Ostern in der Provinz – bleib ruhig!

© Jason Ortego via Unsplash

Du hast vor Jahren die Reise angetreten und dein kleines Kuhkaff verlassen, um dein Glück in der schönsten aller Hansestädte zu finden. Grund war die Liebe deines Lebens, dein Studium oder die reichhaltige Pannfisch-Auswahl? Ist irgendwie auch egal, denn spätestens wenn das Christkind oder der Osterhase ruft, machst du dich wieder auf die Socken gen Heimat. Berge, Kuhweiden, Dorfdiscos und Böhse-Onkelz-Autoaufkleber? Ja – das alles gibt es vielleicht auch bei dir zuhause.

Familie ist Familie ist Familie

Wir bewegen uns steil auf Ostern zu und du überlegst, ob du dich zur jaulenden Junggesellinnenabschieds-Gesellschaft in den Flixbus setzt oder doch einen Kleinkredit für die Bahnfahrt aufnimmst. Während du realisierst, dass du dich für das Falsche entschieden hast, denkst du schon an dem anstehenden Osterbrunch mit der Familie und Onkel Hagen, für den es ok ist, wenn man Afroamerikaner noch „Neger“ nennt. Fremdscham wäre untertrieben. Du versuchst Tante Gisela im fünften Jahr in Folge zu erklären, dass du kein Fleisch mehr isst. „Letztes Jahr hat dir die Lammkeule doch so gut geschmeckt, mein Kind. Die Großstädter. Tstststs“. Ist schon ok. Du begnügst dich mit dem Gedanken, dass du ja nur 1-2 Mal im Jahr dort auftauchen musst. „Hör auf zu nörgeln“ sagst du dir. „Wenn Jesus sich ans Kreuz nageln lassen kann und es dann noch schafft, drei Tage später aufzuerstehen, dann schaffst du auch das hier!“

"Gin Tonic? Wir hätten Korn-Cola hier"

Warum den Abend nicht in einer der beiden Kneipen deines Dorfs ausklingen lassen und wieder ein paar alte vertraute Gesichter sehen? Hört sich gut an, Korn-Cola trinkst du in Hamburg zwar kaum, deine kulinarischen Ansprüche hast du aber bereits beim Brunch abgelegt. Also rein damit. „Was ist aus den ehemaligen Leuten aus der 9a geworden?“, fragst du dich. Leider wirst du das nicht erfahren, denn deine Freunde von früher fahren entweder über Ostern in die Großstadt oder berieseln sich mit ihren Kollegen von der Jungen Union in der Dorfdisco. Denn hier heißt eine Disko noch Disko und nicht Club und Gin Tonic ist hier – nun ja – eben Korn-Cola.

Alles richtig gemacht?

Du bist hin und her gerissen – was fühlst du? Neben den sich bereits ankündigenden Kopfschmerzen und dem düsteren Gedanken, genau diese morgen mit in die Ostermesse tragen zu müssen – ja, auf deinem Pass steht „römisch-katholisch“ und deine Eltern legen Wert darauf – fühlst du dich auch irgendwie gut. Nicht körperlich, aber seelisch. Denn tief in dir drin weißt du, dass du das irgendwie gebraucht hast. Nichts ist für dich so down to earth wie dein eigener dir vertrauter Heimatort.

Der pöbelnde Onkel und die tiefergelegten Opel mit fragwürdigen Heckscheibenaufklebern sind eben irgendwie auch Teil davon. Voller Vorfreude machst du dich wieder auf den Weg Richtung Norden, dieses wehleidige Gefühl will trotzdem nicht weichen. Du hast alles richtig gemacht, denn du hast das alles auch vermisst. Du wusstest es nur nicht mehr.

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