Kleine geile Firma: Young & Gentle

Wann habt ihr euch den letzten Anzug gekauft - zum Abiball vielleicht? Eigentlich ist es schade, dass sich viele Männer so selten richtig aufbrezeln. Und die ewigen grauen und dunkelblauen Anzüge machen auf Dauer auch keinen Spaß. Das junge Modelabel Young & Gentle möchte das ändern: Im Onlineshop könnt ihr perfekt sitzende Anzüge und Accessoires aus klassischen und unkonventionellen Stoffen bestellen - in verschiedensten Schnitten und immer mit Stil. Wir haben uns mit den Gründern Marc und Simon über die Herausforderungen im Modebusiness und moderne Gentlemen unterhalten. Ganz stilecht natürlich in einer Suite des The George Hotel an der Alster.

Ein super sitzender Anzug, den ich online bestelle - wie funktioniert das eigentlich?

Marc: Unser Modell ist das der “Konfektion plus”. Das bedeutet, dass man im Onlineshop schon wissen muss, welche Konfektionsgröße man hat, aber Anpassungen sind möglich. Man kann im Voraus zum Beispiel schon sagen: “Ich hätte gerne die Hose noch zwei Zentimenter kürzer und am Bein schmaler”. Wir können die Taille des Sakkos enger machen oder die Sakkolänge anpassen. Darüber hinaus ist dann die Personalisierung ganz groß geschrieben. Man kann von der Knopfvariante (also Einreiher oder Zweireiher), über die Reversform und das Innenfutter bis hin zu Stickereien alles anpassen und so den ganzen Anzug komplett individuell gestalten.

Ich habe auch von eurem Angebot “Travelling Tailor” gelesen. Was ist das genau?

Simon: Gerade in anderen Ländern wie England ist das sehr populär - es bedeutet, dass wir in andere Städte fahren und Kunden bei einem Event vermessen, um mit denen deren Anzug zu besprechen. Wir bringen unsere Stoffe mit und können so direkt mit den Kunden Anzug und Hemden zusammen besprechen - von Angesicht zu Angesicht.

Wer sind eure Kunden und für welche Anlässe kaufen sie bei euch?

Marc: Das ist wirklich bunt gemischt. Hochzeitskunden sind für uns ein ganz ganz wichtiges Klientel, weil man gerade bei der Hochzeit nicht auf den letzten Pfennig guckt. Und mittlerweile darf sich eben nicht nur die Braut ein wunderschönes Kleid aussuchen, sondern auch der Mann möchte etwas Spezielles, Individuelles haben.

Wir haben natürlich auch die normalen Businesskunden bis hin zu Abiturienten, die sich für ihren Abiball den ersten Anzug machen lassen. Es gibt aber auch den einen oder anderen, der dann einfach sagt: “Ich habe richtig Bock, mir einen ausgefallenen Anzug machen zu lassen statt einen von der Stange zu nehmen. Ich brauche den zwar nicht oft, aber wenn ich ihn trage, dann möchte ich, dass er etwas ist, was meine Persönlichkeit widerspiegelt”

Woher kommt eure Begeisterung für gute Anzüge und Accessoires?

Simon: Marc hat vorher bei Rooks & Rocks gearbeitet und da natürlich sehr viel gelernt. Ich kannte die auch und habe dadurch Einiges mitbekommen. Beruflich komme ich aus dem Einkauf im Versandhandel. Das waren zwar Möbel, nichtsdestotrotz hatte ich viel mit Sortimentsplanung zu tun - da entwickelt man über die Jahre eine gewisse Affinität zu dem ganzen Thema. Das war damals auf eine weibliche Zielgruppe ausgerichtet und ich dachte mir die ganze Zeit “Hey, das wäre doch auch eine coole Sache für Herren”. Und dann hat sich alles so ergeben.

Anzüge sieht man außerhalb bestimmter Branchen ja nicht so oft.

Marc: Ja, leider nicht. Aber da arbeiten wir ja dran.

Simon: Es kommt auch immer drauf an, in welchen Kreisen man so verkehrt. Oft sieht man Anzüge bei eher “spießigen” Menschen, aber das muss ja gar nicht sein. Es kann ja auch immer etwas unkonventioneller sein. 

Marc: Bei den Italienern kann man sich das abgucken, die sehen einfach immer gut gekleidet aus. Ebenso die Franzosen. Wir waren auch gerade in Holland und haben eine Firma besucht, dort waren alle Leute super stylisch angezogen. Die sind auch mutiger: Da wird mal das Sakko enger getragen oder die Hose etwas kürzer, so dass man die Socken sieht.

Simon: Es ist schade, dass es in Deutschland und speziell Hamburg mit dunkelblauen Anzügen immer so klassisch gesehen wird. Dabei sind wir hier eigentlich modebewusster, als wir es zeigen. Es gibt ja so viel Vielfalt, so viele Möglichkeiten, sich gut anzuziehen!

Marc: Hamburg ist einfach sehr hanseatisch, um das mal so zu sagen.

Wo und wie lasst ihr eure Anzüge fertigen?

Marc: Wir beziehen unsere Produkte von der Firma Rooks & Rocks, mit denen wir schon sehr lange verbandelt sind. Gemeinsam ist damals unsere Idee entstanden, Herrenausstattung aus dem stationären Geschäft ins Onlinegeschäft zu bringen. Die Stoffe kommen aus Traditionswebereien in Europa und werden in andere Länder exportiert, dort wird gefertigt. Die Art der Vermessung ändert sich jedoch auch ständig, weshalb wir einmal im Jahr zu Schulungszwecken hin fahren und mit den Fachleuten zusammen arbeiten.

Welche Herausforderungen gibt es in eurem Arbeitsalltag?

Simon: Wir machen ja nicht nur Anzüge und Hemden, auch wenn das gerade unser Kernprodukt ist. Wir möchten uns noch mehr in Richtung eines Lifestyleunternehmens entwickeln - der moderne Gentleman soll bei uns noch mehr als Kleidung kaufen können. Momentan bieten wir auch Wandbilder an, bald auch Möbel. Vorstellen können wir uns auch Pflegeprodukte für den Bart oder geschliffene Whiskeygläser.

Marc: Da ist natürlich die Herausforderung, dass man sich auch zu breit aufstellen kann - wir müssen aufpassen, dass sich die Marke nicht verwässert. Deshalb wissen wir, dass der Anzug bei uns nie aus dem Fokus rücken wird.

Ihr hattet den “modernen Gentleman” angesprochen - was bedeutet das für euch?

Simon: Ich persönlich finde, dass das Image eines Gentleman sehr angestaubt ist, nicht mehr besonders zeitgemäß. Dabei hat er eigentlich gute Eigenschaften: Er ist höflich - Marc zum Beispiel, der ist auch immer sehr charmant und aufmerksam, ich eigne mir das gerade erst ein bisschen an (lacht). Ich finde, das muss immer gar nicht so glatt und geschniegelt sein. Bei unseren Models sind auch welche dabei, die sind tätowiert und haben einen Bart. Und das muss sich ja gar nicht ausschließen - auch roughere Typen passen super in einen Anzug rein. Das ist eigentlich gerade die spannende Kombination. Jeder kann ein Gentleman sein und das für sich interpretieren - jeder sieht anders aus im Anzug und genau das wollen wir mit unserer Marke verkörpern.

Sehr schön - vielen Dank!