"Start with a Friend" bringt Geflüchtete und Einheimische zusammen
„Start with a Friend“ ist ein Projekt von Menschen für Menschen. Es geht darum, Locals und Geflüchtete miteinander in Kontakt zu bringen - auf Augenhöhe, nicht als Hilfsmission. 2014 in Berlin gestartet, gibt es mittlerweile in vielen deutschen Städten Anlaufpunkte, um sich einbringen zu können. Denn: Die Hand zu reichen und sich auf neue Bekanntschaften einzulassen, ist weniger anstrengend, als viele denken. „Start with a Friend“ will genau diese Barrieren abbauen und mit Wissen und Ansprechpartnern zur Seite stehen.
Wir haben Sarah, eine der Gründerinnen des Projekts, zum Interview getroffen:
Sarah, erzähl doch mal, wer ist das Team hinter „Start with a Friend“?
Also, gegründet haben wir das Projekt als drei Freunde, Franziska, Marten und ich. Wir alle hatten zuvor im Bereich Asyl und Integration gearbeitet. Zwei sind Asylrechtler und ich bin Volkswirtin mit dem Schwerpunkt Integration. Wir haben dann einfach mit unseren Erfahrungen diesen Bedarf gesehen, dass es ein Projekt wie unseres geben sollte. Inzwischen ist das Team auf acht Personen angewachsen – mit und ohne Fluchterfahrung und unterschiedlichsten Hintergründen. Ergänzt wird das Team durch unzählige Ehrenamtliche.
Habt ihr - neben den beruflichen - auch persönliche Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht?
Franziska hat lange schon einen Syrer begleitet, aber nicht in einer so organisierten Form, wie wir das jetzt machen. Sie fand diese Eins zu Eins-Beziehung auf der einen Seite extrem gewinnbringend, aber auch herausfordernd und hätte sich im ganzen Verfahren ein bisschen mehr Begleitung gewünscht. Franziska hatte Glück, dass sie Asylrechtsexperten ist, trotzdem musste sie sich sehr, sehr viele Informationen selbst zusammen suchen und bewerten, ob das überhaupt ein guter oder weniger guter Ansprechpartner ist. Und auch wir anderen hatten schon zahlreiche Erfahrungen im Kontakt und der Beratung von geflüchteten Menschen.
Wie ist es zu der Idee für „Start with a Friend“ gekommen?
Wir haben die ganzen Bedarfe aus unseren persönlichen Erfahrungen und dem beruflichen Know-How zusammen getragen und wollten diese in einem Projekt umsetzen, das den Eins zu Eins-Ansatz hat. Also, dass man wirklich nachhaltig eine Person trifft, dabei aber auch gut begleitet wird. Wir wollten Menschen, die keine Asylrechtsexperten sind, unser Wissen zur Verfügung stellen, damit sie sich gut engagieren können. Dann wollten wir den Punkt mit der zeitliche Flexibilität angehen, dass auch Menschen, die berufstätig oder familiär stark eingespannt sind, sich trotzdem engagieren können. Darüber hinaus war es unser Wunsch, dass im Besten Fall Freundeskreise entsteht, Gemeinschaften, in der man sich austauschen kann.
Und nachdem die Idee stand: Wie seid ihr die Umsetzung des Projekts angegangen?
Wir haben tatsächlich erst einmal den Leitfaden erstellt, also unser ganzes Wissen zusammen getragen. Zuerst haben wir nur am Berliner Standort angefangen und haben wirklich ganz Lowlevel geguckt, ob es funktioniert. Wir sind an Beratungsstellen herangegangen und haben denen das vorgestellt, haben gefragt: „Könnt ihr euch vorstellen, dass das ein guter Ansatz ist?“ Die meisten haben gesagt: „Ja, wir glauben auf jeden Fall, dass der Bedarf dafür da ist.“
Dann haben die Beratungsstellen das an Geflüchtete, bei denen sie gesagt haben, das wäre jemand, der den Bedarf hat, weiter getragen und wir haben dann einfach angefangen, die ersten Locals darüber zu informieren, dass es diese neue Möglichkeit gibt. Im April 2015 haben wir die ersten Locals und Geflüchteten getroffen und zusammen gebracht und haben gleich gemerkt, dass es sehr, sehr gut funktioniert.
