Glaube, Liebe, Hamburg: Besser im Taxi weinen als im HVV-Bus

Du machst mich fertig. Du lockst mich zu dir und flüsterst mir süße Dinge ins Ohr. In dem Moment bist du alles, was ich immer wollte – und das weißt du. Du nutzt es aus. Du reißt mir mein Herz aus der Brust, trampelst ein bisschen darauf herum und kannst nur müde über meinen Schmerz lächeln. Wenn wir nicht zusammen sind, dann beneide ich die anderen Menschen. Sie können den ganzen Tag mit dir verbringen. Wochen. Monate. Jahre.

Du weißt, dass ich von uns beiden die Schwächere bin. Diejenige, die aus Abenteuerlust weggegangen ist, aber immer wieder verlässlich zurückkehrt. Egal was du tust – du bist dir mit einer fast schon anstrengenden Arroganz sicher, dass ich wiederkomme. Und damit hast du Recht.

Du weißt auch, dass du dir alles erlauben kannst. Regen und Sturm bei meiner Ankunft? Dein Willkommensgruß könnte kaum liebloser sein.

Ich habe so oft schon aufgezählt, was ich an dir schätze, liebe, bewundere. Na klar. Alles, womit du so angibst: Speicherstadt, Hafen City, Michel, Rathaus – ich habs verstanden. Und ich muss eben auch zugeben, dass ich immer wieder auf diese Features anspringe. Weißt du, wie sich meine Brust vor Freude und Liebeskummer zusammenzieht, wenn ich vom Rödingsmarkt über den Baumwall bis zu den Landungsbrücken fahre? Klar weißt du das. Und du guckst stets lächelnd zu, wenn ich sehnsüchtig an den Fensterscheiben der U-Bahn klebe.

Hamburg-Bokeh-Regen

Dies sind die Dinge, die schnell aufgezählt sind. Sehnsucht? Kein Problem, ich fahre schnell in den Norden, im Zweifel kostet mich das 20 Euro und vier Stunden in einer stickigen Mitfahrgelegenheit. Kurz Hafen, kurz Mönckebergstraße, kurz Alster.

Was mich aber noch so viel mehr an dich bindet, das bekomme ich nicht auf den ersten Blick. Sondern auf den zweiten oder sogar vielleicht erst den dritten.

Das ist das Aussteigen an der Osterstraße, das Laufen durch die Straßen zur besten Freundin. Die Altbauten Eimsbüttels links und rechts. Das bolivianische Restaurant an der ersten und der Croque-Laden an der zweiten Ecke. Die minikleinen Vorgärten. Die Treppenaufgänge. Das ist die Tasse Kaffee zum Frühstück mit besagter bester Freundin, mit der die Treffen immer viel zu kurz ausfallen, weil man sich viel zu selten sieht und sich viel zu viel zu erzählen hat.

Das ist der Buchladen an der Osterstraße, in dem ich zahllose Stunden mit Stöbern und Einkaufen verbracht habe. Kleine Belohnungen nach der Arbeit und weingeschwängerte Spontankäufe, als die Buchhändlerinnen mal wieder ihre Kunden einschlossen und bei Drinks und Snacks über ihre Lieblingsbücher plauderten.

Das sind die Sonntagsspaziergänge zum Kaiser-Friedrich-Ufer. Unvermeidbar jedes Mal der Ausruf “Ohhh das rote Haus da auf dem Wasser“. Ein Eis an der Ecke kaufen und durch die Herbstsonne zurückspazieren.

Das ist die versteckte Herzlichkeit der Verkäuferin beim Bäcker, die sich darüber freut, wie sehr ich mich wiederum darüber freue, endlich wieder Franzbrötchen zu essen.

Das sind die Mexikaner auf dem Hamburger Berg, die natürlich jeden Abend mindestens einer zu viel sind. Zwischendurch ein Astra, wenn ich mich fancy fühle, auch ein Gin Tonic. Und dann noch ein Körbchen Mexikaner für 3 Euro, bitte.

Hamburg-Bokeh-Regen

Das sind die kleinen skandinavisch angehauchten Einrichtungsläden, die mich über meinen Geldbeutel verzweifeln lassen und trotzdem immer wieder diesen gewissen Reiz auf mich ausüben.

Das ist der Stil. Die Eleganz. Das Understatement. Das niemals das gewisse Etwas vermissen lässt.

Das sind die zahlreichen Restaurants, in denen ich mit den Jahren wohl ein kleines Vermögen gelassen habe, das jeden Cent wert war.

Das, was mich an dich bindet, liebste Hansestadt, das ist wohl das, was eine Heimatstadt ausmacht. Die vertrauten Straßen, das Gefühl, aufgehoben zu sein. Aufgehoben und zuhause in der wunderschönsten Stadt der Welt, die niemals langweilig wird, immer etwas zu erzählen hat und ihren Stolz kaum zu verhehlen versucht. Und sei es auch nur temporär, nur ein paar Tage bevor ich wieder in den Zug steige – dieses Gefühl erwischt mich jedes Mal mit voller Wucht.

Hamburg, du brichst mir das Herz. Und flickst es immer wieder zusammen.

Hamburg-Bokeh-Regen


*Dieser Beitrag ist zuerst bei notes to herself erschienen.


Bilder: Dennis Meene | flickr,  Kevin Hackert | flickr, daspunkt | flickr, eightfivezero | flickr
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