Authentisch, ehrlich, bodenständig: die Kaffeeklappe in Wilhelmsburg
Volker, 29, Koch, Regieassistent, Produktionsassistent, Studium der Kultur der Metropole - Mitinhaber der Kaffeeklappe. Sein Lebenslauf ist so spannend, wie sein kleines Café eingerichtet ist. Beim Betreten des Ladens steht man eigentlich schon am Tresen und kann aus kalten und warmen Getränken, Bier und Wein wählen. Dazu kommen Frühstück, Mittag, Kuchen und Bistrogerichte auf den Tisch, die das Herz ein bisschen höher schlagen lassen. Die Kaffeeklappe ist nicht bio, nicht (nur) vegan, sie ist bodenständig, authentisch, ehrlich.
„Es muss halt geil sein!“, sind Volkers Worte zum Thema Essen. Als gelernter Koch, der im Essener Schloss, bei einem Italiener in Chile, in einem Sushirestaurant in Buenos Aires und bei einem Sternekoch gearbeitet hat, weiß er, dass unterschiedlichste Gerichte sich nicht ausschließen müssen, sondern fusionieren können. So wie sich eben auch seine beruflichen Interessen nicht aus- sondern zusammenschlossen und den Weg für Wilhelmsburgs Wohnzimmer ebneten.
"Ausgewählt, aber gut."
Also gibt es kreative und bunte Speisen. Und während er im ersten halben Jahr eigentlich jeden Tag in der Küche stand, dachte er gleichzeitig: „Ja, frischen Kuchen brauchen wir auf jeden Fall auch. Und es muss geilen Kaffee geben, geilen Tee und irgendwie muss es auch Frühstück geben.“ Am wichtigsten ist Volker aber, dass alles einer gewissen Qualität entspricht - ausgewählt, gut und lecker.
Der große, schwere Holztresen ist das Kommunikationszentrum des Cafés. Auch wenn er unverrückbar, überdimensional und mitten im Raum steht, ist es der Ort, an dem die Gäste ankommen und ihren Platz finden. Die Kaffeeklappe ist von hier offen, zugänglich und doch verwinkelt und gemütlich gestaltet. Volker will den Leuten ein Gefühl des Vertrauens geben. Dass sie sich wohlfühlen und wissen: die Sachen, die sie hier bekommen, sind kein Müll, sondern gut.
„Wilhelmsburg ist nicht so weit und auch ich bin nicht so weit, um den superhippen Scheiß zu fahren, wo alles genau so aussehen muss wie in Neukölln oder London. Es ist in der Kaffeeklappe tüdelig, kramig, es fällt alles die ganze Zeit runter, nichts passt so richtig und ich finde, das passt am besten zum Stadtteil und zu mir, weil es ungezwungen und angenehm wirkt.“, sagt Volker. Außerdem fiel es ihm mit dieser Erkenntnis bedeutend leichter, bei der großen Planung ruhiger zu bleiben.
„Und ich habe auf Anhieb natürlich ‚Nein‘ gesagt."
Marco Antonio Reyes Loredo, einer der kreativen Köpfe der Konspirativen Küchenkonzerte, kam damals auf Volker zu: „Ey, da ist gerade DIE Location frei geworden in Wilhelmsburg. Hättest du nicht Bock?“ „Und ich habe auf Anhieb natürlich ‚Nein‘ gesagt, weil ich natürlich eigentlich dachte: ‚Gastronomie? Oh nee, nicht schon wieder‘“, erzählt Volker. Für ihn ist die Sache mit der Gastronomie ein Zwiespalt:
„Auf der einen Seite macht es Spaß. Es ist geil, einen Kaffee herzustellen und zu wissen, dass da diese und jene Produkte drin sind. Zu wissen, dass die Leute hungrig reinkommen und glücklich rausgehen - auf der anderen Seite es ist auch extreme, ewige, stetige Selbstausbeutung. Jedes Business hat eigentlich eine Off-Zeit, wenn es erstmal aufgebaut ist und läuft, aber hier ist eigentlich immer eine On-Zeit - man ist immer verfügbar.