Wie haben sich die 1,1 Millionen Geflüchtete, die 2015 nach Deutschland gekommen sind, auf eure Arbeit ausgewirkt?
Auf einmal kam der August/September 2015 und das Thema wurde sehr, sehr groß. Wir hatten extrem viele Nachfragen von Menschen, die mitmachen wollten - nicht mehr nur in Berlin, sondern auch in anderen Städten. Die Leute haben gesagt: „Wir mögen den Ansatz, wir möchten das auch bei uns umsetzen.“
Erklär doch bitte einmal ganz kurz, was die Locals genau bei „Start with a Friend“ erwartet.
Wenn ich mich als Local anmelde, erwartet mich erstmal ein Informationsabend. Der findet an verschiedenen Standorten regelmäßig statt - die genauen Daten findet man auf unserer Website. Wir erzählen dort, wie alles genau abläuft, was wir unter dem Konzept der Augenhöhe verstehen: Dass es eben kein Hilfsprojekt ist, sondern man jemanden gleichberechtigt kennen lernt. Wir geben dann Informationen dazu, wie zum Beispiel ein erstes Treffen aussehen kann und versuchen, die Fragen und vielleicht auch die Unsicherheiten, die jemand hat, zu klären.
Danach erwartet mich, dass ich mit jemandem in Kontakt gebracht werde, mit dem ich mich im besten Fall einmal die Woche treffe. Wir gucken, dass wir Menschen zusammen bringen, die ähnliche Bedarfe und Interessen haben. Wenn zum Beispiel jemand sagt: „Ich bin Student und möchte jemanden, der gar nicht so große Unterstützung bei Behördengängen benötigt, sondern jemanden, mit dem ich einfach mal Kaffee trinken kann“, dann versuchen wir, Leute zusammen zu bringen, die ähnlichen Bedarfe haben, damit man nachhaltige Beziehungen schaffen kann.
Darüber hinaus gibt es dann noch Wissensangebote, dass man auch noch mal Nachschlagewerke hat. Im Team gibt es immer ein Ansprechpartner und wir veranstalten Gemeinschaftsaktivitäten, wo man sich auch austauschen kann.
Und was erwartet mich als Flüchtling?
Für den Geflüchteten ist es so, dass er sich bei uns meldet und dann gibt es zunächst ein Eins zu Eins-Treffen. In diesem Erstgespräch wird geguckt, was das für eine Person ist. Ist das jemand, der gerade viele Themen hat, der vielleicht jemanden braucht, der mehr Zeit hat? Ist es jemand, der schon sehr gut hier angekommen ist und einfach nur zusätzlich eine neue Bekanntschaft haben möchte? Wir versuchen so gute Matchings zu machen und nachhaltige Beziehungen zu schaffen.
Was möchtet ihr gern mit diesem Projekt erreichen?
Wir versuchen, nachhaltige, gute Beziehung zu schaffen und glauben, dass es das Wichtigste ist, miteinander zu reden und nicht übereinander. Nur so kann ein Miteinander wirklich nachhaltig in der Gesellschaft funktionieren, in der man sich kennen lernt und offen aufeinander zugeht.
Was ist euer Wunsch für eine gemeinsame Zukunft?
Wir möchten die Idee in der Gesellschaft verankern, dass es gar keinen großen Ansatz bedarf, um sich nachhaltig zu engagieren und das es auch noch eine schöne Sache ist. Es ist nicht anstrengend, sondern eine positive, neue Beziehung, die dein Leben auch einfach total bereichern kann. Es ist ja nicht so, dass die eine Person nur nimmt und die andere nur gibt. Unsere Locals sagen auch immer wieder, wie unfassbar viel sie selbst dadurch profitieren, weil sie nochmal einen anderen Blickwinkel, vielleicht auch ganz neues Wissen über Deutschland und ganz andere Teile der Welt vermittelt bekommen.
Wann ist denn der nächste Termin in Hamburg, bei dem man sich informieren kann?
Ich habe gestern erst mit dem Standort Hamburg gesprochen. Die neuen Terminfür die Informationstreffen werden noch eingestellt, so dass man sich direkt anmelden kann. Ein paar Plätze gibt es noch für den 08.08., am 24.08. ist dann wieder der nächste Termin. Hier findet ihr alle weiteren Infos.