"Na, was hast du am Wochenende vor?“

Dalton Reed CC BY 2.0

Wann immer uns die Frage „Was steht bei dir am Wochenende an?“ gestellt wird, gilt: VORSICHT. Denn die Antwort auf diesen Satz ist an Bedeutung kaum zu übertreffen. Sie ist die verbale Falltür in der ersten Arbeitswoche, beim ersten Date oder beim Telefonieren mit deinen Freunden von früher.

Das Problem: Du kannst nur alles falsch machen. Vor allem, wenn du über 30 oder unter 25 bist (also gesellschaftlich als zu alt oder zu jung für quasi alles). Antwortest du "Heute Abend geh’ ich mit meinen Freunden mal wieder auf Tour", kann das zwei völlig unterschiedliche Dinge bedeuten. Bist du 23, denkt dein (älteres) Gegenüber: Schnaps, Club, Drogen, Kotze, Sex oder alles zusammen. Bist du 30, denkt dein (jüngeres) Gegenüber: Chardonnay, Jazz, Politik, Zukunftspläne, Altersvorsorge und eine Zigarette (geschnorrt von der armen Sau, die es immer noch nicht geschafft hat, mit dem Rauchen aufzuhören).

Achim und ich gehen Sonntag auch in diese neue Ausstellung

Wir, und damit meine ich ganz besonders uns fleißige Deutsche, denken immer die eigene Deutungshoheit sei uns via Geburtsrecht zu teil geworden ("Ich weiß wie das geht", "Ich weiß was du denkst", "Lass mich mal"). Dadurch entsteht in unserer Kommunikation vor allem dann ein klaffendes schwarzes Loch, wenn der Altersunterschied besonders gravierend ist (Nicht 16 versus 80, hier sind die Fronten klar: Saufen versus Arzttermin als Lebensinhalt). Hängt die 22-Jährige freitags und samstags nicht zugeballert mit ihrer Clique ab, dann hasst sie die ältere Generation (die leben gar nicht mehr ey, nichtmal geraucht wird mehr auf den Schulhöfen). Der endlose Schwall an Texten die Gründe liefern sollen, warum freitags zu Hause bleiben "OK" ist zeigt, wie groß die Verzweiflung der Jüngeren ist.

Wenn die 32-Jährige am Montag auf der Arbeit von der tollen Ausstellung in den Deichtorhallen erzählt, muss Team-U-25 brechen und Team-Ü-30 sagt: "Ach, da gehe ich Sonntag mit Achim hin". (Soll heißen: "Fuck, jetzt waren die schon wieder vor mir da“). Denn nichts scheint schlimmer als zuzugeben, dass man mit 31 Jahren den Sonntag immer noch verkatert Sushi in sich reinstopft.

Du weißt schon, dass Alkohol total ungesund ist?

Ja, jeder weiß das, sogar Jesus wusste das – hat er deshalb Wasser in einen Green Smoothie verwandelt? Nein. Leider erreicht das Argument Jesus heute kaum noch jemanden unter 40 (kein YouTube-Channel, keine geilen Social Cards, keine viralen Videos). Auch sonst scheint sich in der Gesellschaft der jungen Menschen eine Lagerbildung abzuzeichnen: Alkoholabstinent, vegan, sportlich vsersus Drink-Connaisseure, Feinschmecker, unsportlich aber dünn.

Beide Lebensweisen sind kaum miteinander zu vereinbaren – schließlich können sie nicht mal in die gleichen Restaurants gehen oder sich vor dem Club bei einer Zigarette kennenlernen. Ergo: Raucher ficken Raucher und die Avocado knutscht mit dem Seitanbratling aus Ottensen. Beide begegnen sich mit größtem Disrespekt und völligem Unverständnis für die Gegenseite. Die Frage, was am Wochenende so geht, wird dadurch zum Politikum („Die Veganer sind ja nicht mehr ganz richtig im Kopf“).

Feiern ist Krieg, das Sofa die Kapitulation

Klar gibt es Gründe, nicht mehr durch Bars und Clubs zu tigern. Kinder, leeres Konto, die Gesundheit (!!!), Alkoholismus in der Familie etc pp. Ebenso gibt es eine Vielzahl von Gründen dafür.

Das Sofa in Kombination mit Netflix funktioniert dabei als Totschlagargument, (so gemütlich, alle Serien da! Wirklich? Wow. Ciao.) schafft jedoch nur scheinbare Ausgeglichenheit. Denn wer wirklich ausgeglichen ist, der geht in eine Bar und haut sich eben nicht 18 Caipis (Hallo 19-jähriges Ich) rein, sondern zwei Negroni und geht nach Hause, wenn er müde ist. Wer das schon einmal ausprobiert hat, weiß, wie schwer das sein kann (ach komm, einer geht noch!).

So gepostet von der Süddeutschen Zeitung als Auszug aus dem SZ-Magazin. © Süddeutsche Zeitung

"Die wissen alle gar nicht mehr, wie man lebt!"

Und dann kommt die Generation Ü-40 und wirft das Argument in den Ring, dass ja Unvernunft auch was ganz Tolles sei und von Bowie bis Dietl sich alle schlapp (tot würde hier besser passen) lachen würden, könnten sie die vernünftige junge Generation vor sich sehen. Meinen die das ernst? Was würden sie sagen, wenn sie ihre Kinder plötzlich wieder im Krankenhaus abholen müssten, weil Komatrinken wieder Trend ist? Soll Bowie jetzt wirklich ein Vorbild sein, was den Konsum von Drogen betrifft? Wenn Bowie und Dietl Vorbilder sein sollen, wie kann sich unsere junge Generation dann noch rebellisch gegen alles Etablierte auflehnen? Indem sie sich dem Ausgleich statt dem Exzess verschreibt.

Stellt also wieder mal jemand kurz vor Feierabend die Frage, „Na, was hast du am Wochenende vor?“, sollte man sich bewusst sein, dass alles Gesagte gegen einen verwendet werden kann – und trotzdem besonders ehrlich sagen, was man macht.

Wenn Bowie und Dietl Vorbilder sein sollen, wie kann sich unsere junge Generation dann noch rebellisch gegen alles Etablierte auflehnen? Indem sie sich dem Ausgleich statt dem Exzess verschreibt.
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