Die schönsten Fabriken in Ottensen und Bahrenfeld

Ach Ottensen! Manchmal bist du mir ja zu zwanghaft lässig, zu manisch flippig. Das hast du doch alles nicht nötig. Durch deine Straßen puffte schon die Eisenbahn, als anderswo noch Pferde übers Pflaster holperten. Mit dem Ansteigen deiner Mietpreise geht dir ab und an dein uriger Charme flöten. Popup-Store schön und gut und lecker.  Ich bin die Letzte, die nicht gern in Macarons, Burger und Fritten reinbeißt, aber heute schauen wir, was hinter deinen Fassaden steckt. Auf der Suche nach deiner ursprünglichen Schönheit hat es mich an fünf Orte verschlagen, an der deine raue Coolness durch die Backsteinmauern schimmert und durch lange Schornsteine pafft. Mit diesen fünf ehemaligen Fabriken hast du meiner roten Pumpe das Steppen beigebracht.

© Alexandra Brucker

1
Filmfabrik Zeisehallen: Die Buddenbrooks und blöde Ziegen

Friedensallee Nr. 8 betreten. Huch. Die Zeisehallen samt Stahlträgern und roten Backsteinen haben mich soeben ins Jahr 1865 befördert. In der großen Halle produzierte Herr Theodor Zeise noch bis 1979 Schiffspropeller für Containerschiffe. Familie Zeise gilt als die Familie Buddenbrook von Altona - Aufstieg und Fall eingeschlossen. Um ihre Fabrik wehte bis in die 50er noch eine geheimnisvolle Aura. Die Gleise vom Zeise führten aus der Halle raus, mitten durch das Viertel, bis zum Altonaer Bahnhof. Auch heute sind sie noch auf dem Boden zu entdecken - genauso wie die Gussgruben, in denen die Schiffsschrauben hergestellt wurden. Wenn sich damals die Pforte der großen Fabrikhalle öffnete, hopste zunächst ein Mann heraus, der wild mit einer roten Flagge wedelte. Anschließend polterte eine winzige Zugmaschine heraus, die etwas zog, das aussah wie vom Sternenhimmel gefallen: eine Schiffsschraube.

© Alexandra Brucker

2
Traumfabrik Phoenixhof: Lichter, Lafer, Rolling Stones

Früher brodelte hier das Eisen, heute köchelt’s immer noch. Allerdings in den Kochtöpfen. Im Phoenixhof liefern sich Lafer und Lichter Küchenschlachten und  Marcus Lanz talkt und showt. Für die Sendungen der Fernsehmacher kommen jeden Abend etwa 150 Zuschauer hierher. Im 20. Jahrhundert befanden sich anstelle von Fernsehstudio und Kochbetrieb die Eisenwerke der Stadt. Die alten Backsteinmauern der Werkhalle von 1892 sind noch erhalten, durchbrochen von Flächen aus Glas und Stahl. Wie im Miniaturdorf von Asterix und Obelix gruppieren sich um die Phoenixhalle zahlreiche Gebäude in den Größen XXS bis XXL. Hier, zwischen Stahltwiete, Ruhr- und Schützenstraße haben sich inzwischen auf 18.000 m2  rund 60 Firmen angesiedelt. In der früheren Fischräucherei und im gelben Kaufmannshäuschen bewirtet zum Beispiel der „Atlas“ seine Gäste. Das „No. 1 Guitar Center“ zeigte bereits den Rolling Stones, den Scorpions oder Peter Maffay im Phoenixhof seine beste Saite. Mal schauen, wie oft der Feuervogel noch mit neuen Bauwerken aus seiner Fabrikasche auferstehen wird.

