11 mal Kultur gratis mit der Hamburger Freikarte

Blick in die Ausstellung VISUALLEADER 2014 im Haus der Photographie. Foto: © Henning Rogge / Deichtorhallen Hamburg

Halleluja! Es ist Mitte Oktober, oder in anderen Worten: Das Leben ist jetzt wirklich kein Kindergeburtstag mehr. Die Uni fängt (wieder) an. Dabei war doch gerade noch alles so leicht und unbeschwert; womöglich hat man ganze Wochenende in schönen Parks verbracht, ist mit seinem Date auf der Alster geschippert und hat kleinen Kindern mit hübschen Vätern total verrückt die Schaukel vor der Nase weggeschnappt. „You only live once“ hat man sich richtig inspiriert beim Feiern gesagt, hat lässig ein paar Dance-Moves vorgeführt, um sich schließlich mit seiner Zunge im altbekannten Mund des Exfreundes wiederzufinden. Im Herbst geht das aber alles nicht mehr –  Berge aus Laub erscheinen einem irgendwie nur als Kindergartenkind total witzig und faszinierend. Es gibt eigentlich nur drei zulässige Dinge, über die man sich im Herbst freuen darf:

1. Man kann jetzt wieder damit aufhören, sich jeden Tag die Beine zu rasieren

2. Man findet irgendwann auf Anhieb eine Strumpfhose ohne Laufmasche in seinem Chaos von Kleiderschrank (oder investiert in unzerstörbare Strumpfhosen – soll es wirklich geben!).

3. Man ist Erstsemestriger (oder Zweitsemestriger) in Hamburg und bekommt daher die Freikarte für das WS 2016 geschenkt. All jene, auf die Letzteres zutrifft, sollten nun sofort ihren Jutebeutel nach diesem kleinen, violetten Heftchen durchsuchen. But first: Diese Liste lesen.

1. Surreale Begegnungen

Der Herbst, das ist diese melancholische Jahreszeit, in der man nicht nur lange Briefe schreibt, sondern auch intensive Gespräche führt - etwa über die Sinnhaftigkeit eines Literaturnobelpreises für Bob Dylan. Im Herbst versteht man vieles vielleicht nicht. Die beste Zeit, um an einem dieser vielen verregneten Sonntage in die Hamburger Kunsthalle zu gehen. In der groß angelegten Schau namens „Dalí, Ernst, Miró, Magritte ...Surreale Begegnungen “ zeigt das neu sanierte Haus über 150 Meisterwerke des Surrealismus aus insgesamt vier bedeutenden Privatsammlungen. Etwa das knallrote Mae-West-Lippensofa (1938) oder einen großen Paravent des jungen Salvador Dalí. Neben weiteren berühmten Meistern der Epoche – Magritte, Arp, Ernst – , präsentiert die Ausstellung auch erstmals neu zu entdeckende Arbeiten von Künstlerinnen wie Leonora Carrington oder Dorothea Tanning. Einfach Freikarte beim Eingang zeigen, los geht’s.

(c)

Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall, 20095 Hamburg | 07.Oktober 2016 – 22. Januar 2017 | Dienstag - Mittwoch 10-18 Uhr, Donnerstag 10-21 Uhr, Freitag-Sonntag 10-18 Uhr

