Skandinavische Kaffeekultur: Das Tørnqvist in St. Pauli

Ruhe, Behutsamkeit und Respekt vor der Frucht: Im Tørnqvist in der Detlev-Bremer-Straße geht alles etwas gemächlicher zu als in anderen Cafés. Linus, der Kopf hinter dem Pop-Up-Café auf St. Pauli, hat schon bei der Einrichtung genau diese Atmosphäre geschaffen: Der Laden ist klein, minimalistisch und strahlt ganz viel Ruhe aus. Hier dreht sich nichts um überzuckerte Latte-Kreationen - hier geht es um die Wertschätzung des Kaffees als das, was er im Idealfall sein sollte: Ein Getränk mit vielfältigen Aromen, Farben, Ausprägungen, Assoziationen. Im Tørnqvist bekommt man keinen Cappuccino, keinen Latte Macchiato und schon gar nicht mit Zucker.

“Stattdessen gibt es bei mir Flat White”, erklärt Linus, der hinter dem Tresen steht und alle Hände voll damit zu tun hat, an diesem ungewöhnlich geschäftigen Mittwochvormittag jedem einzelnen Gast einen perfekten Kaffee zuzubereiten. “Hier gibt es nur Filterkaffee, Flat White und Shots “Ich muss schließlich nicht alles nachmachen, was alle anderen Cafés anbieten. Da bleibe ich mir lieber treu”. Den Zucker sollte man im Idealfall auch nicht brauchen - denn ein guter, nicht zu stark gerösteter Kaffee bringt die notwendige Süße von ganz alleine mit. "Sonst gibt es von mir einen neuen Kaffee". Und da sind wir schon mitten im Thema.

“Fast immer wird Kaffee viel zu stark geröstet - er verbrennt dann und was wir schmecken, sind nur noch die Röstaromen - und nicht mehr der eigentliche Kaffee. Ich verwende nur Kaffee, der extrem schwach geröstet wurde. Deshalb sieht man die individuelle Farbe im Kaffee viel stärker”. Diese Überzeugung ist Teil der Third Wave Coffee-Bewegung. Und die lebt Linus mit jeder Faser. "Es ist, als hätten alle jahrelang Weintrauben gegessen und plötzlich entdeckt eine kleine Gruppe, dass es auch Wein gibt", beschreibt er das Konzept. Es geht dabei um junge Leute, die dem Kaffee mit Ruhe und Respekt begegnen, die Aromenvielfalt zelebrieren und sich für für Transparenz im Kaffeehandel einsetzen.

Bei Tørnqvist gibt es keinen Fairtrade Kaffee, sondern nur Ware aus Direct Trade, die von den Bauern kommt und genau diese auch profitieren lässt. Die Behutsamkeit, mit der der Kaffee behandelt wird, ist für Linus auch ein Zeichen von Respekt gegenüber den Kaffeebauern.

Alles am Tørnqvist strahlt genau diesen Respekt und diese Liebe aus - zum Kaffee, zur skandinavischen Kultur, zur Ruhe und zur Gemächlichkeit. Wer hier einen Kaffee bestellt, der bekommt nur das Beste aus skandinavischen Mikroröstereien. Da die Skandinavier die fleißigsten Kaffeetrinker weltweit sind und auch die Röstereien zu den besten gehören, liegt die Verbindung nahe. Linus arbeitet unter anderem mit Drop Coffee aus Stockholm und Tim Wendelboe aus Oslo zusammen und bereitet jeden Filterkaffee mit der gegebenen Ruhe und Hingabe zu: Erst wird der Filter mit heißem Wasser übergossen, um den Papiergeschmack verschwinden zu lassen, erst danach wird der für jede Tasse neu gemahlene und abgewogene Kaffee in den Filter gefüllt und immer und immer wieder neu übergossen. Auch Kaffeelaien erkennen nach dem ersten Schluck, dass es sich hier um etwas Besonderes handelt. Nach ein paar Tørnqvist-Kaffees sind sie dann bekehrt - und wissen die Qualität zu schätzen.

Linus’ Ziel ist es, ein festes Café zu eröffnen - bis dahin gibt es das Pop-Up-Café Tørnqvist, das schon im zweiten Winter in St. Pauli in den Räumen von Luicella’s Ice Cream seinen Platz gefunden hat, und seinen VW-Bus, mit dem er Wochen- und Street Food Märkte besucht.

Unbedingt probieren: Natürlich einen Flat White - auch der reine Filterkaffee ist definitiv einen Versuch wert (oder zwei, oder drei...). Selbst, wenn man eigentlich Kaffee-mit-Milch-Trinker*in ist. Ein saftiges Croissant gehört natürlich auch dazu.

Money: Der Kaffee ist mit 3,50 Euro für einen Flat White und 4,20 Euro für ein Kännchen Handbrew nicht günstig - aber seinen Preis wert.

Beste Zeit: Vormittags unter der Woche ist meist am wenigsten los - am Wochenende vielleicht lieber einen Coffee To Go holen.