Kleine, geile, Firma: Beliya
Jedes Kind sollte zur Schule gehen können – ein richtiger und ziemlich schöner Gedanke. Und genau der dient den zwei Hamburger Gründerinnen Annika und Andrea seit einigen Jahren als Antriebsmotor für ihre Arbeit. Mit Beliya haben die beiden Frauen ein Taschen-Label auf den Markt gebracht, das nicht nur mit seinen stilvollen Alltagsbegleitern zu beglücken weiß, sondern unter dem Leitsatz „Be good – be beautiful“ nebenbei auch für soziales Engagement und eine nachhaltige Produktion aus wiederverwerteten Materialien steht. Ihr denkt bei Upcycling-Taschen an bedruckte LKW-Plane und abgenudelte Anschnallgurte? Gibt’s, geht aber auch anders. Wie genau, das verriet uns Annika bei unserem Showroom-Besuch in der Neustadt.
Hallo Annika! Erzähl mal, wie kam es zu Beliya?
Andrea und ich haben Beliya vor vier Jahren gegründet. Wir kennen uns schon aus der Schule und haben später zusammen studiert. Ursprünglich sind wir auf die Idee gekommen, Kindern Bildung zu ermöglichen, weil wir die Doktorarbeit über Mikrokredite geschrieben haben. Dafür waren wir halt in verschiedenen Entwicklungsländern unterwegs, um uns Projekte anzuschauen.
Mikrokredite sind ja Kleinstkredite, die meist Frauen bekommen, damit sie sich eine Existenz aufbauen können. Oft ist dabei eine Auflage, dass ihre Kinder zur Schule gehen müssen. Und da wurde uns total bewusst, dass Bildung für die nächste Generation das wichtigste Gut ist. Weil sie einem nicht mehr weggenommen werden kann, und man so in der Lage ist, den Kreislauf der Armut zu durchbrechen.
Auf der anderen Seite haben wir gesehen, mit was für einer Freude die Kinder dort in die Schule gegangen sind. Weil es für sie teilweise einfach eine Art Oase ist, wo sie aus ihrem weniger schönen Alltag rauskommen. Und da haben wir uns gesagt: Es wäre toll, wenn wir das später mal unterstützen könnten.
Da wurde uns total bewusst, dass Bildung für die nächste Generation das wichtigste Gut ist.
Dann haben wir aber erstmal Berufserfahrung gesammelt und dann nach sechs, sieben Jahren in der Wirtschaft gesagt: Okay, jetzt haben wir das gesehen, haben was gelernt, jetzt wollen wir das auf etwas anwenden, was wir eigentlich toll finden. In dem Zusammenhang haben wir dann das Konzept des Sozialunternehmertums kennengelernt. Das besagt, dass man mit Unternehmen auch Gutes tun kann – und zwar von Anfang an und fest im Geschäftsmodell verankert.
Wir fanden das total spannend und haben uns dann in den USA auch ein paar Unternehmen angeschaut, die das schon erfolgreich machen. Und dann dachten wir: Okay, dann probieren wir es in Deutschland. 2012 sind wir dann gestartet mit Taschen und Accessoires, die einem Kind jeweils ein Schuljahr ermöglichen.
Wie sieht eure Produktpalette mittlerweile aus?
Da gibt es vom Accessoire über Clutches und Rucksäcke bis zur großen Businesstasche ganz viel. Wir sind ursprünglich mit sechs Produkten gestartet und mittlerweile produzieren wir im Rhythmus der Sommer- und Winter-Kollektionen. Zwar sind wir damit nicht immer ganz so früh dran wie andere, aber das ist für ein nachhaltiges Unternehmen wie uns echt eine Herausforderung. Weil man natürlich abschätzen muss, welche Modelle funktionieren werden, wenn man nicht im Nachhinein jede Menge vernichten will. Deshalb braucht man auch ein paar Modelle, die durchgängig funktionieren.
Kannst du den Nachhaltigkeitsaspekt noch einmal erläutern?
