Warum dein Thailandurlaub dich nicht zu einer interessanteren Person macht

© Marius Notter

Wer heute cool sein will braucht nicht nur Karten für ein Drake-Konzert, einen Smoothiemixer und eine 2-Zimmerwohnung Altbau, sondern auch den passenden Urlaub. 2017 muss es Asien sein. Destination: Japan, Thailand oder Kambodscha.
Japan (bzw. Tokyo) steht erst seit wenigen Jahren auf dem Plan vieler, von zu Hause gut mit Reisegeld ausgestatteten, 20er-Menschen. Wer diesen Trend losgetreten hat? Keine Ahnung. Vielleicht waren es die Cloudrapper, vielleicht aber auch die feschen Modedesigner oder aber der Kinderzimmertraum vieler Need For Speed "Tokyo Drift"-Zocker. Überbevölkerung, eine hohe Suizidgefahr von Jugendlichen und blinkende Werbetafeln.

Egal welche Art von Rucksackreisende du dieser Tage fragst, wo sie waren: Kambodscha (ausgesprochen Kambottschaa). Was haben sie da so gemacht? Na getravelled halt (bedeutet: überlebt, gevögelt, gesoffen). Warum Kambodscha im Trend liegt erklärt sich folgendermaßen: "Echt nicht so touristisch" (sprich: superbillig) und "Die Menschen dort sind so dankbar und nett" (sprich: die Armut ist noch dermaßen krass, dass ein Lächeln nur 21.000 kambodschanische Riel kostet).

"Du musst immer verhandeln!"

Reiseziel Thailand verlangt ein wenig mehr Sorgfalt. Der Grund: Ein so breites Spektrum an weißem, schwitzendem Publikum, dass es sogar schon den 60-jährigen Aussteiger aus Bergisch Gladbach nervt (wäre er nicht damit beschäftigt, 20-Jährige Thais zu schwängern).

Thailand hat das Prinzip "Backpacker-Tourismus" nicht nur verstanden, sondern perfektioniert. Ab dem Moment, in dem der 19-jährige Felix oder die 20-jährige Maike den Flieger in Bangkok verlassen, beginnt eine kleine Maschinerie zu laufen: Transport vom Flughafen in's Hostel, Zimmergenossen kennenlernen, auf der Kao San Road drei Eimer Caipi trinken, Coitus und am nächsten Tag geht's mit dem Minibus auf irgendeine Insel. Die Thais haben dieses scheinbar spontane System des Reisens schon lange durchschaut und liefern ein übergangsloses Entertainmentprogramm, das dem die Rucksackreisenden suggeriert, er würde immer selbst entscheiden, wo es als nächstes hingeht.

Dabei gibt es derart gute Preisabsprachen, dass Felix und Maike immer denken, es wäre alles super billig. Schließlich verhandeln sie ja mit jedem TuckTuck-Fahrer und essen nur "Street Food" (im Straßengraben geröstetes oder Fritiertes mit geschmacklosem Reis). Die am meisten gestellte Frage zwischen Reisenden ist deshalb: "Wie viel hast du für den Transfer von Bangkok nach Ko Chang bezahlt", nur um dann mit gespielter Bescheidenheit zu verkünden, dass man ja letztes Jahr nur 700 statt 1100 Baht gezahlt hat.

"Das war auf jeden Fall Liebe"

Verlässt man das Partydorf der Rucksack-Twenties und LSD-Fourties und fährt mit dem Klappermofa ein paar Buchten weiter, erwartet einen das andere Thailand-Klischee: Der weiße, dicke, 60+-Sextourist. Man muss nicht zwangsläufig alle 3sat-Dokus über Pattaya gesehen haben um zu wissen, dass dieses Phänomen existiert, ein Blick an die Hotelbar reicht. Dort sitzt der nette Horst neben dem dicken Ulli, zwischen ihnen sitzt eine mehrere Jahrzehnte jüngere Frau, niemand spricht. Horst und Ulli starren auf ihr Bier - sie auf ihr Smartphone. Frohsinn sieht irgendwie anders aus.

Bangkok ist meine zweite Heimat

Thailand ist definitiv ein schönes Land und sicher auch deshalb ein solch beliebtes Reiseziel. Die Ausmaße, die diese Touri-Masse jedoch angenommen hat, haben eine surreale Welt geschaffen, die vom Commonwealth-Tourismus der 20er-Jahre kaum zu unterscheiden ist. Weiße, privilegierte aus Europa, die scheinbar voller Ideale und Wanderlust in den Flieger steigen und doch offensichtlich vor irgendetwas davonlaufen. Egal ob Klempner, Koch, Rentner oder Langzeitstudent - die Geschichten, die sie erzählen, sind von ermüdender Gleichheit und nicht selten eine Bankrotterklärung an das Leben in den jeweiligen Herkunftsländern. Dort zurückgekehrt klingt jedoch alles wie ein dreimonatiger Traum und jede Anekdote soll suggerieren: Ich mag vielleicht hier steckengeblieben sein, in Thailand bin ich jedoch fast eine lebende Legende (die sogar zwei Einheimische kennt und drei Sätze Thai sprechen kann).

© Marius Notter

Realität? Nein, danke.

Wer bei diesem Theater keine Rolle spielt? Die Realität (Frau, Studium, Kreditraten). Deshalb können die Parallelwelten (Sex & Backpack) hier auch so friedfertig nebeneinander existieren. Sie eint der Wunschtraum, dass hier alles besser ist, als im grauen Deutschland/England/Norwegen. Außerdem schert sich niemand um sowas wie Alimente, Gesundheitsstandarts oder den Bierkonsum - endlich RICHTIG leben, ein Traum. Was die Thais davon halten? Keine Ahnung, aber die finden das super, schließlich lächeln die doch immer so nett (Wenn man ihnen einen Bündel Bath vor die Nase hält).

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