Letzte Ruhestätte für geniale Gedanken: Friedhof der guten Ideen

© Alexandra Brucker

Manchmal geben die besten Ideen den Geist auf, so geistreich sie auch waren. Ihren Frieden finden sie auf dem Friedhof der guten Ideen – in Wilhelmsburg.

Im Totenreich der Geistesblitze: „Die MONA LISA von hinten malen“

Kein Witz, kein Buchtitel: Der Friedhof der guten Ideen lebt. Im Wilhelmsburger Inselpark befindet sich die letzte Ruhestätte für geniale Gedanken. Schüchtern versteckt sie sich zwischen Hochseilgarten und Freilichtbühne, zwischen Beachvolleyballfeldern und Sansibarfelsen. Unachtsame Spaziergänger trennt eine Wiese von dieser Unterwelt der Ideen. Achtsame Träumer können den Friedhof über einen Trampelpfad erreichen.

Hier, auf einer kleinen Lichtung, ragen dunkle Grabsteine in die Luft. Die meisten Tafeln sind beschriftet – doch nicht mit den Namen verstorbener Menschen. Ideen wurden dort bestattet:
„Die MONA LISA von hinten malen.“
„Menschen können mir zu festen Zeiten alles erzählen, was sie bewegt.“
„Ein Haus, in dem Menschen ohne eigene Kinder zusammenkommen.“
„Unter den Brücken schlafen, um für alles offen zu bleiben.“

© Alexandra Brucker

RIP, ihr Geistesblitze. Die Bäume wiegen die toten Eingebungen in Sicherheit, sanftes Licht umschmeichelt den kalten Stein. Wer ist bloß auf diese grausame Idee, diese geniale Idee gekommen?

Ein Künstler, der Ideen begräbt

Der Friedhof der guten Ideen ist während der Internationalen Gartenschau (igs) 2013 als Projekt des Künstlers Mark Wehrmann entstanden. Er legte den Friedhof im Dialog mit den igs-Besuchern an. Die Spaziergänger erzählten dem Künstler von Ideen, die sie gerne verwirklicht hätten – und aus irgendeinem Grund aufgaben: Geschäftsideen, Erfindungen, Träume. Wehrmann hörte zu, fragte nach, war berührt. Oftmals stehen nun sehr persönliche Geschichten auf den Grabsteinen: „Zuhause mit ihm ein Café führen, solange es noch geht.“
Bevor Wehrmann das Ok für eine Inschrift gab, hakte er ein letztes Mal nach: Bist du bereit, deine Idee vollends zu begraben? Bist du bereit, sie öffentlich zu machen?

Wo Gevatter Tod und Mutter Inspiration debattieren

Gedanke zu Asche, Idee zu Staub. Bis heute ist der „Friedhof der guten Ideen“ den Hamburgern als poetischer Ort und als Kunst im öffentlichen Raum erhalten geblieben. An seiner Faszination hat er auch vier Jahre später nicht eingebüßt. Während ich durch die Grabreihen schlendere, höre ich Spaziergänger lebhaft miteinander diskutieren. Plötzlich scheint es, als debattierten Gevatter Tod und Mutter Inspiration über Gott und die Gedankenwelt. Wurde jene Idee nicht bereits umgesetzt? Wieso nur musste sie ins Gras beißen?

© Alexandra Brucker

Plötzlich geht es hier um mehr. Fragen um Kreativität stehen im Raum und Park. Wieso setzen Menschen manche Ideen nicht um? Woran scheitern sie? Die Überlegungen werden persönlicher: Wann hat dein eigenes letztes Ideelein geschlagen? Wie viele Ideen habe ich selbst bereits eingeäschert? Denn wer hatte ihn nicht; diesen Moment, in dem man mit einem Wahnsinnsgedanken die Welt erobern wollte. Tick tack, Zeit abgelaufen, Inspiration hops gegangen, Idee tot. Oder 10.000 andere Gründe: Faulheit, Geldmangel, Zeit, immer wieder Zeit. Im Friedhof der guten Ideen schwirren die Geister der drei vermaledeiten Wörter: hätte – würde – könnte. Ideen jedoch loszulassen und Platz für Neues zu machen, tut gut.

Die Auferstehung der Ideen

Und wer weiß, vielleicht gehen manche Gedanken auch nicht wirklich hops. Vielleicht kriechen eines Tages irgendwelche Ideenzombies wieder aus ihren Gräbern und übernehmen die Weltherrschaft. Oder zumindest eine TED-Konferenz. Hoffentlich tauchen zumindest skrupellose Grabräuber auf und bereichern sich an den faulenden Kostbarkeiten. Am schönsten wäre natürlich ein Dr. Frankenstein, der aus den sterblichen Überresten verschiedener Einfälle eine monstermäßig neue Idee zusammenflickt.

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Wie ihr ins Totenreich der guten Ideen gelangt

Ihr wollt selbst Gedankengrabräuber spielen? Auf diesem Pfad begebt ihr euch ins Totenreich der guten Ideen: Von der S-Bahn-Station „Wilhelmsburg“ und dem Parkeingang „Neuenfelder Straße“ gelangt ihr in nur zehn Minuten in den Hades der genialen Einfälle. Gleich beim Wälderhaus biegt ihr links ab und schlendert an der Basketballhalle und den Beachfeldern vorbei. Hinter euch lasst ihr auch den Skatepark und den Aqua Soccer.

Sperrt eure Augen auf, wenn ihr auf der rechten Seite den Hanserock-Hochseilgarten erblickt. Auf der linken Seite des Weges versteckt sich nämlich nun der geheime Friedhof auf einer kleinen Lichtung. Die dunklen Grabsteine könnt ihr vom Straßenrand bereits erspähen. Nun müsst ihr nur noch den kleinen Trampelpfad einschlagen und schon werdet ihr von den Gedankenblitzen getroffen. Ein paar Gräber sind noch unbeschriftet. Was würdet ihr darauf schreiben?

Thinktank, ruhe in Frieden.
© Alexandra Brucker
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