Ja, wir dachten uns, es wäre natürlich schön, wenn nicht nur der soziale Aspekt stimmt, sondern auch die gesamte Wertschöpfungskette. Weil es für uns keinen Sinn machte, mit den Taschen etwas Gutes zu tun, wenn uns egal ist, wo sie gefertigt werden. Deshalb verwenden wir ausschließlich Upcycling-Materialien. Das heißt, wir arbeiten mit Ledern und Stoffen, die schon mal ein Leben oder zumindest eine Bestimmung hatten. Zum Teil waren sie schon eingekauft für die Produktion von Luxus-Lederwaren – das kommt häufig vor: Labels kaufen etwas ein und aus irgendeinem Grund wird dann doch nicht produziert.
Zum Teil sind das aber auch Sofaleder-Retouren. Damit produzieren wir zum Beispiel in Ungarn ausschließlich, da kommt das Material von Europas größtem Polsterleder-Hersteller. Tatsächlich werden da fertig genähte Sofas, die nicht ausgeliefert wurden, wieder auseinandergeschnitten. Damit haben wir ursprünglich auch angefangen. Und wir fertigen auch nur in EU-Betrieben, die wir kennen. Wo wir vor Ort gesehen haben, dass die Arbeitsbedingungen stimmen.
Wem, abgesehen vom Taschenträger, kommt der Kauf dann zugute?
Wir arbeiten mit drei Projekten in afrikanischen Ländern zusammen. Die einen, steps for children, haben sechs Schulen in Namibia mit insgesamt mehr als tausend Kindern. Dazu kommen mehrere Schulen in Tansania und das dritte Land ist Burundi, da unterstützen wir eine Schule mit ca. 800 Kindern. Alle Projekte kennen wir schon länger, auch durch unsere Arbeit vor Ort. Uns ist dabei total wichtig, dass die Projekte hauptsächlich mit Ehrenamtlichen funktionieren. Weil das Geld nur so den Kindern zugutekommt und nicht einem großen Apparat, der natürlich administrative Kosten hat.
Und wir genau finanziert mein gekauftes Produkt jetzt ein Schuljahr?
Bei uns ist das Schuljahr eines Kindes in sechs Bausteine aufgeteilt. Je hochwertiger das Produkt, das man kauft, desto größer ist der Baustein, den man mit seinem Spendenanteil ermöglicht. Mit den Accessoires unterstützt man meist Schulprojekte, also die Anschaffung einer Tafel, eines Brunnens – je nachdem, was eben benötigt wird.
Das nächsthöhere ist der Schulbus, denn die Wege sind ja oftmals relativ weit. Dann die Schuluniform, die haben sie dort ja in der Regel, dann Schulbücher, Schulessen und die Schulgebühren als teuerster Baustein. Und an jedem unserer Produkte hängt dann ein Etikett, auf dem steht, welchem Kind man mit seinem Kauf welche Leistung ermöglicht. Auf unserer Homepage kann man dann zum Beispiel nachschauen, wie alt das Kind ist und wo es zur Schule geht.
Was zeichnet denn die Kinder aus, die ihr unterstützt?
Die Kinder sind in der Regel Grundschüler. In den ersten vier Schuljahren lernen sie lesen und schreiben und damit wird ja der Grundstein für alles gelegt. Wir können nicht gewährleisten, dass man von jedem Kind beispielsweise Post bekommt. Das ist auch für die Organisationen sehr schwierig – für sie ist es schon ein großer Aufwand, überhaupt Fotos von allen zur Verfügung zu stellen. Aber wir versuchen schon, immer mal wieder Neuigkeiten zu bekommen und einzelne Kinder dann auch ein bisschen näher im Porträt vorzustellen. Sei es im Newsletter oder über einen unserer anderen Kanäle.
Und wie haltet ihr den Geldfluss für euch selbst und die Kunden transparent?
Wir versuchen immer einmal im Jahr, in eins der Projekte zu reisen. Letztes Jahr waren wir in Namibia und als nächstes steht Tansania auf dem Plan. Und da machen wir uns natürlich ein Bild davon, wo die Gelder ankommen. Mit steps for children sitzen wir hier ja sogar in einem Büro zusammen – da sehen wir den Geldfluss schon genau. Und wir kennen ja alle Partner vor Ort.
