Ich will eure Kinder nicht in Sozialen Netzwerken sehen!

© Mike Mols via Shutterstock

Eine 18-jährige soll in Österreich ihre Eltern verklagt haben, weil diese seit 2009 im Tagesrhythmus Kinderbilder von ihr auf Facebook posteten. Auch wenn diese Meldung anscheinend ein Fake ist, wirft sie doch Licht auf ein weit verbreitetes Problem: Das visuelle Mitteilungsbedürfnis von jungen Eltern in sozialen Medien. Es gibt viele Gründe, die dagegen sprechen, sein Kind im Internet zur Schau zu stellen – und kaum einen dafür. Mehr als ein „Ich entscheide, was für mein Kind gut ist“ oder den flapsigen Alltimer „Du musst es dir ja nicht anschauen“, kommt an Pro-Argumenten oft nicht rum. Warum tut ihr das also, liebe Eltern?

Fotoalben im alten Regal bei den Eltern haben ihren Sinn und Zweck

Ich habe volles Verständnis, dass Eltern stolz wie Oskar auf ihren Nachwuchs sind und möglichst viele Momente mit der Kamera festhalten wollen. Auch die Schrankwand Eiche Rustikal im Wohnzimmer meiner Eltern ist Heimat Dutzender abgegriffener Fotoalben.

Mein Heranwachsen ist fotografisch bis ins letzte Detail dokumentiert. In den Alben reihen sich Meilensteine wie Einschulung, Weihnachten und das erste Reitturnier an Peinlichkeiten wie neonfarbene Radlerhosen, Nacktbaden im Planschbecken und erste Experimente mit Glitzer-Lidschatten.

Aber wenn ich mich heute in meine sozialen Netzwerke einlogge, bin ich sehr froh, dass es dieses Archiv ausschließlich analog gibt. Möchten andere Leute daran teilhaben, müssen sie im Wohnzimmer Platz nehmen und einen Nachmittag Zeit mitbringen. Das möchten die wenigsten und so gibt es außer mir und meinen Eltern nicht mehr als eine Handvoll Menschen, die wissen, welchen Schlafanzug ich Weihnachten 1993 trug. Glücklicherweise.

Heute ist das anders. Ich bin nun in dem Alter, in dem die Leute um mich herum anfangen, Kinder zu kriegen. Und viele von ihnen machen das ziemlich öffentlich. Beinahe täglich finde ich mich auf dem virtuellen Sofa von entfernten Bekannten wieder und kriege Bilder des Nachwuchses präsentiert – ob ich will oder nicht. In der Regel will ich das nicht.

Es geht mich einfach nichts an. Wenn es mich etwas angeht, dann bekomme ich solche Bilder von engen Freunden per Mail oder Whatsapp. Privat. Ich bin mir außerdem ziemlich sicher, dass ein großer Teil der mir öffentlich präsentierten Kinder – könnten sie sich zu dem Thema äußern – das auch nicht wollen. Die Gründe liegen auf der Hand.

Wenn Kinder zu Inhalten werden

"Social Network" bedeutet doch eigentlich, dass Menschen eine Plattform haben, auf der sie interagieren können. Im Falle der Kinderfotos steht man jedoch vor dem Problem, dass die Kinder Teil einer Interaktion sind, an der sie selbst nicht teilhaben können – sie werden zum Inhalt, und mit dem kann ja bekanntlich jeder anfangen, was er will.

Dazu kommt, dass ein Großteil der Bilder, der durch die Weiten der Netzwerke geblasen wird, öffentlich abrufbar ist. Das heißt, so ziemlich alle Menschen haben Zugriff auf das Fotomaterial – wenn sie wollen. Wollen tun das in erster Linie pädophil-veranlagte Menschen. Die stellen bestenfalls keine konkrete Gefahr dar, laden aber dennoch gerne eure Bilder runter und verwenden diese auf fragwürdigen Plattformen weiter. Polizeidienststellen haben schon mehrmals auf diese Gefahr hingewiesen, es scheint jedoch noch nicht bei jedem angekommen zu sein. Oder finden so viele einfach den “Privat”-Knopf in ihrem Instagramprofil nicht? Oder wissen nicht, dass Profil- und Coverbild auf Facebook per se öffentlich sind?

Böse sind nun die, die hinter dieser groben Fahrlässigkeit nicht nur komplett fehlende Medienkompetenz, sondern reinen Egoismus vermuten. Es scheint tatsächlich Eltern zu geben, die mit Hilfe ihrer Kinder ihren eigenen Status in den sozialen Medien verbessern wollen. Kinder, die lustige oder niedliche Sachen machen, sind ja schließlich ein Garant für Likes, Kommentare und Follower, oder? Und keine Sorge, was für das Kind später peinlich ist oder nicht, entscheidet Mutti oder Vati – die wissen es schließlich am besten. Leider stimmt das nicht. Am besten wissen das nämlich im Zweifel später die eigenen Kinder und deren Mitschüler.

Versprochen, irgendein pubertierender Mitschüler wird das “lustige” Bild von eurem Kind beim Töpfchentraining auf Facebook finden und in der Klasse verbreiten. Und spätestens dann solltet ihr euch eine gute Erklärung zurechtgelegt haben, warum ihr die Persönlichkeitsrechte eurer Kinder eiskalt ignoriert habt.

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