Das "Jill" ist die neue Pizzeria in den Schanzenhöfen

© Maria Anna Schwarzberg

Ja, was mit den Schanzenhöfen passierte, ist ein Graus. Es ist unfair, unschön und vor allem der Inbegriff des Wandels, der seit geraumer Zeit in der Schanze Einzug hat. Verantwortlich für diese Situation sind die Investoren, die neuen Eigentümer - nicht die neuen Mieter. Trotzdem sind es genau die, die den ganzen Unmut zu spüren bekommen.

Jill, Inhaberin des gleichnamigen Restaurants, musste schon während des Umbaus viel Gegenwind erfahren: eingeschmissene Fenster, besprühe Fassade, zugeklebte Türen und Beleidigungen - sogar vor ihrer fünfjährigen Tochter. Man mag dem Wandel kritisch gegenüber stehen, mag sogar aus unterschiedlichen Gründen wenig von den neuen Mietern halten, aber: Aggression und Gewalt sind und bleiben der völlig falsche Weg, der die falschen Menschen trifft.

Jill Schanze Hamburg Pizzeria
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Jill ist nicht nur die neue Pizzeria, Jill ist Mama und Herzblutselbstständige

Hinter einem solchen Restaurant stehen nicht nur neue Mieter, es sind vor allem Menschen. In diesem Fall ist es Jill, eine zweiunddreißigjährige Mutter, die sehr lang davon träumte, sich selbstständig zu machen. Nach ihrer Ausbildung zur Cutterassistentin, wechselte sie während des Fachabis sehr schnell in den Gastro-Bereich. Zuletzt arbeitete sie im Pyjama Park auf der Reeperbahn, um ihrer Tochter zuliebe zu Kita-freundlichen Öffnungszeiten arbeiten gehen zu können. Ihr damaliger Arbeitgeber, Stephan Behrmann, ist jetzt ihr neuer Vermieter.

Jill Schanze Hamburg Pizzeria
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Vor sechs Jahren dachte sie bereits daran, das kleine Café in der Markstraße von Stephan Behrmanns Frau zu übernehmen, hatte aber noch nicht den finanziellen Spielraum. „Es war einfach noch nicht Zeit dafür“, sagt Jill, „außerdem war ich zu dem Zeitpunkt, auch wenn ich es noch nicht wusste, bereits mit meiner Tochter schwanger.“ Also suchte sie sich vor allem Jobs, die sich gut mit den Öffnungszeiten der Kita vereinbaren ließen und ermöglichte so ihrem Lebensgefährten und Vater der kleinen Tochter, sich als Vollblutmusiker auszutoben. Jetzt macht er ihren alten Job im Hotel, damit sie ihren Traum vom eigenen Restaurant leben kann.

Jill Schanze Hamburg Pizzeria
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Stephan Behrmann sei dann auf Jill zugekommen und habe ihr gesagt, dass sie zweite Wahl wäre, aber sollten die vorigen Vermieter nicht als Untermieter bleiben wollen, würden sie die Ladenfläche mieten können. Der Konflikt um die Schanzenhöfe war zu diesem Zeitpunkt bereits in vollem Gang, der Hass gegen Stephan Behrmann längst ausgebreitet. Für die Vorbesitzer war es deshalb keine Option, zu bleiben. Mitte März ist Jill dann in den Mietvertrag eingestiegen und hat einfach alles auf eine Karte gesetzt.

Jill Schanze Hamburg Pizzeria
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Es gibt nie nur eine Seite der Medaille

Dass Gegenwind kommen würde, hatte Jill erwartet. Aber sie erhofft sich, dass die Kritiker mit der Zeit sehen, dass sie dort etwas Individuelles umsetzt, dass sie sich auch die andere Seite der Medaille anschauen. Sie selbst ist in der Schanze groß geworden und fühlt sich dort auch heute heimisch und wohl. Aber es gibt einen harten Kern, den wird sie nie erreichen können, wie sie selbst sagt: „Es bringt aber auch nichts, immer wieder das Gespräch zu suchen, sie wollen gar nichts anderes hören. Die werden mich einfach für immer und ewig blöd finden.“

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Vom Publikum wird sie dafür um so besser angenommen. Auch ihrem Lokal negativ Gegenüberstehende konnte sie oftmals am Zaun abfangen. Jill sprach mit ihnen und stellte sich und ihr Restaurant vor. Meistens wurde zugehört und „Viel Erfolg!“ und „Viel Glück!“ gewünscht. Es geht Jill nicht darum, andere zu überzeugen, sie möchte lediglich, dass beide Seiten der Medaille gesehen werden.