© Alexandra Brucker

3
Bühnenstars, Stöbermeile und Flohmärkte: Ab ins Kulturzentrum Fabrik!

Sie ist der Dino der deutschen Kulturzentren: die Fabrik in Altona. In der Werkhalle stellte die Firma Hespe & Lembach um 1900 Holzverarbeitungsmaschinen her. 1971 wollten der Künstler Horst Dietrich und der Architekt Friedhelm Zeuner in der leerstehenden Fabrik dann etwas Neues produzieren: Kultur für alle. Die Produktionsstätte mutierte zum Ort politischer Debatten und Zentrum für Kinder- und Jugendarbeit. Musiktitanen en masse sind hier aufgetreten, zwischen Pappmaché-Elefanten und Kinderkunst. Auch heute erwarten euch hier tolle Konzerte und regelmäßige Food- wie Kulturevents. Auch beliebt: der (Nacht-)Flohmarkt!

© Alexandra Brucker

4
Familienfabrik Netzler: Bullerbü in Ottensen

Bullerbü-Alarm in der Donnerstraße! Hier würden sich Lisa, Lasse und Bosse, Britta und Inga, Ole und die kleine Kerstin pudelwohl fühlen. An den Wänden der ehemaligen Fabrik Netzler rankt wilder Wein. Der kleine Hof ist ein Kinderparadies im Großstadtdschungel. Buschwerk und Blumenparadies, Haselnusssträucher und Glyzinien spielen hier ihr eigenes Versteckspiel. Dahinter wohnen und arbeiten Menschen in Lofts – das ehemalige Werksgebäude hat sich zum Millionenobjekt in bester Lage gemausert. Erworben und unter strengen Denkmalschutzauflagen umgebaut wurde dieses ehemalige Juwel in den 80ern von Habenichts & co.  Rund 30 Jahre ist es her, seit zehn junge Paare die stillgelegte Tütenfabrik kauften, um sie nach eigenen Wünschen zu verwandeln. Sie hatten kleine Kinder zwischen null und vier Jahren, mehr Optimismus als Geld und waren auf der dringenden Suche nach Wohnraum. Inzwischen sind aus den kreativen Studis Ärzte, Unternehmensberater und Filmleute geworden. Dass hier ab 1904 zeitweise 50 Arbeitskräfte täglich 50 Zentner Papier zu Kuverts und Beuteln verarbeiteten, ist schwer vorstellbar. Zwei Zeitzeugen verraten die frühere Betriebsamkeit und blicken neugierigen Spaziergängern stoisch entgegen: Das große N an der Fassade und der längliche Schornstein trotzen der Jugend und dem 21. Jahrhundert.

© Alexandra Brucker

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Hotelfabrik Gaswerk: Ritter Otto checkt ein

Im 13. Jahrhundert galoppierte Ritter Otto von Bahren, der stolze Namensgeber der Stadtteile Ottensen und Bahrenfeld, hier über seine Ländereien. 1896 versorgte das Gaswerk auf Ottos ehemaligen Grundbesitz die Stadt mit Gas. Anfang der 90er Jahre entdeckten Investoren und Architekten die im Krieg zerstörten Fabrikbauten mit ihren typischen Backsteinfassaden und gründeten das „Forum Altes Gaswerk“. Bevor die heutige Mischung aus Gewerbe, Eigentumswohnungen und Park – gebaut wurde, musste das ganze Gebiet allerdings zunächst entkontaminiert und saniert werden. Das Gelände wies starke Bodenbelastungen  vor.

Ob das Flächenrecycling im Sinne des Ritters von Bahren war? Na stolz wie Oskar sollte Otto schon sein: Schließlich trägt der Park inzwischen seinen Namen. Außerdem sorgen Polizei-Schauspieler Jan Fedder und seine „Großstadtrevier“-Kollegen in den Filmstudios, die sich auf dem Gelände befinden, für Recht und Ordnung. Heute hat das ehemalige Gaswerk ein t geschenkt bekommen. In diesem „Gastwerk“ checken nun internationale Hotelgäste ein, wo früher die Kohle geschaufelt wurde. Ein Blick ins Hotelfoyer lohnt sich: Die historische Turmuhr hinter der Rezeption ist auf fünf vor zwölf stehen geblieben und trägt Vergangenheit in die Zukunft.

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