Feiern oder feilschen: Wie weit kommt man mit 20 Euro auf St. Pauli?

© Andreas Baur

Die ersten 10 Euro auf St. Pauli sind schnell ausgegeben. Es fängt mit einem Döner an, hinzu kommen zwei Wegbier für dich und deine Begleitung und dein Päckchen Kippen ist auch leer. Der Pfad zu den nächsten 50 Euro die du verprassen wirst, ist kürzer als du denkst. Durch den Morgen danach ziehen sich dröhnende Kopf- und pochende Gliederschmerzen. Dein Portmonnaie fühlt sich zwar schwer an — das liegt jedoch nur daran, dass nicht mehr als etwa 20 Cent in Kupfermünzen vorzufinden sind.

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Wer sich im obigen Szenario irgendwo wiederfindet, der wird diesen Fehler wahrscheinlich auch kommendes Wochenende wieder begehen. Was hilft ist eiserne Disziplin. In bekannter ProSieben-Galileo-Manier mache ich mich mit 20 Euro auf in Richtung St. Pauli, um zu evaluieren, wie weit mich das genau abgezählte Geld bringen wird, wo es mich hinzieht und wie es mir am kommenden Morgen gehen wird. Cheers.

Gewohnheit und Guinness

Beim Discounter für wenig Geld einen Haufen Dosenbier zu kaufen wäre ja witzlos. Was mein Kühlschrank hergab, fühlte sich jedoch sowohl fair, als auch der Sache angemessen an. Mit drei 0,5er-Kannen Billigbier und einer Einwegkamera mache ich mich auf den Weg in meine Stammkneipe. Dass ein großes Bier vom Fass mit 3,90 Euro fast 20 Prozent meines Budgets ausmacht, wurde mir erst am Tresen wirklich bewusst. Im Regelfall hätte ich ein Guinness für zirka fünf Euro geordert, aber in der Not trinkt der Teufel Pils.

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21:30 Uhr: Korn mit Sardelle

Der anschließende Weg in die — sagen wir mal — bodenständige Kneipe Otzentreff in der Otzenstraße gestaltete sich in sofern nervig, als dass ich die ersten beiden Tore des Champions-League-Finales verpasste. Meine Partnerin in crime blieb völlig unbeeindruckt und teilte sich mit mir ein Dosenbier.

Zwei Euro für eine Knolle Astra ist ein dankbarer Preis für jeden, der finanziell ähnlich eingeschränkt ist wie ich. Ich fühle mich gut, da es finanziell bisher zu funktionieren scheint - genauso aber auch schlecht, weil der nette Mann auf der anderen Seite des Tresens von mir kein Trinkgeld erwarten kann. Shame on me.

BILD: Gehängter auf Tisch im Otzentreff

Meine Freunde merken so langsam, dass ich es mir mit meinem selbstauferlegten Handicap nicht leicht mache. Nicht anders zu erwarten war, dass die selben Menschen noch eine Schippe drauflegen müssen: Für 2,50 Euro gibt's im Otzentreff den sogenannten Gehängten. Ein Korn, in dem — aufgespießt an einem Zahnstocher — eine Sardelle hängt. Alles klar. Vielleicht hätte ich nicht Ja sagen sollen, wenigstens habe ich nicht dafür zahlen müssen. Der exakte Ablauf völlig seriös dokumentiert in Form des folgenden GIFs.

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Der richtige Umgang

Die kommenden drei Tore des Champions League Finales auch noch zu verpassen, war einer Kombination aus Toilettengängen und Bierbestellungen geschuldet. Ein verachtender Blick meinerseits Richtung Cristiano Ronaldo rundete mein Projekt Champions-League-Finale ab. Der Weltfußballer holt sich zum zweiten mal hintereinander den Pott, ich hol mir den zweiten Shot.