Das ist auch cool, es ist ein unglaubliches Training, um motiviert zu bleiben und irgendwie nach Außen eine Wirkung hinzukriegen, dass man nicht völlig zerstört ist, dass man das alles irgendwie relativ locker wippen kann. Und irgendwann glaubt man sich das alles auch selber, aber unterm Strich macht man sich halt schon ziemlich fertig. Auf jeden Fall habe ich damals dann doch ‚Ja‘ gesagt, weil ich auch noch einmal anders über die Sache nachgedacht habe:
Es werden ja nicht nur meine Fähigkeiten als Koch gefordert, womit ich eigentlich ein wenig abgeschlossen habe, weil ich weiß, dass ich sonst spätestens in zehn Jahren an irgendwelchen Krankheiten leiden würde - entweder Alkoholismus oder eine durchtrennte Nasenscheidewand, nein, weil ich an der Kaffeklappe lernen kann, wie man ein Geschäft und eine Firma aufbauen kann. Und das fand ich total spannend und es ist immer noch eine nicht endenden Lernphase.“
„Geiler wird’s nicht mehr!"
Geholfen, dass Konzept für die Kaffeeklappe zu starten, hat ebenfalls Marko, der sagte: „Ey Wilhelmsburg, alter Arbeiterstadtteil, eigentlich muss es ein bisschen in genau diese Richtung gehen.“. Die Vermieterin erzählte, dass das Haus, in dem jetzt die Kaffeelappe ist, damals gegen eine Schute getauscht wurde. „Außerdem waren Kaffeeklappen eine super Institution: Sie waren die Verpflegung für die Arbeiter im Hafengebiet. Es war ein Versuch, die Leute von einem Almosengedanken wegzuheben. Sie mussten dafür zahlen und wurden mehr auf ein bürgerliches Level gehoben.“, erzählt Volker.
„Geiler wird’s nicht mehr! Jeder, der jetzt nachfragt, dem kann ich Geschichten um die Ohren hauen bis zum Geht-nicht-mehr.“, dachte er sich. Heute ist die Kaffeeklappe keine Mensa mehr, so wie früher die Klappen die Geburtsstunden der Mensen in Deutschland waren, aber der Bezug zum Hafen, der war Volker trotzdem wichtig. Also standen eines Tages alle drei Gründer im Hafenmuseum und haben sich Dinge angeschaut.
„Was hängt da so? Was steht da so rum?“, dachten sie sich und so kamen dann die Lampen über den großen Tisch in der Kaffeeklappe und das Waschbecken ins Bad. „Das sind Dinge, die ganz viel transportieren, einfach dadurch, dass sie Original sind, wie auch der alte Zollzaun hier, der von Olaf Scholz abgerissen wurde, um den Spreehafen für die Elbinselbewohner freizugeben.“, erzählt Volker. In der Kaffeeklappe wird Nostalgie begehbar und erlebbar, ganz ohne musealen Charakter.
„All das versteht man nicht, wenn man hier reinkommt, all das soll man auch nicht verstehen, wenn man hier reinkommt. Was man hier machen soll, ist sich wohlfühlen und entspannen, das machen, was man gerade zu tun hat. Aber wenn man Lust hat, sich damit zu beschäftigen, kann man das. Und es ist eine Verankerung im Stadtteil, der das auch so gebraucht hat. Die Leute haben mehr verdient, eben ein Wohnzimmer, wo sie sich wohlfühlen.“, sagt Volker. Und genau dieser Plan ist voll aufgegangen, denn seit Tag 1 der Kaffeeklappe hat eben jene ihre treuen Stammgäste.
Unbedingt probieren: Ein klassischer Fall von "Einmal alles, bitte!" Eigentlich könnt ihr in der Kaffeeklappe nichts bestellen, was nicht schmeckt. Weil selten in Hamburg: Brioche!
Veggie: Auch für Vegetarier und Veganer findet sich immer etwas.
Money: Fair!
Beste Zeit: Frühstück, Mittag, Kuchenzeit.
Kaffeeklappe | Fährstraße 69 | Montag - Freitag: 08-19 Uhr, Samstag-Sonntag: 10-19 Uhr | mehr Infos