Down the rabbit hole – Farewell, Hasenschaukel!

© laurensmp via Instagram

Bis vor Kurzem gab es eine Hamburger Bar, die hätte ich geheiratet (so steht es auch in meinem Autorenprofil). Aber genau genommen war die Hasenschaukel für mich viel mehr als nur eine Bar.

Die Hasenschaukel war das erste Nachtlokal (Ihr lacht, aber die Bezeichnung passt wirklich: Früher wurde dort richtig leckeres vegetarisches Essen serviert.), das ich im Winter 2008 in Hamburg besuchte, noch bevor ich überhaupt hierher gezogen bin. Mein Freund sollte dort zusammen mit anderen Singer/ Songwritern ein Konzert spielen. Aus der niedersächsischen Provinz fuhren wir mit dem Zug in die große Stadt. Und dann war da dieser verdammt coole Musikclub mit der verspielten Einrichtung und dem leicht verschrobenen Publikum in der verruchten Straße mitten auf dem Kiez. Aufregend und einschüchternd zugleich. Ich fühlte mich plötzlich so urban und doch irgendwie klein und fehl am Platz.

 

 

Empfohlener redaktioneller inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, mit dem wir den Artikel bereichern.
Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden.
Beim Laden des Inhalts akzeptierst du die Datenschutzerklärung.

A post shared by Marina Fages (@marinafages) on

Die Hasenschaukel war der Ort, den ich Jahre später nicht mehr zaghaft, sondern mit einer Selbstverständlichkeit betrat, wie ich sonst nur in mein eigenes Wohnzimmer gehe. Weil hier Freunde, Bekannte und Mitbewohner hinter der Bar ausschenkten, am Tresen saßen oder auf der kleinen Bühne vor dem künstlichen Kaminfeuer spielten. Weil ich im Rauchersalon so einiges an Zigaretten weggequalmt und Menschen dabei entweder verflucht oder geliebt habe. Weil ich auch zu später Stunde in die Hasenschaukel hereinstolpern konnte, um mir vor dem Schlafengehen noch einen Schnaps einschenken zu lassen.

Empfohlener redaktioneller inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, mit dem wir den Artikel bereichern.
Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden.
Beim Laden des Inhalts akzeptierst du die Datenschutzerklärung.

A post shared by I l e a n a (@clickyoverload) on

Bunt wie die Kleider der Besitzerin

Die Hasenschaukel war eine Mischung aus „Alice in Wonderland“ und dem „Little Shop of Horrors“. Draußen lächelte ihr Wahrzeichen, das pinke Häschen, den Besuchern freundlich von einem Holzschild entgegen, drinnen hingen strangulierte Porzellanpuppen und dienten als Tischbeleuchtung. In dem sonderbaren Traum aus Rosa und Lindgrün trafen ein wunderschön gefliester Boden, edle Tapeten und Jugendstil-Verzierungen auf billige Lichterketten und den Möchtegern-Kamin. Woanders hätte das schnell kitschig wirken können, doch der Hasenschaukel stand ihr Outfit, das so campy und bunt war wie die Kleider ihrer Besitzerin.

Die Toilette der Hasenschaukel war kein abgeranztes Loch, in dem man befürchten musste, sich alle möglichen Krankheiten einzufangen. Bei meinen ersten Besuchen bin ich so damit beschäftigt gewesen, die putzige Kindertapete mit ihren schaukelnden Hasen und wippenden Elefanten sowie die glitzernden Spülkästen und Mülleimer zu bewundern, dass ich dabei fast die Zeit vergessen habe.

Empfohlener redaktioneller inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, mit dem wir den Artikel bereichern.
Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden.
Beim Laden des Inhalts akzeptierst du die Datenschutzerklärung.

