Glaube, Liebe, Hamburg: I was grabbed by the pussy

Hamburger Berg, vor einem Jahr: Die Bar war wie üblich extrem überfüllt, ich stand mit dem Rücken zur Theke gelehnt und wartete, bis eine Reihe Leute an mir Richtung Toilette vorbei ziehen konnte. Da passierte es. Es dauerte nur einen kurzen Augenblick: Ich fühlte, wie eine fremde Hand mir in meine Vagina kniff. Recht zielsicher muss ich sagen, vielleicht geübt. Nach einem kurzen Schockmoment versuchte ich auszumachen, wer es war, aber das konnte ich nicht. Ich blickte auf mehrere Hinterköpfe, die es von der Entfernung her hätten sein können. Ich überlegte, was ich tun sollte. Jemanden rufen. Aber wen beschuldigen? Also tat ich - nichts. Ja, genau, ich tat einfach nichts. Außer mich widerlich zu fühlen.

Was genau konnte ich denn eigentlich dagegen unternehmen?

Das war ein Fremder. Ich wünschte, ich könnte sagen, das wäre der einzige Vorfall gewesen. Aber während meines Studiums passierte etwas aus ähnlicher Kategorie mit einem eigentlichen „Studienfreund", ein bis heute beliebter Kerl aus der Uniclique. Ich war frisch getrennt und er hatte sich in den Kopf gesetzt, dass wir miteinander schlafen müssten. Im Club griff er mir betrunken an den Hintern. Ich drehte mich um und sagte ihm, na was schon, irgendwas im Sinne von, dass er das gefälligst sein lassen solle. Dreist blickte er mir ins Gesicht und packte mir an die Oberweite. "Was willst du denn dagegen machen?".

Wieder dieser Schockmoment. Ja, stimmt, was genau wollte ich denn jetzt dagegen machen? Ich habe die Geschichte nie verschwiegen, ich habe sie damals im Freundeskreis offen erzählt. Aber es wird nichts geändert haben, was denn auch. Ungewollt am Hintern begrapscht wurde ich da ja auch nicht zum ersten mal. Nicht mal zum zweiten oder dritten oder vierten...

Dann hörte ich letzte Woche, wie der republikanische Präsidentschaftskandidat darüber sprach, wie einfach es wäre, seine Machtposition auszunutzen, um sexuelle Übergriffe an Frauen zu begehen. When you are a star. You can do anything. Grab them by the pussy. You can do anything. Und so weiter. Ja, so denken viele, dachte ich. Und erinnere mich ans Wochenende, wenn ich feiern gehe.

Regel Nummer 1) Achte beim Tanzen immer auf deinen Arsch, weil du nie weisst, wer sich da gerade ohne dein Einverständnis einen an dir runter schubbert.

Regel Nummer 2) Achte auch auf den Arsch deiner Freundinnen.

Ein Typ belästigt euch früher oder später sowieso. Ist nicht der Erste, wird auch nicht der Letzte sein. Der stellt sich aufdringlich dazu. Kommt grenzüberschreitend nahe. Versteht kein Nein. Geht nicht weg. Versucht dich anzufassen. Packt dich am Arm. Packt dir an den Arsch. Penetriert mit Blicken, drängt sich immer wieder auf. Riecht an deinen Haaren. Alles ist möglich. Verbal. Nonverbal. You name it.

Bin ich bereits taub geworden für diese Belästigungen beim Tanzen gehen?

Ich bin schon beinahe abgestumpft für diese Grauzone von chronischer, sexueller Belästigung im Nachtleben. Ich habe anscheinend verinnerlicht, dass nur Themen wie Silvester in Köln, Sexueller Missbrauch, Vergewaltigung ernst sind. Diese Nebensächlichkeiten beim Ausgehen, die sind halber Standard, gehören schon fast dazu. Wenn du hübsch bist und hübsche Freundinnen hast. Ach, was rede ich da, wenn du eine Frau bist und ausgehst. Egal wohin. Egal wie du angezogen bist. Ob betrunken oder nicht. Das muss man eben aushalten, kann man nicht viel gegen machen. Glaube ich.

Wie wär's, wenn wir das alle zusammen mal nicht ok finden würden?

Nee, halt mal. Stopp. Heute war es die Rede von Michelle Obama, die mich wieder daran erinnert hat, dass es fucking nicht normal ist. Dass bereits diese gesellschaftlich geduldete Grauzone eine Grenzüberschreitung darstellt, gegen die es sich zu wehren gilt. Laut, klar und deutlich. Denn lange bevor es in die Medien und zu den statistisch nicht erfassten Dunkelziffern kommt, passiert es ja irgendwie schon längst im Alltag. Mir zum Beispiel, wenn ich weggehe. Deshalb, hier, mein großes Fuck you für jeden, der das tut und/oder jemals getan hat. Und ein noch viel größeres Go fuck yourself für diejenigen, die so etwas runter spielen. Banalisieren. Es ist nicht banal. Nur mal an den Arsch packen, ist doch nichts dabei. Locker room talk? Nein. Einfach nein. Und auch nicht immer wieder "Nein" - einmal Nein muss reichen.

 

Dieser Artikel wurde von unserer Autorin Mariam Pourseifi verfasst.

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