Wir müssen reden über: deinen kreativen Job

© Allef Vinicius via Unsplash

Von allen Berufstätigen dieser Stadt arbeitet ein Fünftel in der sogenannten Kreativwirtschaft – ein formeller Zusammenschluss aller, die an ihren Laptops mit eingeschaltetem Gehirn Neues schaffen, was im Nachhinein in Geld umgewandelt wird. Überspitzte Formulierung, dennoch nicht unzutreffend. Dass Leute in dieser Branche arbeiten, will ich nicht mal anprangern – beruhig dich! Vielmehr geht es mir darum, dass einige dieser Menschen sich als Elite innerhalb der großstädtischen Gesellschaft sehen. Ein Plädoyer für mehr Empathie.

Ein Gespenst geht um in Hamburg. Das Gespenst des Kreativität. Er ist fast überall, schleicht sich in jedes Hirn, fast jede dazugehörige Hand und jede irgendwann eintretende Sehnenscheidenentzündung. Es ist kein Feind, schon gar nicht Angst-einflößend – nicht mal annähernd. Dein Begleiter, den du wie deinen besten Freund für selbstverständlich hältst – ohne den du nicht kannst und der wie ein Hund deine Aufmerksamkeit braucht. Ab und an bellt der Hund dir aber ins Ohr, dass Uschi an der Edeka-Kasse irgendwie gescheitert ist.

Dieser Begleiter ist mal freundlicher, mal weniger zutraulich. Wenn er da ist, wird er gerne gefüttert und motiviert. Doch warum schlägt er ab und an über die Strenge? Was unterscheidet dich von Uschi?

Wenn es einen Wunsch gibt, der innerhalb der Gegenwartskultur die Grenzen des Verstehbaren sprengt, dann wäre es der, nicht kreativ sein zu wollen.
Andreas Reckwitz

Du scheinst im Leben mehr erreicht zu haben, da dein Hirn dein Kapital ist. Du musst nicht um 04:30 Uhr aufstehen, um die Mülltonnen in Lurup zu leeren. Auch musst du nicht von 22:00 bis 06:30 den Nachtschalter der Tankstelle bedienen, um berauschten Kiezgängern noch eine verdammte Bifi zu verkaufen - nein. Was dir aber fehlt, ist die Wertschätzung für all jene, die dir den Rücken freihalten, dass du den Lebensstil halten kannst, dem du eben frönst.

Worauf schon Andreas Reckwitz im oben aufgeführten Zitat hinaus möchte: es gibt keinen Anlass anzunehmen, dass Kreativität und das eigene Glück Hand in Hand gehen müssen. Das Glück desjenigen, der im Beruf kreativ sein darf, kommt daher, dass er sein Talent tagtäglich ausleben darf. Was jedoch verkannt wird ist, dass ein Schreiner, Bäcker, und wahrscheinlich auch Uschi an der Kasse genau das mitbringt, was der Beruf verlangt: Hingabe und genau das richtige Händchen für das eigene Werk.

Was ich sehnlich vermisse, ist ab und an ein anerkennender Augenkontakt, ein herzliches "Ihnen auch", wenn Uschi dir einen schönen Abend wünscht oder keinen herabwürdigenden Umgang mit Tanja aus dem Burgerladen, wenn sie dir die falsche Pommes-Sauce bringt. Was weder nötig – ja noch nicht einmal möglich ist – ist der Blick nach unten – nach unten zu Uschi und Tanja. Auf Uschi und Tanja lässt es sich gar nicht Herabblicken, denn sie stehen direkt neben dir – haben sich nie unter dir befunden. Außer in deiner Vorstellung vielleicht.

Wen ich damit anspreche? Das musst du mir sagen. Wenn du dich hier irgendwo wiederfindest, dann hab ich einen Rat für dich: Zieh dir deine Schuhe an, gehe zum Supermarkt um die Ecke, kaufe dir dein Feierabendbier und beobachte dich selber. Ohne Uschi wärst du nämlich völlig aufgeschmissen.

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