11 Gedanken, die ein Saarländer in Hamburg hat
Wahrscheinlich denkst du, dass Saarländer in die gleichen Kategorie gehören wie Einhörner, Elfen oder die Wichtel, die dir die linke Socke aus der Waschmaschine klauen. Aber irgendwo in der Bundesrepublik befindet sich tatsächlich dieses Fleckchen Erde, wo so manches Fabelwesen herkommt. Während ich mittlerweile ganz gut über Hamburg Bescheid weiß, weißt du nichts vom Saarland außer mit Glück Saarbrücken und die Sache mit Jan Böhmermann und den Ziegen. Und als ehemaliger Provinzler mache ich mir so meine Gedanken über meine neue Heimatstadt:
1. "Kümmel? Ernsthaft?"
Wer am Tresen steht und in Hamburg in der Regel ein breites Sortiment an Spirituosen vorfindet, wird sich schon das Beste beziehungsweise das geringste Übel aussuchen. Oder? Nein! Wer kommt denn bitte auf die Idee sich ernsthaft für Kümmel zu entscheiden? Auf Eis noch im Ansatz erträglich, alles andere löst bereits nach dem ersten Glas Brechreiz aus.
2. "Höhö - Saarlandstraße"
Mein Ich vor 6 Jahren fand es noch witzig extra hier hin zu fahren, um ein Bild unter dem U-Bahn-Haltestellenschild zu machen. Wenn in einer Stadt fast 2 Millionen Menschen wohnen, dann ist die Chance, dass es eine Saarlandstraße gibt gar nicht mal so gering. Das ist dasselbe, wenn man sich über "Schlump" lustig macht. Ist alles gar nicht so witzig wie du denkst – komm erstmal auf norddeutschen Humor klar!
3. "Kurz mal was einkaufen"
Wenn du aus einer Kleinstadt kommst, die nicht mal 30.000 Einwohner hat, dann ist alles irgendwie überschaubarer. Man geht kurz noch was einkaufen, völlig stressfrei. 10 Minuten brauchst du höchstens und das inklusive dem obligatorischem Fleischkäsweck. Nicht so hier. Gestresste Hamburger drängeln und beschweren sich – nicht nur an der Kasse sondern auch in der U-Bahn, wenn du mal eine Einkaufstasche zu viel dabei hast. What the fuck.
4. Bier trinken ist nicht gleich Bier trinken
Menschen aus dem Süden oder Süd-Westen wissen ihre Bierkultur schon zu schätzen. Aber was dem Hamburger nicht so ganz bewusst ist, ist dass die Bierpreise in der Tat nicht so nice sind wie da unten bei uns. Ohne viel Hate, aber das Bier hier ist echt bis auf ein paar Ausnahmen nicht unbedingt oscarverdächtig.
5. Hamburger Reizüberflutung
Als Neu-Hamburger fühlst du in den ersten Monaten noch den Puls der Stadt und glaubst, dass dir die Welt zu Füßen liegt, du kulturell hier besser hinpasst und Hamburg sowieso einfach alles hat, was du willst. Das kann Fluch und Segen sein, wenn du dich entweder nicht entscheiden kannst, was du machen sollst und langsam in den Alltagstrott kommst. Trotzdem: "Wenn Hamburg dir nicht mehr geil genug ist, liegt es nicht an Hamburg, digga!"
6. Fahrradfahren ist nicht gleich Fahrradfahren
Irgendwie bin ich im Zwiespalt wo Fahrradfahren geiler ist. Zum einen sind die Verkehrsteilnehmer ab und an in Hamburg echt (noch vorsichtig formuliert) zum Kotzen. Andererseits musst du dir hier keine Gedanken machen, ob du deine Kondition nicht noch für den nächsten Berg aufsparen musst. Ich lass das mal so stehen.
7. "Keine Böhse-Onkelz-Heckscheibenaufkleber? - Nice!"
Während es in der saarländischen Provinz leider zum guten Ton gehört beschissene Musik zu hören, ist der Hamburger an sich in Sachen Musik eher ambitionierter. Vielleicht liegt es daran, dass jeder Künstler auf Tour hier Halt macht, vielleicht auch daran, dass aus dem Saarland, bis auf wenige Ausnahmen, kaum nennenswerte Künstler kommen. Sad but true.
8. Öffnungszeiten-Geilheit
Der dir vertraute Mensch in der Provinzkneipe macht in der Regel die Schotten dicht, wenn du gerade erst warm gelaufen bist. Aber weiterziehen ist nicht, denn die andere Kneipe (Ja, es gibt nur 2!) hat auch schon Feierabend. Entweder kaufst du dir mit den Kumpels noch ein Oettinger Export an der Tanke oder du gehst nach Hause. Nicht so hier. Wer Bock hat was Trinken zu gehen, kann das fast immer und überall tun.
9. "Hasche Hut uff, bische gut druff!"
Wer 20 Jahre im Saarland gelebt hat, wird nicht ohne Weiteres korrektes Hochdeutsch sprechen können. Wer das im Saarland tut, fällt auf. Weird! Aber wenn dir in der Hansestadt mal Wörter wie "Ballawer" oder "O leck!" über die Lippen kommen, kommt man nicht dran vorbei belächelt zu werden. Aber ist schon ok: Saarländisch klingt nüchtern betrachtet auch irgendwie beknackt – nach 6 Jahren Hamburg rutscht mir aber am Ende des Satzes mittlerweile auch gerne mal ein "digga" raus.
10. Konzerte ohne Ende, aber...
In den ersten Monaten in Hamburg habe ich mir noch für fast jedes verdammte Konzert ein Ticket geholt. Alle zwei Wochen war ich im Hafenklang, Docks oder sonst wo um mir irgendwas anzuschauen. Ist ja auch geil, aber was ist mit der Crowd? Konzerte beschränken sich im Saarland zwar fast ausschließlich auf Saarbrücken, sind dafür aber viel(!) intensiver. Die Leuten haben vielleicht mehr Bock, weil es noch was Besonderes ist. No Hate.
11. "7 Minuten auf die S-Bahn warten? FUCK!"
Es ist eigentlich albern sich darüber aufzuregen, dass man gerade um wenige Sekunden die Bahn verpasst hat. Im Saarland fährt der Bus vielleicht einmal die Stunde und man kann sich irgendwie immer damit arrangieren. Aber ein paar Minuten auf die S-Bahn warten? Oh mein Gott, der Tag ist gelaufen!