Der Hamburger Herbst ist der bessere Indian Summer - Warum eigentlich?
Es scheint, als hätte sich der Sommer dieses Jahr etwas Zeit gelassen. Ein bisschen wie unser eine Kumpel, der jedes mal versucht pünktlich zu sein und dann doch zwei Stunden zu spät kommt.
Warten ist grundsätzlich keine Sache die wir gute beherrschen. Man spielt am Handy, legt sich nochmal kurz auf die Couch, bekommt ein schlechtes Gewissen und fängt dann langsam an, die Bude aufzuräumen. Doch gerade dann, wenn du dich damit abgefunden hast, den Tag doch alleine zu verbringen, klingelt es und die Freude über deinen Besuch ist doppelt so groß wie zuvor - schließlich wäre die andere Option ja auch Staubsaugen gewesen.
Großspurige Metaphern fallen einem zur Genüge ein, wenn man die letzten Wochen in Hamburg verbracht hat. Doch viel schöner ist die Realität, in der wir uns momentan befinden: 20 Grad, Sonne, leichter Wind.
Wer will schon 40 Grad im Juli, sich kaputtschwitzen im August? Richtig, eigentlich nur Team Sauna und denen kann das Wetter ja egal sein. Was wir jedoch gerade erleben, ist besser als alles, was man sich Jahr für Jahr für den Hochsommer wünscht: Wir können die Tage draußen verbringen, müssen aber nicht in ein überfülltes Schwimmbad liegen. Mit Freunden im Park liegen ist auch bei 20 Grad kein Problem, doch Sonnenschirm, Sonnencreme und die Literflasche Deo bleibt zu Hause stehen und seien wir mal ehrlich: den meisten von uns stehen Herbstklamotten besser als Kurze Hose und Tank-Top.
Selbstverständlich würde diese Liste endlos weiterführen. Doch was mich wirklich interessiert, ist die Frage, warum gerade der Sonnige Herbst diese Stadt so unfassbar schön macht?
Hamburg, Herbsttadt
Ich denke, es sind zweierlei Dinge, die uns zurzeit so betören: Hamburg ist keine Sommerstadt. Sie ist schlicht und einfach nicht für den Sommer ausgelegt. Der Elbstrand ist zu klein für 2 Millionen Hamburger, Freibäder gibt es nur wenige (gute) und breite Straßen mit massig Sitzplätzen in Cafés sind schwer zu finden. Den typischen Sommeraktivitäten kann man in Hamburg sowieso nicht nachgehen.
Stattdessen haben bietet die Stadt unzählige Möglichkeiten, die wir das ganze Jahr (und bei jedem Wetter) nutzen können - die in Sachen Geilheit jedoch bei 20 Grad und Sonnenschein nochmal einen drauf setzen.
Dass Hamburg Herbststadt ist, dafür gibt es viele Beispiele: Die Gardinenkneipen stellen ihre drei Bierbänke auf den Gehweg, quer, sodass Passanten durchlaufen und die BiertrinkerInnen dem Geschehen auf der Straße folgen können. Die Hamburger Parks, mit ihren großen Flächen und noch größeren Bäumen färben sich bunt und haben im Unterschied zu vielen Parks in anderen deutschen Städten genügend Bänke, die auch noch bequem sind. Und mit dem Alten Land, der Lüneburger Heide und dem Alstertal (und und und) haben wir nahgelegene Ausflugsziele, die bei 35 Grad im Schatten mehr Kraftakt als Entspannung sind.
In Hamburg gibt’s den besseren Indian Summer
Dass der Indian Summer immer als Nonplusultra für eine schöne Herbstzeit gewertet wird, finde ich falsch. Man muss nicht nach Boston fliegen und dort durch Wälder in Maine oder New Hampshire zu spazieren um bunte Vegetation erleben zu können. Der Indian Summer wird vor allem deshalb so gehyped, weil er so lange andauert (September bis Mitte November). Doch in Sachen Herbst auskosten, haben es die Erfinder Halloweens nicht sehr weit gebracht.
Zwei Indian Summer habe ich dort erlebt und bis auf den Ausflug zu einer Apfelfarm und den Blätterhaufen in unserer Einfahrt habe ich kaum etwas vom Herbst mitbekommen. Der Grund ist relativ einfach: Bei uns, vor allem in Hamburg, findet ein Großteil der sozialen Aktivität draußen statt. Kaffee trinken, Bier trinken, Freunde treffen - beim ersten Sonnenstrahl sind die Hamburger Straßen voll wie der DOM bei Freifahrten. In Amerika heißt es eher Coffee-ToGo und Essen mit nach Hause nehmen.
Und das ist es, was ich an diesem Hamburger Herbst (es ist mein erster hier) so besonders finde: Die Menschen leben und kosten ihn von Anbeginn desTages bist zum letzten Sonnenstrahl aus. Die Überraschung, dass wir auch am 26. September noch unser Abendessen mit Freunden noch auf dem Balkon veranstalten können, löst bei Hamburgern überschwängliche Euphorie aus wie ich sie weder aus meiner süddeutschen Heimat, noch aus Boston kenne. Denn im Gegensatz zu den Menschen dort, wissen wir gutes Wetter wirklich zu schätzen und sehen es nicht als Bringschuld des Wettergottes, im August blauen Himmel und im Dezember 30 cm Schnee liefern zu müssen. Wir nehmen es wie es kommt und das ist gut so.