Nur durch den engen Austausch weiß man sicher: Da passiert auch das, was wir versprechen. Vorletztes Jahr haben wir zum Beispiel auch ein Crowdfunding für einen Schulanbau gemacht, den haben wir uns dann letztes Jahr angeguckt. Es ist schön, wenn man direkt das Ergebnis dessen sieht, was man angestoßen hat.
Wie kommen denn die Taschen-Designs zustande?
Das ist eher Andreas Schiene, über die Zeit hab ich aber auch gelernt, was funktioniert und was nicht. Aber sie ist halt diejenige von uns, die schon immer total designverliebt war und da auch viel Kreativität und Freude mitbringt. Sie zeigt mir die Entwürfe, dann legen wir die Maße fest und schicken sie in die Produktion. Die fertigen dann einen Prototypen und wir können nochmal adjustieren. Natürlich versuchen wir, mit unterschiedlichen Styles verschiedene Bedürfnisse zu bedienen.
Für deutsche Frauen ist eine Tasche ein Gebrauchsgegenstand
Was wir allerdings gelernt haben: Die deutsche Frau möchte an ihrer Tasche einen Reißverschluss haben, Vollleder empfinden alle als am hochwertigsten, in größere Taschen sollte auf jeden Fall A4 passen und es muss Innenfächer geben, damit man seine Sachen ein bisschen sortieren kann. Idealerweise haben die Taschen dann auch noch einen abnehmbaren Trageriemen – auch, wenn man ihn vielleicht nie benutzt. Aber das Robuste ist eben wichtig.
Irgendjemand hat mal gesagt: Für deutsche Frauen ist eine Tasche ein Gebrauchsgegenstand, den man sich im Zweifelsfall bei Regen über den Kopf hält. Italienerinnen hingegen stecken sie die Tasche dann unter den Mantel, damit sie nichts abbekommt.
Was kosten die schönen Dinge dann im Verkauf?
Bei zwei Taschen, die das Gleiche bieten und etwa gleich viel kosten, entscheiden sich die meisten Frauen ganz klar für die nachhaltige und soziale Variante. Aber viele würden dafür jetzt nicht gleich hundert oder zweihundert Euro mehr in die Hand nehmen. Da war also unser Anspruch, die Preise auf einem vergleichbaren Level zu halten. Die Schlüsselanhänger gehen nun los bei 19, Armbänder und Clutches gibt es ab 29 Euro. Vollleder-Taschen kosten zwischen 149 und 299 Euro.
Und wo kann ich Beliya aktuell kaufen?
Wir vertreiben hauptsächlich über unseren Online-Shop, aber es gibt uns auch in ausgewählten Geschäften – die sind auf unserer Website aufgeführt. Das ist aktuell aber nicht unser Verkaufsschwerpunkt, weil der Aufbau eines richtigen Vertriebs natürlich viel Aufwand, Ressourcen und Kosten bedeutet. Bisher läuft es eher so, dass die Läden auf uns zukommen. Das sind häufig eher grüne, nachhaltige Geschäfte, meist aus Deutschland. Aber es gibt sogar Läden in Frankreich, der Schweiz und den Niederlanden, die Beliya bestellen. In Hamburg sind es aber aktuell gar nicht so viele.
Vor Kurzem hattet ihr aber eine Sonderkollektion bei Budni. Was steckte dahinter?
Ja, da hatten wir zum ersten Mal auch zwei Taschen zugunsten von Hamburger Bildungsprojekten. Eine hat Marie Nasemann designt und die andere Samy Deluxe. Samy Deluxe hat auch ja einen eigenen Verein, Deluxe Kidz – damit hilft er benachteiligten Kindern in Hamburg. Im Juni gab’s dann bei Budni mehrere tausend Stück für 4,99 Euro, aber die waren innerhalb von vier Tagen ausverkauft. Dann bekam ich tagelang WhatsApp-Nachrichten: „Kannst du mir noch eine besorgen, die gibt’s nirgendwo mehr!“. Und weil das so erfolgreich war, wird die Aktion vermutlich in diesem Jahr noch einmal wiederholt. Die Promis sind aber natürlich noch geheim.