Glaube, Liebe, Hamburg: Jahresrückblick für Anfänger
Moleskine, schwarz, Softcover. Links die Wochenübersicht, rechts Platz für Notizen. Ich habe immer den gleichen Kalender und eines meiner liebsten Rituale zum Jahresende ist es, den frisch Gekauften für das kommende Jahr einzuweihen. Ich nehme mir also 30 Minuten Zeit, setze mich mit meinem alten und meinem neuen Kalender an den Tisch und fange an, alles zu übertragen, was ich aus dem vergangenen Jahr übernehmen kann. Geburtstage, Feiertage, Jubiläen. Steht schon etwas fest - beispielsweise der Besuch einer Konferenz im Mai - so trage ich das auch ein. Es klingt kitschig, aber stehen sich die beiden Kalender gegenüber, sehe ich ein vergangenes Jahr voller Termine, Tränen, schöner Ereignisse, Herausforderungen und Erlebnisse. Und ich sehe die Möglichkeit, aus dem kommenden Jahr eines zu machen, das mich überwiegend glücklich macht, mich lernen und wachsen lässt.
Das wirklich Wichtige lese nur ich heraus
Beim Durchblättern des alten Jahres stehen da eingetragene Verabredungen. Kaffeetrinken, Mensaessen, Dates in hippen Bars. Dazwischen vollgekritzelte Seiten, wenn ich mal wieder spontan jemanden für einen Artikel befragt und keinen Block dabeihatte. Ich sehe unangenehme Termine. To-Do-Listen, die von Anfang an unrealistisch waren. Ich sehe leere Wochen, von denen nur ich weiß, warum hier nichts eingetragen ist.
Ich könnte theoretisch einmal schnell durchblättern und den Kalender wegräumen. Zeit für einen Neuanfang, Zeit für einen neuen Kalender. Aber manchmal ist es eben wichtig, noch einmal das Jahr Revue passieren zu lassen. Denn Achtsamkeit ist auch im Rückblick nicht nur eine Worthülse. Damit vermeiden wir, dass wir uns in einigen Jahren die Frage stellen: “2016 war allgemein ganz schön schlimm. Aber was habe ich persönlich eigentlich in dem Jahr gemacht?”
Was hast du dieses Jahr gelernt?
Für mich persönlich war es ein zähes, schwieriges, mühsames Jahr, in dem so viel passiert ist, dass man es lieber auf drei Jahre aufteilen sollte. Und es war ein Jahr, das mir Höhen und Tiefen von Gefühlswelten gezeigt hat, von denen mir nicht klar war, dass es sie gibt. Die Tiefen waren bitterkalt und dunkel wie die Nacht. Die Höhen kann ich nicht beschreiben, ohne in Kitsch zu verfallen. Und doch: Es tut in seiner Gesamtheit weh, sich die einzelnen Stationen anzusehen, sie noch einmal aus der Truhe der Erinnerungen zu holen. Das gilt wohl nicht nur für mich. Aber - blicken wir nicht zurück, dann riskieren wir, ganze Jahre zu verlieren. Irgendwo in den Tiefen unserer Gehirnwindungen lagern diese ganzen Ereignisse, die uns prägen. Schaffen wir es nicht, sie aufzuarbeiten, kann es ganz schön schwierig werden, mit dem umzugehen, was uns Tag für Tag davon begleitet. Und das sage ich mit meiner vollen küchenpsychologischen Kompetenz.
Gleichzeitig können wir auch stolz sein auf das, was wir aus den Erlebnissen gemacht haben. Ich zum Beispiel habe gelernt, Grenzen zu ziehen. Mehr Wert auf mein eigenes Wohlbefinden zu legen und mich von kräftezehrenden Menschen in meinem Umfeld nicht mehr so sehr beeinflussen zu lassen. Gleichzeitig habe ich die Bedeutung von bedingungsloser Freundschaft einmal mehr zu schätzen gelernt. Zu wissen, wen man um sich hat, wenn es hart auf hart kommt (und zu wissen, wer einen alleine lässt, sobald dunkle Wolken aufziehen), ist eine wunderbare Erkenntnis und dies ist vielleicht einmal mehr ein Anlass, sich bei allen zu bedanken, die mich ich haben sein lassen. Gehört nämlich auch zum Jahresrückblick: Einfach mal danke sagen. Für alles Tolle, was uns widerfahren ist. Für die Menschen, die blieben und die Menschen, die neu kamen.
Rituale helfen, uns immer wieder neu zu ordnen
Ein paar Jahre lang habe ich Jahresrückblicke monatsweise aufgeschrieben. Ich brauchte das, um meine Gedanken zu ordnen. Diesmal reicht mir der Rückblick im Kopf. Denn viel lieber blicke ich jetzt nach vorne: Ein Jahreswechsel kommt mir dabei gerade recht. Ich nehme meine (Achtung, Bullshitbingo) Learnings aus 2016 mit und setze sie in 2017 um. Mit neuer Energie, einem neuen Mindset und ganz viel gesundem Selbstbewusstsein.
Mein Kalenderritual hilft mir dabei, diese Vorsätze und diese Motivation aus meinem Kopf in die Hände, in den Stift, aufs Papier zu bringen. Und für alle, die denken, das könne man doch immer machen und man sollte dafür nicht extra ein neues Jahr benötigen: Doch. Es ist okay. Wir Menschen brauchen das, vong Kopf her.