Jill Schanze Hamburg Pizzeria
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Aus diesem Grund stand die Tür auch schon zu Beginn der Renovierung immer offen: Jill wollte Offenheit zeigen, transparent sein und weder sich, noch ihr Restaurant verbergen. Die Fenster nach vorn wurden dann zugebrettert, weil sie erst eingeschmissen worden sind und Jill die neuen Fester dann nicht gleich wieder zerstört vorfinden wollte. Jetzt hat sich die Lage, laut Jill, aber entspannt.

Jill Schanze Hamburg Pizzeria
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Auf die napoletanische Pizza gekommen

Die Idee zur napoletanischen Pizza hatte Jill durch einen Stammgast im Hotel. Er erzählte ihr von einem Restaurant dieser Art in Köln und Jill schaute es sich sofort an - und verliebte sich in die ganz neue Form der Pizza. Obwohl es, so sagt sie, eigentlich die traditionelle Form der Pizza ist. Für uns ist sie neu, weil wir eigentlich die römischen Pizzen kennen.

Jill Schanze Hamburg Pizzeria
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Sie verfolgte das Thema weiter, sah sich um, las sich in das Pendant zu den Burgern ein. Genau genommen sind die napoletanischen Pizzen aber gar kein Fastfood, sondern Slowfood. Der Trend aus den USA ist bereits nach Deutschland übergeschwappt: In Köln, Düsseldorf, Frankfurt und Berlin gibt es bereits einige der napoletanischen Pizzerien.

Jill Schanze Hamburg Pizzeria

Zwischendurch überlegte Jill, sich mit einem Partner zusammen zu tun. Die Idee zerschlug sich aber sehr schnell, weil dieser seine Unternehmensziele änderte und Hardcore-Franchisen wollte. „Nein, das bin ich nicht, das will ich nicht und das will auch die Schanze nicht.“, war daraufhin Jills Ansage und sie ging ihre Planung allein an. Tolle Pizzaiolo, also italienische Pizzabäcker - ein Beruf, der in Italien hohes Ansehen genießt -, unterstützen sie dabei, das Produkt so echt und authentisch wie möglich auf den Tisch zu bekommen.

Jill Schanze Hamburg Pizzeria
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Das Herzstück ihrer Pizzeria ist der zweieinhalb Tonnen schwere Ofen, der in Neapel von Stefano Ferrara, einem der letzten seines Handwerks, gefertigt worden ist. Mit dem LKW ist er dann in den Norden, und mit dem Gabelstapler durch das mittlere Restaurantfenster gebracht worden.

Jill Schanze Hamburg Pizzeria
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Und das macht die napoletanische Pizza aus:

Bei der napoletanischen Pizza geht es vor allem um den Teig, der zwei bis drei Tage gären muss, damit die Pizza bekömmlich ist und der Teig intensiv schmeckt. Die Pizza wird dann nicht sechs bis neun Minuten, sondern nur sechzig Sekunden bei dreihundertfünfzig bis vierhundertachtzig Grad gebacken. So entsteht auch das für die napoletanische Pizza typische "Leoparding". Es ist durch die hohe Hitze unvermeidbar und spielt auch beim Geschmack eine große Rolle.

Jill Schanze Hamburg Pizzeria
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Der Pizzaiolo lässt die Pizzen durch den Ofen tanzen, so dass die Pizza immer wieder die Seite zur Flamme wechselt. Durch die kurze Backzeit bleiben die Zutaten sehr frisch und knackig, die Pizza wird nicht fettig. Den Pizzaiolos könnt ihr bei ihrer Arbeit durch die große Glasscheibe im Restaurant zusehen. Jill war Transparenz nicht nur während der Bauarbeiten wichtig, auch jetzt möchte sie nichts verbergen und einen offenen Blick auf alles freigeben, was sie aufgebaut hat.

Jill Schanze Hamburg Pizzeria
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Wichtig war Jill auch ein gutes Getränkekonzept: Sie setzt auf eine offene Weinkarte mit neunzehn Positionen, was von den Gästen bisher sehr gelobt worden ist. Der zweite Fokus liegt auf Gin Tonic: Sechs verschiedene Gin-Sorten stehen zur Auswahl, zu jeder gibt es den passenden Tonic, der in seiner Note durch Gurke, Rosmarin oder andere Zutaten unterstützt wird.

Unbedingt probieren: Spinatpizza mit frischem Spinat.

Veggies: Pizza kommt auch ohne Fleisch super aus!

Money: Die Pizza kostet euch zwischen 7 und 13 Euro.

Geile Zeit: Zum Mittagstisch, zum Abendessen oder auch mal nur auf einen Gin Tonic an die Bar.

Jill | Bartelsstraße 12, 20357 Hamburg | Montag - Sonntag: 07:30-01 Uhr | mehr Infos

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