2. Schwarzmarkt für nützliches Wissen & Nichtwissen

Du fandest Experteninterviews schon bei deiner Bachelorarbeit eine gute Sache? Dann wird der „Schwarzmarkt“ auf Kampnagel genau dein Event sein. Statt renommierten Spezialisten via E-Mail endlos Honig ums Maul zu schmieren, kannst du dir hier einen Experten aus Literatur, Medizin oder Medien gegen die Zahlung moderater Beträge einfach kaufen. Dieses „Beratungsgespräch“ kostet nur einen Euro, dauert 30 Minuten und ist quasi ein Blind Date mit sehr viel Tiefgang. Hinter diesem Wissensspektakel mit rund 90 Experten steckt die Mobile Akademie Berlin, die mit ihrer Schattenwirtschaft der besonderen Art schon in insgesamt 14 Ländern mit Stationen in Tel Aviv, São Paulo oder Warschau gastierte. Ihr Hamburger Schwarzmarkt geht diesmal der Frage nach, wie „Behinderung“ unser übliches Nachdenken über Autonomie, Körper und Technik durcheinanderbringt. Die erste Expertenrunde startet um 19:30, jeweils halbstündlich startet eine neue Runde bis 23:00. Der Einlass startet 18:30 und ist für Zuhörer jederzeit möglich.

(c) Hans-Ludwig Böhme

Kampnagel – K2, Jarrestraße 20, 22303 Hamburg | Fr, 21.10.2016, 18:30-23 Uhr

3. Ausstellung Entscheiden – Über das Leben im Supermarkt der Möglichkeiten

Ins Herz von Barmbek zu pilgern lohnt sich immer – nicht nur aufgrund des großartigen Kulturflohmarkts, der an Wochenenden direkt neben dem Museum der Arbeit stattfindet. Auch das Museum selbst hat viel zu bieten und kann mit der Freikarte umsonst besucht werden. Seit August zeigt das Haus unter anderem die Ausstellung „Entscheiden“ und die Generation Y schreit yeah! Im Ernst: Der Mensch ist heute mit täglich 20.000 Entscheidungen konfrontiert und die Vielfalt an Optionen nimmt stetig zu. Aufstehen oder liegen bleiben? Club oder Couch? Android oder Apple? Gibt es überhaupt falsche Entscheidungen? In der interaktiven Ausstellung kann man sein eigenes Entscheidungsverhalten reflektieren, über die letze Wahl oder Beziehung oder beides nachdenken welche Entscheidungen Giovanni di Lorenzo oder Urs Meier in ihrem Leben womöglich bereuen. Die Schau stammt ursprünglich aus der Schweiz und ist seit Oktober 2014 auf Deutschlandtournee.

© Universum® Bremen

Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, 22305 Hamburg | 26. August 2016 bis 29. Januar 2017 | Montag 13-21 Uhr, Dienstag - Samstag 10-17 Uhr, Sonntag 10-18 Uhr

4. sports/ no sports

Mit der Jogginghose ins Mercado in Altona? Im Jahr 2016 kein Problem mehr – Sportbekleidung ist längst im Alltag angekommen. Und das nicht nur am #casualfriday. Die Ausstellung „sports/ no sports“ im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) geht genau dieser Korrelation zwischen Sportkleidung und Mode nach und fragt dabei im Speziellen, wie Klamotten gesellschaftliche Strukturen reflektieren. Grafiken, Kleidungsstücke und Fotografien veranschaulichen, was sich in den letzten 120 Jahren in der Welt der Textilien getan hat und welche Rolle Politik, Körperideale und Industrie hierbei spielten und mitunter noch immer spielen. Fun fact: Die Schau findet stilecht in der neu eröffneten Turnhalle des Hauses statt.

(c) Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Craig Green, Herrenanzug, London, F/S 2015

Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, 20099 Hamburg | bis 20. 8. 2017. | Dienstag – Sonntag 10–18 Uhr, Donnerstag 10-21 Uhr

5. Urban String »Anechoic Chamber«

Noch mehr Klassik – und zwar im Flakturm.  Seit 2014 residiert das Ensemble Resonanz im 1. Stockwerk des Bunkers an der Feldstraße, gleich neben dem Musikgeschäft Just Music. Die Location mit toller Akustik und beeindruckendem Lichtkonzept ist Proberaum wie musikalischer Spielplatz. Jeden Monat vermengt sich zudem Kammermusik mit elektronischen Melodien bei der Konzertreihe „urban strings“. So auch am 16. November – da stellen sich Nika Son und das Ensemble Resonanz die Frage : Hören wir niemals nichts?

