Heimaturlaub: Klövensteen

© Alexandra Brucker

Das Wetter trieft und schnieft? Egal! Denn heute werden alle Weicheier gekocht. Ich mache den inneren Scheibenwischer an, schnüre die Stiefel, ziehe die Plüschmütze übern Kopp.

Ein Blick auf die Wolkendecke, ein Stoßgebet an meine private Wetter- und Wohlfühlfee: „Ich hätte gerne 60 Kilo Tiefenentspannung, zwei rote Backen und eine Prise innere Wärme. Bitte!“ – „Nichts leichter als das“, grinst die Wohlfühlfee, schnalzt mit der Zunge und setzt mich in die S-Bahn Richtung Wedel: „Voilà. Beehren Sie mich bald wieder, Mademoiselle“. Und weg ist sie. Die Bahn fährt mich direkt ins Herz eines herrlichen Herbsttages – zum Wildpark Klövensteen.

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Klövensteen: Willkommen im Wood Wide Web

Ich sitze in der S-Bahn und fahre also in den Westen. Westlicher geht’s wirklich nicht mehr. Das Wildgehege Klövensteen liegt direkt an der Grenze zu Schleswig-Holstein. Die schleswig-holsteinische Luft riecht lecker. Ich würde gerne reinbeißen, während ich durch den Wald zum Park schlendere. Wieso wurden bisher keine Laptops mit Riechfunktion erfunden? Es würde mir die Schreibarbeit erleichtern: World Wide Web aus, Wood Wide Web an. Geruchs-Button drücken und schon wären alle überzeugt, dass Klövensteen der perfekte Ort für einen September-Spaziergang ist.

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Wie durch Zauberei würden die Wohnzimmer von Altona bis Bergedorf, von Harburg bis Wandsbek nach Moos und modriger Erde, Tannenzapfen und Rinde riechen. Es könnte auch gleich das sanfte Herbstlicht durch den Bildschirm schimmern und die glasklare, würzige Luft plötzlich als Überraschungsgast durch den Raum flattern. Wurde aber alles noch nicht erfunden. Schade, schade, schade. Also hievt eure Hintern aus der Couch und zieht euch warm an. Denn für diesen Heimaturlaub lohnt sich jedes Ächzen und Krächzen, Bewegen und Regen. Ich bin am Eingang des Wildparks angekommen, stemme dessen schwere, dunkle Holzbarriere auf und betrete Klövensteen.

Station 1: Wettstreit mit dem Bubo Bubo

Eine Eule erwartet mich. Ihre Holzaugen sind auf die zwei ersten Gehege gerichtet. Deren Bewohner schlafen gerade den Schlaf der gerechten Frettchen und Waschbären. Ich schaue mir die Holzeule und ihre weiteren geschnitzten Tiergefährten genauer an und spaziere daraufhin direkt zur Uhu-Voliere.

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Hier werde ich nicht enttäuscht: Ein Bubo Bubo sitzt stoisch auf einem Baumstamm und starrt mich an. Nein, ein Bubo Bubo ist kein neonpinker Kaugummi oder der neueste Kurkuma-Kürbis-Kohlrabi-Mate-Drink, sondern ganz einfach die lateinische Bezeichnung für einen Uhu. Bubo Bubo und ich – wir starren uns also an und ich verliere den Wer-blinzelt-zuerst-Wettstreit.

Station 2: Wenn Bäume Selfies machen

Am See mache ich die nächste Rast. Die Bäume spiegeln sich im Wasser. Der Sommer war kurz, die Sonne eine launische Diva. „Alles halb so wild“, denke ich, während ich das kunstvolle Blätterspiegelbild und Naturselfie betrachte. Denn jetzt kommt eine Jahreszeit, auf dessen Unbeständigkeit ich mich stets verlasse.

Wieso hat der Herbst bloß einen so irreparablen Imageschaden? Jeder Herbstbaum zeigt uns doch, wie es richtig geht. Er lässt seine Blätter los und sachte trudeln sie zur Erde. Genau das dürfen wir jetzt auch: fallen und uns fallen lassen. Ich schlendere weiter und heiße die ungeliebte Jahreszeit glücklich willkommen. Moin Herbst-Blues, lässt du heute die Blätter für mich Boogie-Woogie tanzen?

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Station 3: Wie die wilden Schweine grunzen

Die Blätter wollen heute nicht so recht tanzen, kalendarisch hat der Herbst ja auch noch gar nicht begonnen. Beherzt übernehmen diese Aufgabe deshalb heute andere Klövensteen-Bewohner für ihn. Das Ergebnis sieht allerdings nicht nach leichtfüßigem Boogie-Woogie aus, sondern eher nach einem sinnlichen Matsch-Tango. Genüsslich schubbert das erste Wildschwein an einem Stein, das zweite wühlt mit sichtlichem Vergnügen mit der Schnauze im Schlamm. Zwei junge Eber grunzen sich angriffslustig an und suhlen sich kurz darauf gemeinsam im grünen Tümpelwasser.

