Tattoolegende

„Möchtest du einen Kaffee?“, fragt mich Yobbo breit grinsend, als ich am Samstagmittag das Black Hole-Studio betrete. Natürlich, möchte ich. Denn schließlich ist es Mittag und Samstag noch dazu, als ich in die heiligen Tinten-Hallen komme.

Die ersten Höflichkeiten sind ausgetauscht, ich haben einen Kaffee in der Hand und erhalte gleich einen Rundgang durch das Studio: Den Eingang mit den unzähligen Zeichnungen an der Wand – so stellen sich die meisten wohl ein Tattoo-Studio vor – lasse ich hinter mir. Dann geht es in den Studio-eigenen Zeichenraum, der in naher Zukunft für einen weiteren Tätowierer umgebaut wird und schließlich die beiden Räume von Yobbo und Chriss Dettmer.

© Ulf Blankenhagen

Letzterer hat das The Black Hole zu einer Art Hamburger Tattoo-Institution aufgebaut. Zunächst in der Margaretenstraße zu Hause, findet man es mittlerweile am Alsenplatz. Zu Zeiten, in denen Instagram-Follower noch nicht als Faustpfand für die eigene Relevanz galten, hatte Dettmer schon früh einen großen Einfluss auf die Hamburger Tattoo-Szene.

Für ihn wiederum war der Hamburger Tattoo-Pionier Christian Warlich eine Inspiration. Der oft als „König der Tätowierer“ Titulierte setzte schon im frühen 20. Jahrhundert Trends – technisch, aber auch visuell. Dettmer, der sich durch die Auseinandersetzung mit Warlich intensiver mit traditionellen Designs beschäftige, arbeitet derzeit auch aktiv für den Nachlass Warlichs mit.

Sorry for nerding out

Angekommen in Yobbos Studio, ziehen hier direkt die unterschiedlichsten religiösen Symbole meine Aufmerksamkeit auf sich. Buddhistische Gebetsfahnen hängen von der Decke und Abbildungen der Jungfrau Maria an der Wand. Ist man auf der Suche nach einem dieser neueren Tattoo-Studios, die von außen wie Modeboutiquen wirken, dann ist The Black Hole ohne Zweifel der falsche Ort.

Bevor in wenigen Stunden weitere Kunden, die extra aus Italien angereist sind, an die Tür klopfen, ist jetzt ein Freund von Yobbo an der Reihe. Doch die Vorbereitungen werden unterbrochen: Ein befreundeter Tätowierer interessiert sich für eine bestimmte Farbe, die Yobbo kürzlich verwendet hatte. „Sorry for nerding out“ liest er die gerade erhaltene Nachricht vor und schmunzelt dabei unübersehbar.

Ich bin für die Liebe nach Hamburg gezogen und habe mich dann in die Stadt verliebt.
Yobbo

Nachdem Motiv und Stelle ausgewählt sind, geht es nun ans Eingemachte: Nadeln und Farbe bereitstellen, die Liege präparieren. Währenddessen schwenkt unser Gespräch auf Hamburg, Deutschland, die Niederlanden und die ganz besonderen Unterschiede zwischen den doch sehr ähnlichen Kulturen: „Bei uns sagt man häufig 'Scheiß auf die Regeln!'. Das würde man hier niemals sagen“. Warum ist es dann doch Hamburg geworden? „Ich bin für die Liebe nach Hamburg gezogen und habe mich dann in die Stadt verliebt.“ Ein Satz, wie aus einer Marketing-Broschüre der Stadt. Nur als Model wäre Yobbo wahrscheinlich nicht ihre bevorzugte Wahl.

Es kann losgehen: Yobbos Freund lieg bereit, die Nadel surrt. Die kleine Scharmützel zwischen den beiden gehören für mich schon dazu: „Wir haben noch nicht mal angefangen und schon beschwert er sich“, sagt Yobbo grinsend. Halb zu mir, aber auch zu seinem Freund, der sich zuvor nicht ganz ernsthaft über seine Position für die nächsten Minuten monierte. Eine gute Atmosphäre. Yobbo sagt in einem ruhigen Moment passend: „Wenn der Tätowierer ein Arschloch ist, freut man sich hinterher weniger. Daher wollen wir hier auch keine sein.“

© Ulf Blankenhagen

Einen passenden Platz an seinen Körper für neue Tattoos zu finden ist schwieriger geworden. Wie war es bei seinem ersten Mal? „Tattoos erzählen deine Geschichte“, fasst er es zusammen, während er die Nadel kurz ablegt. Bei ihm ist es die der Rebellion. Mit 15, um es seinen Eltern mal so richtig zu zeigen.

Aus der anfänglichen Sturm und Drang-Haltung ist eine richtige Leidenschaft geworden. Als Tätowierer kommt man viel rum und „tauscht“ gern. Das heißt, man sticht sich untereinander favorisierte Motive. Da ist es klar, dass irgendwann fast der ganze Körper voll ist. „Aber ich stehe nicht auf und sage: ‚Schaut her, das sind meine Tattoos!‘“.

© Ulf Blankenhagen

Ohne Instagram geht es nicht

Inzwischen ist das Motiv fertig gestochen, gefällt Freund sowie Yobbo. Jetzt schnell noch eine Aufnahme für Instagram. Apropos: wie hält er es damit? „Es hat immer zwei Seiten“, beginnt Yobbo und schwärmt einerseits davon, wie gut informiert die Leute sind. Über die Künstler, Stile und all das. Doch wie bei der Musik war es doch auch auch schön, sich auf die Suche nach coolen Sachen zu begeben. So oder so: „Ohne Instagram geht es nicht.“

Vor der Verabschiedung sprechen wir über seine Zukunft. Kann er sich eigentlich vorstellen mit 60 Jahren noch Tattoo-Wünsche zu erfüllen? Da ist es wieder, dieses breite Grinsen: „Ich habe keltische Sprachen studiert – damit bekommst du keinen Job.“ Das stimmt wohl, denkt sich der ehemalige Germanistik-Student, und radelt davon.

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