(c) Jan Wilken

resonanzraum St. Pauli, Feldstraße 66, 20359 Hamburg | 16.November 2016, 21 Uhr

6. Polizeimuseum Hamburg

Du verpasst sonntags nie den Tatort, kennst alle Krimis von Henning Mankell und „The Girl with the Dragon Tattoo“ war dein erster girl crush? Ab mit dir ins Polizeimuseum Hamburg!  Dort kannst du nicht nur mehr über Hamburger Polizeigeschichte erfahren, sondern bekommst auch Einblicke in die Welt der Kriminaltechnik und darfst sogar aktiv bei der Aufklärung eines Falls mithelfen. Außerdem lernst du etwas über die acht spektakulärsten Morde der Hansestadt und siehst die gefälschten „Hitler-Tagebücher“ oder die Säge des Frauenmörders Honka. Wichtig zu wissen: Das Polizeimuseum ist Teil des Geländes der Akademie der Polizei -  du solltest dich daher ausweisen können.

Polizeimuseum Hamburg, Carl-Cohn-Straße 39, 22297 Hamburg | Öffnungszeiten: Dienstag - Donnerstag & Sonntag 11-17 Uhr | Mehr Informationen unter www.hamburg.de/polizeimuseum/

7. Am kürzeren Ende der Sonnenallee

Sonnenallee, das ist doch dieser witzige DDR-Film von Leander Haußmann! Korrekt.

Und der wurde jetzt vom Altonaer Theater für die Bühne adaptiert? Err...das stimmt nicht ganz, als Vorlage diente Regisseur Peter Dehler nämlich nicht der Film, sondern Thomas Brussigs Roman „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“, der erst nach dem Kinoerfolg in den Handel kam. Aus dem Buch hat Dehler – selbst in der DDR aufgewachsen – ein launiges Musical gemacht, das noch bis 23. Oktober im Altonaer Theater zu sehen ist. Tatsächlich bringt das Haus nur auf die Bühne, was einmal ein Buch war. So feiert 2017 etwa das Stück „Homo Faber“ nach dem gleichnamigen Max-Frisch-Roman Premiere. Falls du „Sonnenallee“ aufgrund deiner ersten Vorlesungen verpasst, kannst du bis Ende Dezember auch noch Vorstellungen wie „In 80 Tagen um die Welt“ oder „Don Quijote“ kostenlos mit der Freikarte besuchen.

Important to know: Bei Theaterstücken und Konzerten erhältst du erst 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn mit der Freikarte ein kostenloses Ticket an der Kasse. Premieren und Sonderveranstaltungen sind ausgeschlossen.

© G2 Baraniak | Altonaer Theater

Altonaer Theater, Museumstraße 17, 22765 Hamburg | 19.10.-23.10., 19 bzw. 20 Uhr 

8. Eine Sommernacht

Warum im Bett eine belanglose Serie gucken, wenn es das Thalia Theater gibt? Die Freikarte ermöglicht kostenlosen Zutritt zu zahlreichen Stücken im großen Haus und in der Dependance in der Gaußstraße. Ab und an wird sogar die Theaterbar zur Bühne – etwa beim Stück „Eine Sommernacht“ im Nachtasyl. Die Story klingt wie ein früher Tom-Waits-Song: Der Kleinkriminelle Bob (André Schimansky) begegnet der Scheidungsanwältin Helena (Marie Löcker) in einer schottischen Kneipe. Es folgen ein weinseliger One-Night- Stand, ein Besuch im Swinger Club und ein 15.000 Pfund teurer Walk of Shame. Das Stück geschrieben haben Gordon McIntyre und David Greig; Regie führte Franziska Autzen; die Musik kommt von der Band „We don't suck we blow“. Wir finden, das klingt nach einem gelungenen Abend!