Noch mehr als zehn Euro übrig und die Sinne trüben so langsam vor sich hin. Stand jetzt würde ich behaupten, dass mein Projekt von Erfolg gekrönt sein wird. Inwiefern ich jedoch zurechnungsfähig bin, steht nur in den Sternen über der Stadt. Was nicht in den Sternen steht, sondern plötzlich vor mir, ist ein Kümmerling. Ich überlege, ob der ganze Schnaps, den ich nach wie vor nicht bezahlen muss, wirklich ein freundschaftlicher Dienst ist. Immerhin sprechen wir hier von Kümmerling — das darf infrage gestellt werden.

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Die Stimmung ist gut, der Kassenbestand niedrig. Zeit für eine erste Diagnose. Bisweilen konnte ich nicht das trinken, was ich trinken wollte, da ich sonst sicher am Ende meiner monetären Möglichkeiten wäre. Ich merke, dass mein Trinkverhalten an diesem Abend mehr quantitativer statt qualitativer Natur ist. Im Leben würde ich nicht auf die Idee kommen, mir ein Astra zu bestellen, wenn es auch nur eine Alternative gibt. Der Anspruch an mein Niveau sinkt umgekehrt proportional mit meiner Bereitschaft günstig Richtung Delirium zu wandern. Aber so analytisch das auch sein mag, ist es auch — mit Verlaub — scheißegal, denn ich hab schon gut einen im Kahn.

Dieser Weg wird kein reicher sein, dieser Weg wird peinlich und prekär

Eingeleitet mit einer an den Haaren herbeigezogenen Überschrift, wird sich auf den Weg in Richtung des nächsten Laden meines Vertrauens gemacht. Manch einer hält es für langweilig, immer und immer wieder das selbe Etablissement aufzusuchen. Aber wie man an die Sache auch herangeht: am Ende wird Jesus gekreuzigt, Anakin wird zu Darth Vader und ich torkel' ins Molotow.

Dass man heute dort Craft Biere testen konnte, hatte ich zwar auf dem Zettel, die Uhrzeit hat mir jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Mein Körper ist da wo er sein soll, mein Geist an irgendeinem Ort, jenseits von Zeit und Raum. Mit einem letzten Weg-Dosenbier beamten wir uns die vor uns liegenden 300 Meter in Windeseile ans westliche Ende der Reeperbahn. Was jetzt folgt ist der Weg zum Fazit.

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Läuft bei dir. Nicht.

Da ich mit Leuten unterwegs war, die am Wochenende ab und an auch im Molotow hinterm Tresen stehen, war der Weg durch die Tür nicht mit Eintritts-Verbindlichkeiten verknüpft.
Die kompetenten Bierfachkräfte am Tresen haben schon Wind davon bekommen, dass ich heute nicht ganz flüssig bin. Mit zwei zugekniffenen Augen investiere ich dort weniger Geld, als ich eigentlich sollte. Dennoch schaffe ich es, mich auf 2,20 Euro runterzuwirtschaften, was etwa 10 Prozent meines Budgets entspricht. Geistige Fähigkeiten, Moral, Sprech- und Denkvermögen entsprechen einem ähnlichem Größenverhältnis.

Im Gegensatz zu mir an diesem Abend, halte ich das Fazit nüchtern. Mit 20 Euro auf St. Pauli feiern zu gehen ist möglich, wenn man mit den Leuten unterwegs ist, die einem auch mal einen ausgeben. Wenn du noch jemanden kennst, der in einer Bar arbeitet, ist das ein dankbarer Bonus.

Der obligatorische Döner ist leider nicht drin - schmier dir Zuhause lieber ein Brot. Eintritt zahlen ist auch nicht drin, je nachdem wo du feiern gehst. Aber Clubs, in denen du mehr als fünf Euro Eintritt bezahlen sollst, lohnen sich ohnehin nicht. Wollen wir als Blick auf die Dinge nicht unterschlagen, dass es auch möglich ist, einfach weniger zu trinken. Aber nicht hier und auch nicht heute.

© Andreas Baur
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