Ich kann einfach keine Burger mehr sehen

© Franzi Simon

"Der Hamburger mag ein Gebilde sein, das man – vorausgesetzt er ist nicht zu dick – ohne Messer und Gabel essen kann, auf die Hand, als Snack, im Vorbeigehen eben. Kulinarisch (und dort vor allem unter sensorischen Aspekten) ist er aber eine Missgeburt." - das Urteil von Jürgen Dollase, einem der wichtigsten Gastrokritiker Deutschlands, ist wenig schmeichelhaft.

Bevor ich dieser Aussage zustimme, möchte ich fairerweise noch eine Lanze brechen: Der Burgertrend ist gerade dabei, die Schreckensherrschaft von Ronald McDonald zu beenden. Wer Lust auf einen Burger hat, hat heute mehr und vor allem bessere Optionen. Die neue Burgerladen-Generation wirbt mit hochwertigem Fleisch, selbstgebackenem Brot und superfancy Saucen; brät die Patties nicht mehr durch und denkt ganz selbstverständlich an Vegetarier und Veganer. Kannste nix sagen, eigentlich.

Aber: es ist und bleibt NUR ein Burger. So gut die geschmacklichen Komponenten zwischen den  Brötchenhälften für sich sind: es ist in der Regel unmöglich, sie differenziert wahrzunehmen, schließlich hat man gezwungenermaßen alles auf einmal im Mund. Ein überwürzter, von Mango-Chipotle-Mayonnaise getränkter Brei. Gerade der Geschmack des Rindfleisches wird dadurch in den Hintergrund gedrängt - die Zutat, die euren Burger so teuer macht. Übrigens: Es ist absolut ok, viel Geld für sauber produziertes Fleisch zu bezahlen - grenzwertig wird es, wenn für ein Patty aus Bohnen oder Weizeneiweiß der selbe Preis ausgerufen wird. In solchen Läden subventionieren Vegetarier den Fleischkonsum ihrer Freunde. Lasset den Beef beginnen.

Der Trend in den Szenevierteln ließ Burgerlokale wie Pilze aus dem Boden schießen. Und Woche für Woche reibe ich mir die Augen, wenn ich wieder an einem neuen Laden mit exakt gleichem Konzept vorbeigehe. Die gut gefüllten Tische beweisen, dass der Sättigungspunkt noch nicht erreicht ist. Er rückt nur unvermeidlich näher. Dass die Hamburger Mieten alles andere als erschwinglich sind, ist bekannt - entsprechende Margen in den Preisen sind also unbedingt notwendig. Dazu kommt der steigende Konkurrenzdruck. Können und wollen die Lokale ihren Qualitätsstandard beibehalten?

Schon jetzt sucht man häufig einen Hinweis auf die Herkunft und Produktion des Fleisches und findet nur noch schwammige Hinweise auf "den Schlachter des Vertrauens". Pommes werden nicht automatisch super, wenn man die Schale dran lässt oder Süßkartoffeln verwendet - hier hinken einige Läden ihren Premium-Ansprüchen weit hinterher. Es ist Fluch und Segen, dass sich Mängel bei der Zubereitung oder der Qualität der Zutaten oft gar nicht erst feststellen lassen, da die Saucen von Trüffel bis Bluecheese sowieso alles übertönen.

Sorry Hamburg, aber den besten Burger aß ich in der (zweifellos genauso hippen) Berliner Metzgerei Kumpel & Keule. Brötchen, Fleisch, Käse, Tomate, Feldsalat. Keine Zutat und kein Handgriff zu viel, jede Komponente schmeckbar und von bahnbrechender Qualität. Liebe Burgerbrater, nehmt euch daran ein Beispiel. Ein Burger reicht, wenn er perfekt ist. Steckt Eure Grillkompetenzen in eine anspruchsvolle BBQ-Küche, statt immer nur Beef- und Seitan-Patties zu rollen. Eure Kreativität schafft mehr als Dips und Saucen.

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