Digitaler Rummelbums - Warum WhatsApp-Gruppen mich furchtbar nerven
Ich liebe das Internet. Dieses Etwas von dem wir wissen, dass es unendlich (an Freiheit, Möglichkeiten, Hass und Pornos) ist und von dem wir trotzdem nur sechs Seiten aufrufen (Facebook, Amazon, Netflix, Newspage des Vertrauens und Pornhub), weil diese Unendlichkeit auch so unendlich zu viel ist.
Gedankendurchfall auf meinem Sperrbildschrim
Wir fühlen uns regelmäßig überfordert von dieser Masse an Informationen und fangen an, unsere Internet-Geräte deshalb zu hassen:"Es wird mir alles zu viel, ich schalte das Scheissding jetzt auf Flugmodus.“. Am Monatsende lesen wir dann Artikel über „Digital Detox“. Verständlich, unsere Superhirne drohen uns einfach durchzubrennen, wenn wir beim Stuhlgang schnell mal lesen, dass in Syrien 20 Kinder bei einem Gasangriff kläglich umgekommen sind.
Umso unverständlicher ist für mich, warum wir uns diesem Gefühl zum Trotz in Whatsapp-Gruppen zusammenrotten und uns im Minutentakt mit allem zuballern, was gerade an gedanklichem Durchfall durch unser Hirn geistert.
„Hahahahahahahahahaha, wie geil“
Praktisch soll es sein, wenn man das Erlebte gleich an zehn seiner Freunde auf einmal schicken kann: „Ey, hier in Island sind die Alkoholpreise unfassbar teuer, schaut mal“(hängt Bild von Preisschild aus dem Alkoholregal an). Lustig soll es sein, wenn man den Unfall an Phil Laude-Bibi’s Beauty Palace-Parodie als Link an 20 Ex-Kommilitonen schickt und den Literaturpreis-verdächtigen Satz „Hahaha, hab mich voll bepisst“ anhängt.
Kommunikativ soll es sein, wenn man die Abendplanung zu viert in der „Team Karacho 500“-Gruppe bei WhatsApp in gerade mal 236 Nachrichten durchorganisiert. So richtig motivierend soll es sein, wenn man in der WhatsApp-Gruppe der Arbeit am Sonntag Fotos der Kollegen bekommt, wie sie gerade mit ihren Kleinkindern die erste Watttour machen, nur um dann anzuhängen, dass alle sich doch bis morgen mal Gedanken machen sollten, wie man das Thema „Watt“ und „Kinder“ mal wieder in einem spannenden Artikel nach vorne bringen könnte.
Bei dieser Kombination aus Message-Dauerfeuer, Schenkelklopfer-Humor und Arbeitsstress kann uns nur die digitale Sicherung durchbrennen. Insofern ist das Thema Digital Detox sicher ein wichtiges, das Handy jedoch wegzulegen ist erstens unrealistisch und zweitens auch nur ein Entzug auf Zeit. Der deshalb nichts bringt, weil die innere Entspannung durch Abgewöhnung nach drei Mal WhatsApp-Öffnen bereits wieder Menschenhass weicht. Doch es soll hier nicht ausführlich um Digital Detox gehen, damit hat sich die Autorin Bianca Mayer schon ausreichend befasst.
Ruf mich an, wenn’s wichtig ist
Rührselig über die ach so geile Zeit, in denen man sich noch mit seinen Geschwister um das Haustelefon gestritten hat zu schreiben, liegt mir fern. Weil ich erstens Einzelkind bin und zweitens Smartphones mag, weil sie praktisch sind und vieles einfacher machen.
Doch nur, weil ein paar Silicon Valley-Langweiler (im ernst, eine Nachrichtenapp, visionäre Erfindungen sehen anders aus) eine App entwickelt haben, die jeder nutzt, heißt das nicht, dass alles daran super ist. Es bedeutet auch nicht, dass sich jedes Mitglied der Gesellschaft 2.017 (ausgesprochen Zwei Punkt Null Siebtzehn) via Geburtstrecht darauf verpflichtet ist, an diesen Gruppenchats teilzunehmen. Sollte ich etwas verpassen, sei’s drum, denn wenn’s mal wirklich wichtig ist, dann bleibt immer noch die letzte Instanz: der, überraschung, klassische Anruf. Doch kaum einer nutzt den noch, weil der Gedanke, dass man alle die es angeblich betrifft ja diese eine Nachricht erhalten, einfach zu logisch erscheint. Stattdessen läuft der klassische Gruppenchat jedoch so ab:
Tobi: Hey, wer hat Bock, morgen einen trinken?
Jonas: Voll
Anna: Sry, muss arbeiten
Fabi: „Das Schlimmste, ist wenn das Bier alle ist!“
Tobi: Schade, Anna
Johanna: Geil, bin am Start
Anna: Ja voll, können wir nicht Samstag gehen?
Jonas: Ey beide Tage gehen klar bei mir
Fabi: Samstag kann ich nicht
Anna: Shit, ja dann ohne mich
Johanna: Ahhh Anna, voll kacke
Hannes: Bin am Start aber nicht wieder in den Laden von letztem Mal
(Hier habe ich den Faden verloren)
Tobi: :D :D Da kommen wir eh nicht mehr rein. Also wer ist jetzt morgen alles dabei
Jonas: Bier-Gif
Fabi: HIER! ….
Wer sich jetzt an seine schlimmste Gruppenarbeit in der 4. Klasse erinnert fühlt, dem geht es wie mir, denn auch an deren Ende stand viel Gelaber, zwei blaue Flecken - und eine rote 6.
Wie sollen Gruppen kommunizieren, ohne dass man dabei sekündlich Hirnzellen verliert?
Gar nicht? Auch keine Lösung, man will ja nicht als Mofo mit soziophoben Anwandlungen von Geburtstagsfeier-Listen gestrichen werden. Also habe ich ersteinmal die Notifitkationen auf meinem Sperrbildschirm deaktiviert. Mein Puls hat sich direkt um 20 Bpm gesenkt. Anschließend habe ich meine WhatAppGruppen nach größe gefiltert: Gruppen mit über 10 Teilnehmern, die ich nicht verlassen kann, auf stumm gestellt. Alle anderen ü-10er-Gruppen und solche, in denen passiv aggressive Nachrichten wie “???” versendet werden bekommen von mir nur noch folgende Nachricht:
"Marius hat die Gruppe verlassen"