A post shared by Stefan Kracht (@stefan_kracht) on

Arme Jungs und Mädels welcome

Die Hasenschaukel war der Ort, an dem auch arme Jungs und Mädchen gute Konzerte erleben konnten. Eintritt mussten die Gäste nur in Ausnahmefällen – selbst zum Reeperbahn Festival nicht – zahlen. Stattdessen ging nach den Auftritten der Hut herum, in den die Zuschauer eine Spende für die Musiker geben konnten. Hier standen Singer/ Songwriter wie Gisbert zu Knyphausen und Kristofer Aström oder die Berliner Band Chuckamuck auf der Bühne, bevor sie größere Säle füllten.

Die Hasenschaukel war ein Refugium an den Adventssonntagen. Sie gaukelte keine falsche Besinnlichkeit vor, die Menschen saßen bei entspannter Musik, Märchenfilmen, Kaffee und Kuchen einfach gemütlich zusammen. Und plötzlich war es gar nicht mehr so übel, Weihnachten zu feiern.

Die Hasenschaukel war eine Meisterin, wenn es um das Artwork ihrer Programmankündigungen und das Design ihrer Webseite ging. Ich bereue es jetzt schon, dass ich nicht die ganzen zuckersüßen Flyer der vergangenen Jahre aufgehoben und gesammelt habe.

 

Empfohlener redaktioneller inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, mit dem wir den Artikel bereichern.
Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden.
Beim Laden des Inhalts akzeptierst du die Datenschutzerklärung.

A post shared by I l e a n a (@clickyoverload) on

Die Hasenschaukel, sie war nie zu voll oder zu leer. Wenn der Raum aus allen Nähten platzte, stellte ich mich eben draußen vor die Tür. Waren kaum Gäste da, glotzen die Leute nicht blöd und gaben mir nie das Gefühl, unerwünscht zu sein,

Die Hasenschaukel war eine Institution im Hamburger Nachtleben, die 2014 schon einmal gerettet wurde und die nun doch die Vergnügungs-Bühne von St. Pauli verlassen hat. Verglichen zu dem kollektiven Aufschrei und dem Engagement, als eine Crowdfunding-Kampagne und mehrere Soli-Konzerte das Häschen am Leben erhielten, erfolgte der Abschied jetzt ziemlich still und leise. „We came, said what we had to say, and then we left“ zitiert das Hasenschaukel-Team auf seiner Website den The-Clash-Bassisten Paul Simonon.

Empfohlener redaktioneller inhalt

An dieser Stelle findest du einen externen Inhalt, mit dem wir den Artikel bereichern.
Du kannst ihn dir mit einem Klick anzeigen lassen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden.
Beim Laden des Inhalts akzeptierst du die Datenschutzerklärung.

A post shared by I l e a n a (@clickyoverload) on

Die Hasenschaukel, der Ort an dem alles Ok war

Dafür, dass ich gerade eine regelrechte Ode an die Hasenschaukel geschrieben habe, verlief auch mein Abschied von ihr eher unspektakulär. Am vorletzten Abend stand ich mit Freunden draußen vor der Tür rum. Wir tranken Bier wie immer, unterhielten uns wie immer, machten nur ab und zu ein paar Scherze darüber, was wir gerne alles an Einrichtungsgegenständen aus dem Laden für uns beanspruchen würden. Das ist zwar nicht besonders emotional, gibt aber ganz gut das Gefühl wieder, das ich immer hatte, wenn ich die Haseschaukel besuchte.

Hier gab es kein Drama, hier waren alle und alles entspannt. Und auch wenn gerade nicht alles rund lief: In den Momenten in der Hasenschaukel war einfach ALLES OK. Genau so möchte ich sie auch in Erinnerung behalten: herrlich unaufgeregt, ein schummriger Bau mit liebenswürdig-leidenschaftlichen Menschen und Musik(ern) mit Herz, in den ich abtauchen konnte, wenn draußen in der Welt mal wieder alles viel zu hektisch wurde. „Rabbit underground, rabbit safe and sound“ (Watership Down).

Zurück zur Startseite