Hamburger Originale: João, der Milchschaum-Picasso

© Ulf Blankenhagen

Voll ist es, als ich am Vormittag unter der Woche das Black Delight betrete. Die Wartenden schlängeln sich bereits um den großen Tisch, der die Mitte des Raums teilt. Auf einem der Hocker an diesem nehme ich erst einmal Platz und beobachte das Geschehen.

João räumt gerade die Tische vor dem Black Delight auf. Nur wenig später steht er mit seinem vollbepackten Tablett hinter mir. „Stress?“, frage ich ihn im Vorbeigehen. „Ach, nee. Stress …“, entgegnet er mir mit einem Lächeln. So als wolle er mir sagen, dass dieses Wort für ihn nicht existiert. Kaum ist er hinter dem Tresen verschwunden, scheint er in seinem Element. „Was kann ich für dich heute tun?“, fragt er den ersten Kunden in der Reihe. Als müsste er es mir direkt beweisen, unterhält er sich trotz der Schlange mit ihm über die Hochzeit eines Freundes, tänzelt von der Mühle hin zur Siebträgermaschine. All das wirkt geschmeidig, fast wie eine Choreografie. Einzig das Hämmern, um den alten Kaffeesatz zu entfernen, stört etwas dieses Bild.

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Wenn es richtig stressig ist, kann ich am besten arbeiten.
João

„Hast du das gemalt?“, möchte die nächste Kundin wissen, während sie auf das gezeichnete Logo des Black Delight zeigt. Ein Vogel, der sich in ein Nest schmiegt. João muss hierüber schmunzeln, „Ich kann doch nur mit Milch zeichnen.“ Nach dem Ansturm ist mittlerweile etwas Ruhe eingekehrt. Für João haben die Deutschen etwas von Ameisen: Kommt eine, kommen plötzlich alle. Während ich hier sitze, erahne ich was er meint.

Über die Frage nach der Zeichnung muss Stammgast Hans immer noch lachen: „Bestimmt nur weil du lange Haare hast, João. Sonst hätte sie dir die Frage nicht gestellt.“ Zwischen den beiden entwickelt sich so etwas wie ein Fachgespräch. Der Fokus liegt auf Eintauch-Thermometer. Zehn Sekunden können für einen Kaffee eine Ewigkeit bedeuten, weiß João. Hans hört interessiert zu. Schließlich kann man von einem Profi immer etwas lernen.

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Wenn ich weiß, dass mir etwas nicht schmeckt, dann lasse ich es.
João

Bei all dem Wissen, kann er da überhaupt entspannt einen Kaffee trinken gehen? „Das ist schon schwierig“, beginnt er zu erklären. „Man schaut immer, was sie anders machen und was man für sich mitnehmen kann. Mit meiner Frau ist es schwierig normal Kaffee trinken zu gehen“. Und im Urlaub? „Da nehme ich mir immer alles mit. Von der Aeropress, zur Handmühle und Filter.“ João muss mein erstauntes Gesicht bemerkt haben und ergänzt: „Das ist mein Dilemma. Ich trinke Kaffee nur, wenn ich weiß, dass er mir auch wirklich schmeckt.“

Woher kommt denn diese Leidenschaft?

Woher kommt denn diese Leidenschaft für diese kleinen schwarzen Bohnen? Für João begann es mit seiner Reise nach Hamburg. Zuvor, so João, hat er die Hälfte seines Lebens schlechten Kaffee getrunken. In Portugal, dort ist er in einer Kleinstadt im Norden des Landes aufgewachsen, genießt man die „Bica" mit viel Zucker. Für einen Barista wie João natürliches ein absolutes Unding.

Auf und nach Hamburg kam er 2000 über seine ältere Schwester, die bereits eine Weile hier lebte. João, frisch aus der Schule, wusste nicht so recht wohin er wollte. Der Klassiker. Bei einer Sache war er sich sicher: In Portugal wird er keine Chance haben.

„Innerhalb einer Woche habe ich in Hamburg so viele neue Menschen kennengelernt. Das hat mich begeistert.“, erzählt João immer noch mit großen Augen. Verschiedene Kulturen, eine ganz andere Form des Zusammenlebens, die Clubs und der Kiez, all das hielt ihn hier. Seine erste Station – Hamburg –
wurde somit auch die letzte.

Noch lange nicht abgeschlossen war damit jedoch seine Geschmacksreise zum guten Kaffee. In einem Restaurant am Rande Hamburgs durchlief er die klassischen Stationen: Service, Service und noch mal Service. An das Black Delight war da nicht zu denken. Erst ein Lieferant, selbst Home Roaster, brachte ihn auf den Geschmack. „Ab da habe ich das erste Mal geahnt, was guter Kaffee ist.“

Hiervon begeistert durchstöberte er das ganze Internet, schaute sich Latte Art-Tutorials auf YouTube an. Die ersten Tulpen wurden gezeichnet. Nur mit Milch, klar. Später wechselte er zu der Hamburger Rösterei Caligo, tauchte tiefer ein und erfüllte sich so seinen kleinen Traum.

Kaffee hat mir beigebracht bewusster mit Dingen umzugehen.
João

Nun ist er im Black Delight angekommen und kann hier seine Leidenschaft ausleben: guten Kaffee. Alles eitel Sonnenschein ist hier auch nicht: „Das Problem ist die eigene Konstanz, immer einen guten Shot zu ziehen.“, gibt er sich selbstkritisch. Doch neben der Qualität des Shots, des Kaffees, steht der Austausch mit den Kunden. Wenn man da mal mit einem falschen Bein aufsteht, leiden andere darunter. Das beste hieran: am nächsten Tag oder oftmals auch in der nächsten Situation kann man alles wieder besser machen. Denn das schönste für João ist: „Alle kommen zu dir. Theoretisch musst dich nicht mehr auf die Suche machen.“

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Es stimmt wirklich. Vom jungen Werber bis hin zur Oma von nebenan, wenn es in einer Stadt wie Hamburg noch das Klischee vom Mehrfamilienhaus gibt, hier würde es wohl am ehesten zutreffen. Wie auf Bestellung unterbricht auf einmal Frank, ein Fotograf aus Los Angeles, unser Gespräch und möchte uns sein Buch zeigen. Ein wichtiger Fokus seiner Arbeit: Kaffeetassen, die er seit über 20 Jahren aus allen Winkeln und in unterschiedlichen Situation ablichtet. Das Black Delight sei wirklich ein perfekter Ort um Fotos zu machen, versichert er mir. Das stimmt, aber nicht nur deswegen.

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Black Delight | Eppendorfer Weg 67 | Montag - Freitag: 08:00-18:00 Uhr, Samstag - Sonntag: 10:00-17:00 Uhr | mehr Info

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