Endstation Poppenbüttel: Preise, Polizei & Pensionäre

© Andreas Baur

Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat: Poppenbüttel. So mach ich mich als journalistischer Captain Kirk auf den Weg, um genau die Endhaltestelle zu erforschen, die für die meisten unbekanntes Terrain ist. Mehr als 200 Meter von der S-Bahn-Haltestelle werde ich mich nicht entfernen, um einen Eindruck von den Leuten und Orten zu gewinnen, die hier fast tagtäglich ein- und aussteigen müssen. Auf geht's.

© Andreas Baur

Don't even try

Für die einen mag es ein modernes Gebäude darstellen, welches genau die Leute beherbergt, die für Ordnung und Sicherheit sorgen sollen. Auf mich wirkt die Polizeistation Poppenbüttel eher einschüchternd und überheblich. Vielleicht soll sie das aber, schließlich ist es eine — naja — Polizeistation. Wer versucht ein Zentrum innerhalb des Stadtteils Poppenbüttel zu etablieren, wird das nicht mit Einkaufszentren und Polizeistationen schaffen. Diese bittere Erfahrung musste bereits Norderstedt machen.

© Andreas Baur

Es wäre jetzt zu einfach, Poppenbüttel in Grund und Boden zu schreiben. Dafür findet man hier bei genauerer Betrachtung zu viel Sympathie im Grau des Stadtteils. So halte ich noch einen kleine Plausch mit dem netten Mann am Erdbeerstand — auch die Dame beim Bäcker weiß auf die denkbar charismatischste Weise über das Wetter zu schimpfen. Wer auf Anhieb keine schönen Momente und Orte findet, muss diese sich eben selbst suchen.

© Andreas Baur

Nicht ganz meine Kohorte

Als jemand der Mitte Zwanzig ist, bleibt ein zynischer Blick auf den Stadtteil nicht aus. Noch nie habe ich mich an einem Ort so unterrepräsentiert gefühlt wie hier in Poppenbüttel. Der Altersdurchschnitt pendelt sich irgendwo zwischen 63 und 99 Jahren ein — ich fühle mich ohne Rollator und weitestgehend vollem Haar völlig underdressed.

Klar ist es wichtig, dass jeder Mensch zu jeder Lebensphase seinen passenden Sozialraum findet — in Poppenbüttel haben Oma Gisella und Tante Gerda ihren Platz, um nachmittags zusammen Kaffee zu trinken und dabei ein Stück Rhabarberkuchen zu essen. Ein kleines Idyll am Wentzelplatz.

© Andreas Baur

Im Poppenbütteler Einkaufszentrum AEZ kann man viel Kohle für Schmuck, Designer-Mode und Apple-Produkte ausgeben, preislich geht hier alles. Leider wurde das Einkaufszentrum im falschen Jahrzehnt gebaut — der Betonklotz beherbergt neben einer scheinbar unendlich langen Ladenzeile auch Wohnungen. Die Poppenbütteler Idylle hat hier ihr Ende gefunden. Ästhetik kann immer nur subjektiv sein — das macht mir den grauen Kasten jedoch auch nicht sympathischer.

© Andreas Baur

Mit "Ich hab hier alles gesehen" würde ich sicherlich jedem Poppenbütteler auf den Schlips treten. Ich bin jedoch auch zum Endrücke sammeln angereist — lediglich Klischees haben sich in mir festgesetzt oder wurden widerlegt. Poppenbüttel scheint für Menschen, die auf St. Pauli oder in Altona leben, wie eine Reise zu einem anderen Kontinent sein — auch ich werde mein Herz nicht an Poppenbüttel verschenken. Doch auch dieser Stadtteil hat seinen Charme und seine Kuriositäten. Die Endstation ist nicht das Ende — ich komme wieder. Auf ein Stück Rhabarberkuchen und eine Schale Erdbeeren, vielleicht.

© Andreas Baur
Zurück zur Startseite