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Es kommt ein dickes Zentnerschwein dahergetrottet, lässt sich in eine Matschgrube fallen und fläzt sich in der Sonne. Die Frischlinge oinken aufgeregt und hüpfen überglücklich über diesen Traumschlamm. Ohne Zweifel, ich bin im Paradies der Ferkeleien angekommen. Wo die wilden Schweine wohnen, gilt das weise Motto: grunzen und grunzen lassen. Das versaute Glück steckt an und nicht nur die Kinder quietschen vor Freude auf, als die nächste Schlammkampagne losgeht.

Station 4: Wo die Hirsche klönen und der Teufel klövte

Nachdem die Wildschweinfamilie alle meine Alltagssorgen und den Büroballast im Schlamm verbuddelt hat, kann auch ich genüsslich auftanken. Ellenhohe Baumriesen verwandeln sich hierfür zu meinen übergroßen Energieakkus. Von weitem erspähe ich Rehe und Hirsche. Während ich die große Wiese ansteuere, auf dem sich das Damwild tummelt, kommt mir die Legende dieses Ortes in den Sinn:

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Der Teufel persönlich war der Sage zufolge einst im Klövensteen unterwegs. Dort stritt er sich mit einem Jäger um einen großen Findling. Weil sie sich nicht einig wurden, spaltete er den Stein in seiner Wut. Er „klövte den Steen“ – und gab so dem großen Waldgebiet im Hamburger Westen seinen Namen. Von so viel Missmut ist beim Damwild nichts zu spüren. Hier wird eher geklönt als geklövt. Auch diese Tiere leben nach einem klugen Mantra: grasen und grasen lassen.

Station 5: Wenn das Schnaakenmoor duftet und das W(ald)-Lan funktioniert

Vom Wildgehege aus führt ein Weg zum Schnaakenmoor. Im Moor sind Frösche, Libellen und Kreuzotter zu Hause. In den Sommermonaten wachsen hier auf den morastigen Böden Torfmoose und Wollgras. Wer in östlicher Richtung weiterspaziert, erreicht die Pony-Waldschänke. Dort können sich Familien mit Kindern ein Pony für einen Ausritt durch den Wald ausleihen. Mein Ziel ist heute allerdings nicht der Reiterhof, sondern der Waldspielplatz.

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Zu meiner Rechten liegt der Klövensteen mit seinem Mischwald aus Kiefern, Fichten, Buchen und Eichen. Zu meiner Linken schlummert das Moor. Der Boden duftet jetzt noch stärker, das Licht bricht sich in grünen Kronen, mein Blick geht abwechselnd in die Weite und wandert zurück in die Nähe. Aus dem frühherbstlichen Wald dringt zeitweise eine Stille, die sich wie ein beruhigender Arm über alles legt. Ab und zu krächzt ein Eichelhäher. Durchs Gebüsch dringt Kinderlachen. Drei Ponys hoppeln an mir vorbei.

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Tiefenentspannt und mit warmen, roten Backen erreiche ich meine Endstation, den Waldspielplatz. Hier wird genauso fröhlich und ausgelassen gequiekt wie im Schweinegehege. Ich muss grinsen. Die Maxime gefällt mir: spielen und spielen lassen. Eines muss ich wirklich sagen: Die Drahtlosverbindung in diesem Wood Wide Web funktioniert einfach tadellos.

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So kommt ihr hin: Zum Klövensteen gelangt ihr mit dem HVV. Mit der S1 Richtung Wedel fahrt ihr vom Hauptbahnhof aus 36 Minuten bis nach Rissen. Dort spaziert ihr auf dem Sandmoorweg 20 Minuten bis zum Haupteingang des Wildgeheges.

Über die Sülldorfer Landstraße düst ihr bis zum Bahnhof Rissen, dort könnt ihr parken und losspazieren. Für weniger gehfreudige Menschen befinden sich auch Parkplätze am Haupteingang des Wildgeheges.

Das kostet der Spaß: Nichts, außer dem HVV-Ticket. Der Eintritt ist kostenlos!

Unbedingt einpacken: Kinder, die gerne Grunzgeräusche von sich geben und Erwachsene, die es ihnen lachend nachmachen. Wahlweise natürlich warme Kleidung, festes Schuhwerk sowie Essen und Trinken. Die Waldluft macht hungrig! Bei der kleinen Waldschänke am Eingang des Wildparks können sich Abenteurer ebenfalls stärken. Wer nicht zu Fuß gehen oder mit dem Pony reiten möchte, kann natürlich auch den Drahtesel satteln. Mit seinen rund 580 Hektar ist der Forst Klövensteen ein Traum für jeden Mountainbiker!

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