(c) Krafft Angerer

Nachtasyl, Thalia Theater Alstertor, Alstertor, 20095 Hamburg |  27.10.2016, 20:30 - 21:45 Uhr

9. Meta 4

Falls dir diese verregnete Sommernacht zu verwegen erscheint, könntest du stattdessen etwas bodenständigere Kammermusik in der Laeiszhalle genießen. Denn dort ist am selben Tag das finnische Streichquartett „Meta 4“ im kleinen Saal zu Gast. Im Programm der vier Musiker stehen oft Komponisten aus Finnland, aber auch Künstler wie Schostakowitsch (echte Herbstmusik) oder Beethoven. Als Einstimmung könntest du dir gleich den Walzer No 2 aus der Jazz Suite No 2 von Dimitri Schostakowitsch anhören. Meta 4 ist nicht das einzige Konzert der Elbphilharmonie & Laeizhalle, das du kostenlos mit der Freikarte besuchen kannst. Eine Übersicht zu allen Konzerten & Terminen findest du hier.

(c) Thies Ratzke

Laeiszhalle, Johannes-Brahms-Platz, 20355 Hamburg | 27.10., 20 Uhr

10. Visual Leader 2016

Noch bis Ende des Monats zeigen die Deichtorhallen das Beste, was in den letzten 12 Monaten von Deutschlands Medien produziert und mit dem LeadAward 2016 ausgezeichnet wurde. Ob Fotos, Magazinstrecken oder Werbekampagnen: Die Fülle an herausragenden Arbeiten aus Kreativ- und Medienszene ist beeindruckend. Ein Schwerpunkt liegt auf Schwarzweißfotografie und Fotoreportagen über Krisengebiete wie Syrien oder der Ostukraine. Andere Fotos zeigen private Momente. Besonders ergreifend: Die Fotostrecke von Nancy Borowick, bei der die Fotografin das Leben ihrer Eltern, die beide innerhalb weniger Wochen eine Krebsdiagnose erhielten, dokumentierte.

Blick in die Ausstellung VISUALLEADER 2014 im Haus der Photographie. Foto: © Henning Rogge / Deichtorhallen Hamburg

HAUS DER PHOTOGRAPHIE, Deichtorstraße 1-2, 20095 Hamburg | Dienstag - Sonntag 11-18 Uhr

11. EisZeiten

Der Herbst ist auch die Jahreszeit des Abschieds: Die Blätter fallen von den Bäumen, es wird immer früher dunkel; kurz: Der Winter steht vor der Tür. Das Archäologische Museum und das Museum für Völkerkunde lädt daher ab 18. Oktober zur Doppelausstellung „EisZeiten“. Letzteres geht vor allem der Frage nach, wie Menschen in der Polarregion ihr Leben meistern. Gezeigt wird etwa ein 100 Jahre alter und besonders robuster Parka aus Seehunddarm oder ein Kinderanorak aus Fischblasenhaut. Neben weiteren praktischen Themen wie Jagd oder Rentierzucht, widmet sich die Ausstellung auch dem Überirdischen und präsentiert etwa eine Maske aus Südwestalaska, die dazu diente, die Visionen der Schamanen zu veranschaulichen. Witzig: Der Erfinder des Surrealismus André Breton war von dieser mächtigen Maske derart fasziniert, dass er sie in den 1930er Jahren in Paris ausstellte. So schließt sich ein Kreis.

Good to know: Im Museum für Völkerkunde befindet sich zudem jener Hörsaal, in dem 1908 die ersten Vorlesungen der Hansestadt stattfanden. Damals studierte der Hamburger aber noch nicht an der Uni, sondern am Vorläufer namens „Kolonialinstitut“.

Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee 64, 20148 Hamburg | 18. Oktober 2016 – 14. Mai 2017 | Dienstag - Mittwoch 10-18 Uhr, Donnerstag 10-21 Uhr, Freitag - Sonntag 10-18 Uhr

Zurück zur Startseite