Glaube, Liebe, Hamburg: Home is nun mal where your heart is
Seit fast einer Stunde finde ich keinen halbwegs erträglichen Radiosender mehr – ein untrügliches Indiz dafür, dass Hamburg nicht mehr weit sein kann. Und tatsächlich, gerade als Ed Sheeran zum 23. Mal seine Galway-Eroberung besingt und ich kurz davor bin mein Autoradio dem A7-Standstreifen zu spenden, tauchen die Hafenkräne am Horizont auf. Getränkt in das dramatische Feuerrot eines Oktobersonnenuntergangs.
Kein Zweifel, wer beim Anblick von den Hamburger Hafenkränen im Sonnenuntergang keine feuchten Augen bekommt, der hat kein Herz. Meines machte auf jeden Fall in diesem Moment einen riesengroßen Satz. Denn es ist soweit. Heute ziehe ich nach Hamburg.
Vermisst du Hamburg?
Rein in den Elbtunnel, raus aus dem Elbtunnel. Wie auf Kommando fängt es an zu schütten. Herzlich willkommen, das Klischee lebt. Ich nehme die erste Abfahrt und brauche keinen Navi, um mich durch die verwinkelten Einbahnstraßen Ottensens zu schlängeln. Denn heute ziehe ich nicht einfach nach Hamburg – ich ziehe zurück.
Vor etwa neun Monaten habe ich mich mit einem ähnlich vollgestopften Auto auf den Weg in eine fremde Stadt in einem fremden Land gemacht. Ich hatte dieses berühmte Jobangebot in der Tasche, das man nicht ausschlagen kann – und außerdem das Gefühl, dass nach dreieinhalb Jahren in Hamburg ein Tapetenwechsel nicht schaden könnte.
Nur hatte die neue Stadt knapp 300.000 Einwohner, keine nennenswerten Binnengewässer und ein Nachtleben, das in etwa so spannend war, wie der Hamburger Dom montags um 15:00 Uhr.
Und so war meine Antwort auf die Frage “Vermisst du Hamburg?” stets ein tief geseufztes “Ja, sehr!” Wenn darauf jemand eine Erklärung verlangte, bekam er eine lange Liste: Freunde, Hafen, Elbe, das Leben und Lebenlassen, das Mistwetter, über das sich alle ständig beschweren, aber ohne das Hamburg nicht Hamburg wäre, Salmans Falafel und 5-Euro-Caipis in der Schanze. Aber eigentlich ging es, frei nach Kettcar, die ganze Zeit nur um eines: Home is nun mal where your heart is.
Wenn darauf jemand eine Erklärung verlangte, bekam er eine lange Liste: Freunde, Hafen, Elbe, das Leben und Lebenlassen, das Mistwetter, über das sich alle ständig beschweren, aber ohne das Hamburg nicht Hamburg wäre, Salmans Falafel und 5-Euro-Caipis in der Schanze.
Zurück Richtung Norden
Am Anfang dachte ich noch, die Sehnsucht ginge vorüber, wenn ich mich erstmal eingelebt hätte. Schließlich war das nicht mein erster Ortswechsel. In den letzten 10 Jahren habe ich in 8 Städten in 5 Ländern gelebt – rastlos ist mein zweiter Vorname, Anschluss finden meine leichteste Übung.
Doch dieses Mal war irgendetwas anders. Dieses mal wollte das Ziehen in meiner Brust, wenn die Beginner versprachen, Hamburg wieder auf die Karte zu packen, auch nach einem halben Jahr nicht verschwinden. Und so packte ich die nächstbeste Gelegenheit beim Schopf, meine sieben Sachen in fünf Kisten und machte mich auf den Rückweg. Richtung Norden.
Die Definition von Glück
Es ist jetzt knapp zwei Wochen her, dass mich die glühenden Hafenkräne theatralisch in Empfang genommen haben. So ganz beruhigt hat sich mein Herz noch nicht. Der kribbelige Zauber des Neuanfangs vermischt mit der wohligen Vertrautheit des Nach-Hause-Kommens – Ist das nicht die Definition von Glück?
Und weil sich das “Projekt Rückkehr” in stillen Momenten auch ein bisschen wie eine Niederlage angefühlt hat, ist die Gewissheit umso schöner: Die andere Stadt hat nicht verloren. Hamburg hat einfach nur gewonnen, haushoch.
Denn das Leben ist zu kurz, um an einem Ort zu wohnen, an dem man nicht jeden Morgen vor Dankbarkeit platzen will, wenn man aus dem Haus geht. Egal, wie stark es regnet.