Schreien, Saufen, Singen - Warum ich Inas Nacht nicht ausstehen kann
„Ich muss da mit meiner Mutter hin, ich mach das nicht freiwillig“, sagt eine Freundin, als sie mir für Samstag absagt - weil sie stattdessen mit ihrer Mutter zum Ina Müller-Konzert geht.
Ina Müller. Wer ist diese Frau? Zuerst sprechen Olli Schulz und Jan Böhmermann immer wieder über sie, dann sehe ich plötzlich auf dem Weg zur Arbeit Plakate von ihr die Bauzäune säumen (Stichwort: Bauzaunplakatierung, Stuckrad-Barre-Leser schmunzeln jetzt), und schlussendlich stoße ich an einem sehr langweiligen Abend auf ein YouTube-Video von “Inas Nacht”. Natürlich habe ich davon schon gehört. Soll lustig sein, sagen die einen. “Ina Müller? Mega!”, behaupten andere.
Mich stimmt leider schon das kleine Vorschaubild auf YouTube skeptisch. Eine blonde, lachende Frau, mit weit aufgerissenem Mund. Daneben ein eingeschüchtert wirkender Casper. Die Szenerie in einem mild gelben Bar-Ambiente, im Titel darüber eine Aneinanderreihung von bekannten Gästen. Die Folge ist von 2011, vielleicht hat man das damals so gemacht, also klicke ich ihn an, den Link, der mich zum Shanty-Chor und dem „sagenumwobenen“ Schellfischposten bringt - mitten rein ins Getümmel.
Helene Fischer featuring Stange Marlboro
Ein wie aus den 80ern gerupftes Intro, natürlich von Ina Müller selbst eingesprochen, eröffnet die Fremdschamparade. Wie ein Dorfmädel, das sich gerade vier Fanta-Korn mit Koks-Topping um die Ohren geballert hat, schreit sie ihre Gäste mit ausdrucksvollen Worten wie „Heyyyyy“, „Ahhhhhh“, „Das sind ja meine ahhhhh“ an, bevor sie sich ab und an das Mikro krallt und Stücke performt, die an Inhaltsleere nur noch von ihren Biergläsern getoppt werden, welche sie im Laufe der Show wegbechern wird.
Ein Showbeginn aus der Hölle. Man möchte ausschalten, doch nein, heute ziehe ich mir mindestens zwei Folgen rein. Immerhin läuft die Sendung schon seit zehn Jahren. Irgendeinen Grund muss es doch geben, der das alles rechtfertigt.
Alkohol als Bindeglied der Gesellschaft
„Hallo ich bin Ina, wo ist denn mein Bier?“, wirft Lena Meyer-Landrut ein, als sie sich nach einem Duett mit Ina wieder zurück auf den Tresen setzt. Es ist sinnbildlich für “Inas Nacht”, dass hier offensichtlich die älteste aller Taktiken für Unterhaltung angewendet wird: Saufen.
Joko und Klaas haben diese Taktik perfektioniert, lange bevor sie zu Gast bei Ina waren, und selbst die beiden Quatschbananen fühlen sich sichtlich unwohl. Das mag zum einen an den dämlichen Bärten liegen, die sie sich zu Beginn ankleben müssen, zum anderen ist es einfach verdammt schwer, lustig und locker zu werden, wenn die Gesprächspartnerin Themensackhüpfen betreibt und scheinbar nur darauf aus ist, eine möglichst ulkige Darbietung von Klaas’ Frisierfähigkeiten zu inszenieren.
“Sind ja so viel Verrückte unterwegs, alle krank!”Ina Müller
“Die traut sich was!”, hört man immer wieder. Pustekuchen. Das Einzige, was Ina Müller sich meiner Meinung nach traut, ist immer wieder das Mikro in die Hand zu nehmen um nichtssagende Texte hineinzuraunen.
Harte Fragen, die sich sonst niemand zu stellen traut, das sei ein Merkmal von Inas Nacht. Ich frage mich, welche Fragen das sein sollen. Lena Meyer-Landrut "Wie ist denn das mit den Drogen?“ zu fragen, kann es nicht sein. Denn dass Lena “Ich bin total auf Kokain, schau wie meine Nase blutet” antwortet, ist so wahrscheinlich, wie von Lemmy “Davon lasse ich die Finger, Matcha ist mein Heroin” zu hören.
Interessante Antworten auf solch platte Fragen zu bekommen, ist bei abgeklärten Stars, die regelmäßig Inas Spelunke besuchen, völlig ausgeschlossen. Was wiederum darauf schließen lässt, dass es Ina Müller nicht darum geht, hier irgendwelche interessanten Gespräche zu führen, sondern sich selbst als besonders flapsige Tresenmutti darzustellen, die als Abgesandte des Suffpöbels mit den Stars saufen darf.
Hier platzen Träume
Der Shantychor mag von mir aus sehr kultig sein, für manche scheint es erstrebenswert, vor einer Kneipe im Kalten zu stehen und die Show im Inneren der Kneipe zu beobachten. Sicher schwingt da ganz viel nordisches Heimatgefühl mit, wenn man den Schellfischposten zur PrimeTime im Fernsehen sieht.
Doch die kultige Gaströte am Mikrofon macht aus dem wahrgewordenen Traum eines jeden Hobbytrinkers mit TV-Ambitionen einen Albtraum ohne Aufwachen. Durch sie wird aus “Ne Show in ner Bar mit lockerem Talk” ein möchtegern-proletarisches Theaterstück, in dem eine schreit, singt und zu lange laut lacht, während der Rest der Protagonisten gezwungen lächelt und säuft, weil das Ganze ansonsten nicht zu ertragen ist.