Glaube, Liebe, Hamburg: Haben zwei Frauen ein Date auf dem Hamburger Berg

„Achso. Hm. Darüber muss ich erst mal nachdenken. Morgen oder so…“, ist seine Reaktion, als ich ihm erkläre, dass ich weder die Schwester, noch die Cousine, sondern das Date seiner Bekannten bin.

Besagtes Date und ich schauen uns ob dieser kryptischen Antwort etwas verwirrt an, zucken dann aber die Schultern und beschließen, darüber zu lachen. Vor allem über die Vorstellung, wie dieser Bekannte sich morgen in einen riesigen Ohrensessel setzen, auf seine fein säuberliche Liste mit Dingen, über die er nachdenken muss, blicken, sich zurücklehnen und sein Denkerhütchen und -gesicht aufsetzen wird. Klingt nach der perfekten Sonntagsbeschäftigung.

Gerade ist Samstagabend und wir befinden uns auf dem Weg von der Schanze zum Berg (Für alle Neu-Hamburger: Das hat nichts mit Skispringen zu tun!). Es ist mein zweites Date mit dieser Frau und wir sind mit einer Gruppe ihrer Freunde und Freundinnen unterwegs. Ein, zwei Bier in der Schanze, dann Aufbruch: „Wohin denn jetzt?!“, „Hat irgendwer ‘nen Plan oder was?!“, einige Verabschiedungen, endlich geht jemand voraus und beschließt: Berg. Grobe Richtung, schonmal gut.

Zwischenstopp bei einer Eisdiele, kurz vor Ladenschluss, die großartigerweise auch Cocktails im Doppelpack verkauft. Extra stark für uns. (Jemand kennt die Dame hinter der Theke.) Diskussion der Zielbar: Peter Blau? Zu voll. Mein Date und ich schlagen das Hong Kong vor. Günstige Körbchen-Mexikaner, das wissen wir noch von unserem ersten Abend, der auch dort endete. Also Hong Kong nach kurzer Besprechung. Die ganze Gruppe ist in Feierlaune, die Kneipe ebenfalls voller Samstagabend-Feierwütiger, es läuft trashige Musik. Mexikanerkörbchen und Biere machen die Runde, jemand wünscht sich Britney Spears. Sobald ein Plastikkörbchen leer ist, erscheint wie durch Zauberhand ein neues. Jemand wünscht sich die Spice Girls.

Ich mag das, die Mexikaner, die Nineties-Hits, die Frau neben mir. Ihr Tabak ist alle, also beschließen wir, kurz einen Kiosk zu suchen. Der Kerl, der uns den Tabak verkauft, schenkt uns einen Kurzen, wenn wir kurz draußen warten. Alles klar, so lange Unterhaltung mit einem Mann mittleren Alters. Er trägt einen Hut, der quasi aus silbernen Pailletten besteht, und ist sehr gut drauf. Gut drauf. Gut. Drauf. Haha. Er tanzt für uns und redet unzusammenhängende Dinge. Mein Date und ich küssen uns. Als wir aufblicken, erhaschen wir noch einen kurzen Blick auf das fassungslose Gesicht des Kurzen-Ausgebers. „In dem ist grade eine große Hoffnung gestorben“, raunt die Frau, die ich grade noch küsste, mir zu. Wir lachen und trinken den Kurzen trotzdem. Karamell-Klopfer. Widerlich süßes Zeug.

Zurück im Hong Kong, tanzend und knutschend in der Nähe der Gruppe, die uns nach der kurzen Abwesenheit mit großem Hallo und neuen Shots begrüßt. Einer der wenigen Männer der Gruppe (er ist mit einer Dame hier, die sich schon seit 2 Jahren mehr von ihm wünscht, was aber nie passiert) zeigt großes Interesse an meinem Date und mir. Gerade spricht sie mit anderen Mädels, als er mir über dir Trash-Musik so verschwörerisch wie möglich zuruft: „Seid ihr eigentlich so richtig lesbisch?“ Ich beschließe, die konfrontationsfreudige Seite in mir, die ihn anpöbeln will, was ihn das denn angehe, zu unterdrücken, grinse ihn an und sage freudestrahlend: „Also ich bin bi!“

 

Das reicht ihm nicht als Erklärung: „Aber seid ihr… zusammen oder so?“
„Nee, ist unser zweites Date!“
Ungläubiger Blick seinerseits, dann: „Also so sieht das aber nicht aus!“
Darauf dreht sich mein Date zu ihm um, schaut ihm ins Gesicht und sagt: „Tja, manche brauchen dafür eben nicht zwei Jahre.“

 

In diesem Moment möchte ich ihr einen Preis verleihen. Er verzieht sich erst mal geschlagen auf Toilette. Aber scheinbar hat dieser verbale Totalschaden ihn noch nicht genug aussehen lassen wie einen Vollidioten, weswegen er mich bald, auftauchend aus einem Kuss mit meinem Date, wieder anquatscht: „Sag mal… Darf man bei euch eigentlich zuschauen?“

Ich runzle schon die Stirn, will zu einer Antwort ansetzen, als er hinterherschiebt: „Oder… mitmachen?“

Im Nachhinein bin ich stolz darauf, ihm keine geklatscht zu haben.

Stattdessen blieb ich so ruhig wie möglich und fragte ihn, ob er das auch jedes heterosexuelle Paar in der Bar fragen würde. Ihm dabei zuzuschauen, wie er sich in seinen Antworten verhedderte, war zwar nett, aber ich möchte es noch einmal aufschreiben. Für alle, die glauben, die Sexualität anderer Menschen sei zu ihrem Vergnügen da. Für alle, die Pfeifen oder „Aaaaaaw, süß!“-Rufen für die beste Option halten, wenn sie zwei Frauen sehen, die sich küssen. Für alle, die starren und für alle, die nicht in ihren Kopf bekommen, dass zwei Menschen sie bei ihrem Date nicht dabeihaben wollen und auch nicht permanent einen dritten Teilnehmer für ihr Sexleben suchen:

Denkt doch mal zwei Sekunden nach. Wir sind nicht euer fleischgewordener Porno-Traum. Wenn wir etwas von euch wollen, kommen wir schon damit an. Bis dahin wollen wir ein ganz „normales“ Date haben. Uns küssen, umarmen und miteinander tanzen, ohne euren lüsternen Blicken ausweichen zu müssen. Wie jedes andere Paar, und ich benutze diesen Terminus sehr lose, wie jede andere irgendwie intime Gruppierung auch. So lange ein Abend auf dem Berg oder sonst irgendwo in der Öffentlichkeit auf so viele unnötige und nervtötende Interaktionen hinausläuft, werde ich euch das auch ins Gesicht sagen. Aber ich hoffe, dass das irgendwann überflüssig wird. Ja, da sind zwei Frauen, vielleicht auch zwei Männer, vielleicht auch ein Mann und eine Frau, und sie küssen sich. Kommt damit klar. Und wenn ihr es dringend sexualisieren und fetischisieren wollt, schaut verdammt nochmal Pornos. Aber haltet euch aus dem Privatleben und der Sexualität anderer Menschen heraus. Danke.

Darauf einen Mexikaner? Immer gern. Das Hong Kong soll gute haben, habe ich gehört.

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