Wie es ist, einem Geflüchteten Hamburg näher zu bringen
Wenn geflüchtete Menschen in Hamburg ankommen, sollen sie sich möglichst schnell in der neuen Heimatstadt wohlfühlen. Dafür gibt es Projekte, die Hamburger und geflüchtete Neu-Hamburger zusammenbringen - meist "Tandem-Projekte" genannt. Irgendwie kennen wir Tandems aber nur von den komischen Öko-Nachbarn, die damit seltsam durch die Gegend radeln. Deshalb haben wir uns bei einem der Projekte umgehört, um zu erfahren, wie es da in der Praxis wirklich läuft. Spoiler: Es geht nicht um Fahrräder.
Die Freiwilligenagentur "Zeitspender" hat in Kooperation mit dem Freiwilligen Zentrum Hamburg das Projekt NewHomeHamburg ins Leben gerufen. Sie vermitteln Kurzzeitpatenschaften zwischen Hamburgern und geflüchteten Neu-Hamburgern. Alle, die an dem Projekt teilnehmen möchten, melden sich zu einem kurzen Infogespräch an, lernen sich dann in wechselnden Cafés - zum Beispiel im Why not-Café - kennen und treffen sich danach mindestens drei Mal in zwei Monaten. Manchmal entwickeln sich daraus Freundschaften - so geschehen bei Zerit, Hannah, Gerie und Joni (Bild oben, v.l.n.r.). Für uns haben Hannah und Zerit aufgeschrieben, wie sie das Tandem-Projekt erleben:
Zerit Misgna, 20, aus Eritrea:
Ich hatte die Sozialarbeiterin in meiner Unterkunft gefragt, wie ich Leute kennenlernen kann. Daraufhin hat sie mich in‘s “Why not” Café geschickt.
Dort hab ich Hannah und Joni kennengelernt. Zusammen mit meinem Freund Gerie unternehmen wir jetzt viel. Wir lernen zusammen Deutsch, gehen Spazieren, kochen zusammen und gucken Fußball: Altona 93. Joni und Hannah sind auch schon bei uns in der Unterkunft gewesen, es gab ein großes Eritreisches Fest. Es war sehr schön, dass meine Freunde auch da waren.
Seit wir uns kennen, ist mein Deutsch viel besser geworden.
Wir waren auch schon am Strand spazieren, sind Fahrrad gefahren, haben Klamotten gekauft, Eis gegessen und haben Möbel gebaut. Und ich habe Hannahs Mutter und ihre Freunde kennengelernt.
Seit wir uns kennen, ist mein Deutsch viel besser geworden und wir haben immer sehr viel Spaß zusammen. Hannah gibt mir Hausaufgaben und ich schicke Fotos von den Übungen. Dann schreibt sie mir, welche Fehler ich gemacht habe. Wir können uns nicht jeden Tag sehen, weil alle viel arbeiten und zur Schule gehen. Wir müssen viel lernen, aber das ist nicht so schlimm, weil wir dann telefonieren oder per Whatsapp schreiben. Ich finde, dass es in unserer Freundschaft kein Problem gibt. Es ist toll zusammen und ich bin sehr glücklich.
Wenn ihr auch Freunde kennenlernen wollt, dann fragt ihr eure Sozialarbeiterin– oder mich: Ich schicke die Adresse.
Hannah Hillebrand, 28 aus Hamburg:
Kennengelernt habe ich Zerit und Gerie Mitte Juli durch die ASB Zeitspender-Agentur. Die beiden saßen neben Joni und mir. Nach der Vorstellungsrunde sollten wir uns neu mixen, aber keiner stand auf. Jeder drehte sich nur zu seinem Nachbarn und so entstanden die Paten. Es war also reiner Zufall, aber ein sehr glücklicher!
Beim ersten Treffen sind wir von der Hafencity zum Fischmarkt und zurück gelaufen und haben versucht, uns zu unterhalten. Es wäre gelogen zu sagen, dass wir von Anfang an über “Gott und die Welt” gesprochen haben, aber: Wir haben so viel miteinander gelacht und somit war das Eis schnell gebrochen.
Anfangs haben wir uns immer irgendwelche Aktionen überlegt, aber auch schnell gelernt, dass man überhaupt nicht viel braucht.
Seitdem treffen wir uns regelmäßig – einmal die Woche versuchen wir immer – und machen dann ganz unterschiedliche Sachen. Momentan treffen wir uns meistens bei mir und lernen zusammen Deutsch. Die Jungs bekommen Aufgaben und wir können nebenbei noch ein bisschen arbeiten. Danach kochen und essen wir zusammen – manchmal auch einfach nur eine Tiefkühlpizza, wenn die Zeit knapp ist und dann quatschen wir über den Tag, unsere Sorgen und Wünsche. Anfangs haben wir uns immer irgendwelche Aktionen überlegt, aber auch schnell gelernt, dass man überhaupt nicht viel braucht. Mit meinen anderen Freunden unternehmen wir ja auch nicht bei jedem Treffen die verrücktesten Dinge. Sich sehen, zusammen Spaß haben und einander zuhören reicht.
Bei unserem ersten Treffen an der Elbe fragte uns Zerit: “Warum wart ihr bei dem Treffen im ‚Why not‘-Café? Sucht ihr Freunde?” Wir waren etwas überrascht über die Frage. Nach einem Moment der Stille antworteten wir: Wenn wir alleine in Eritrea ankommen würden, würden wir uns wünschen, dass uns jemand die Stadt zeigt, dass jemand da ist, an den wir uns wenden können, wenn wir mal nicht weiter wissen. Und ich glaube darum geht es: einfach da sein.
Nächste Woche schreibt Zerit den ersten Teil der B1 Prüfung und wir üben sehr fleissig, damit er sie besteht- ich glaube fest daran und dann unternehmen wir vier vielleicht auch wieder etwas ganz Verrücktes.
So könnt ihr an dem Projekt teilnehmen
Vielen Dank an Zerit und Hannah, fürs Aufschreiben, Teilen und Erzählen!
Wer sich für das Tandem-Projekt interessiert und auch eine Kurzzeitpatenschaft übernehmen möchte, der kann am 9.11. zur Kennenlernveranstaltung bei der ASB Zeitspender Agentur vorbeischauen. Hier gibt's mehr Infos.
Und hier geht's zur Seite von NewHomeHamburg.